Protest bei Deliveroo in London

Unversichert und ausgeliefert

Am Ende war angeblich alles nicht so gemeint. Die neuen Bezahlungsmodalitäten sollten nur bei freiwilliger Teilnahme in 90 Tagen erprobt werden, sagte Dan Warne, der Direktor von Deliveroo für Großbritannien und Irland. Statt sieben Pfund pro Stunde und einem Pfund pro Lieferung sollten die Fahrer nur noch 3,75 Pfund pro Lieferung erhalten. Am Donnerstag vergangener Woche hatten Dutzende Fahrer mit dem Slogan »Deliveroo or Slaveroo« vor dem Hauptquartier der Firma in London und auf den Straßen der Stadt protestiert. Ihren Aussagen zufolge wurde jenen, die sich auf die neuen Bedingungen nicht einlassen wollten, mit Entlassung gedroht. Auch das britische Ministerium für Gewerbe, Energie und industrielle Strategie (DBEIS) hatte sich eingemischt, auf der Zahlung des Mindestlohns von 7,20 Pfund pro Stunde bestanden und erklärt, das Unternehmen könne nicht einseitig die Beschäftigungsbedingungen ändern.
Deliveroo betrachtet sich als Vermittler zwischen Restaurants, Kunden und Fahrern, die als selbständig gelten und vom Unternehmen nicht versichert werden; ein Geschäftsprinzip, das auch bei Fahrdiensten und in anderen Bereichen lukrativ ist. Die Zahl der Beschäftigten wächst, allein in London gibt es etwa 3 000 Deliveroo-Fahrer, überdies konnte die Firma ihr Kapital Anfang August um 275 Millionen US-Dollar aufstocken. In einem harten Konkurrenzkampf, den nur die kapitalkräftigsten Unternehmen überleben werden, entscheidet das Budget über die Marktmacht und die Expansionschancen. Vor allem aber gilt es, die Kosten zu drücken. So versuchen Deliveroo und konkurrierende Firmen wie Just Eat und Uber Eats, einander vor allem durch den Druck auf die Beschäftigten zu unterbieten. Proteste gegen dieses Geschäftsmodell gab es bislang vor allem von Seiten der Mitarbeiter geschädigter etablierter Unternehmen, so von Taxifahrern gegen Uber. Die individualisierten Beschäftigten sind schwer zu organisieren. Der Protest in London, bei dem auch Geld für einen Streikfonds gesammelt wurde, ist daher bemerkenswert, auch wenn sich offenbar nur eine Minderheit der Fahrer beteiligte. Die überraschend deutliche Stellungnahme des DBEIS entspricht der von der britischen Premierministerin Theresa May propagierten Linie stärkeren sozialen Engagements, ein konsequentes Vorgehen ist allerdings nicht zu erwarten. Nachdem »ihre Sorgen angehört« wurden, wie Warne behauptete, haben die Deliveroo-Fahrer vorerst die Wahl, zu den alten, nicht eben großzügigen Konditionen zu ­arbeiten. Das grundsätzliche Problem der unversicherten Beschäftigten, die keine sein sollen, bleibt ungelöst.