Mariano Rajoy ist erneut zum Ministerpräsidenten Spaniens gewählt worden

Rajoy bleibt sich treu

Das spanische Parlament hat den bei den letzten beiden Wahlen gescheiterten Konservativen Mariano Rajoy erneut zum Ministerpräsidenten gewählt.

Vier Tage vor Ablauf der verfassungsmäßigen Frist zur Regierungsbildung, nach deren Verstreichen der spanische König Felipe VI. ein weiteres Mal Neuwahlen hätte ausrufen müssen, kam es am Samstag doch noch zur Wahl eines Ministerpräsidenten. Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP) war zuvor wie sein gesamtes Kabinett zehn Monate lang nur noch geschäftsführend im Amt. Denn bei den vorletzten Wahlen am 20. Dezember 2015 hatte der PP seine absolute Mehrheit verloren und war mit 28,7 Prozent der Stimmen nur noch auf 123 Mandate gekommen. In den Jahren zuvor hatte der PP eine rabiate Austeritätspolitik verfolgt, es wurde privatisiert und der Arbeitsmarkt dereguliert, Bürgerrechte wurden eingeschränkt.
Alle Versuche, eine Koalition zu bilden, scheiterten. Bei den Neuwahlen am 26. Juni steigerte sich der PP zwar auf 33 Prozent, aber auch das reichte nur für 137 von 350 Mandaten. Die neue Partei Ciudadanos (Bürger) stand als Koalitionspartner bereit und hätte die Austeritätspolitik mitgetragen, aber auch mit ihren 32 Abgeordneten kam der PP nicht auf die absolute Mehrheit von 176 Mandaten.
Da der PP als spanisch-nationalistische Partei ebenso wenig zu Zugeständnissen an die auf Loslösung von Spanien orientierten separatistischen Parteien aus Katalonien und dem Baskenland bereit ist wie zu einer Beendigung der Austeritätspolitik, wie von Podemos (Wir können) und der IU, der Vereinigten Linken, gefordert, blieben nur die Sozialdemokraten, der PSOE, als mögliche Mehrheitsbeschaffer. Doch der PSOE hatte sich in beiden Wahlkämpfen als soziale Opposition inszeniert und im Juni betont: »Nein heißt nein« – einen Ministerpräsidenten Rajoy werde man auf keinen Fall wählen. Da die Führung des PSOE sich aber gleichzeitig vehement gegen eine Koalition mit der linksalternativen Podemos, der IU und den Regionalparteien wandte, ergab sich erneut ein politisches Patt.
Die Führung des PSOE ist weder dazu bereit, die Austeritätspolitik grundsätzlich in Frage zu stellen und die Spar­auflagen der EU abzulehnen, noch dazu, über die staatliche Einheit Spa­niens zu diskutieren. Anfang Oktober rebellierten die Regionalfürsten des PSOE gegen den Parteivorsitzenden Pedro Sánchez, weil dieser auf dem »Nein« beharrte und sich Podemos und den Regionalparteien für Koalitionsverhandlungen annähern wollte. Die beiden früheren Ministerpräsidenten des PSOE, Felipe González und José Luis Rodríguez Zapatero, sagten, die Interessen des Vaterlandes seien jetzt wichtiger als ideologische Fragen – ein Aufruf, dem PP die Regierungsbildung ermöglichen. Unternehmerverbände mahnten, der einsetzende Wirtschaftsaufschwung erfordere stabile politische Rahmenbedingungen. Sánchez trat am 1. Oktober zurück.
Am 23. Oktober beschloss das Föderale Komitee des PSOE, zwischen den Kongressen das leitende Gremium der Partei, dass ihre Abgeordneten sich bei der erneuten Kandidatur von Mariano Rajoy für das Amt des Minsterpräsidenten im zweiten Wahlgang enthalten sollten. Der fand nun am Samstag statt, Rajoy wurde mit 170 Stimmen der Abgeordneten von PP und Ciudadanos gewählt. 15 Abgeordnete des PSOE haben ungeachtet der Direktive ihrer Parteiführung gegen Rajoy gestimmt, die anderen 68 haben dessen Wahl mit ihrer Enthaltung ermöglicht. Rajoy hatte zuvor erklärt, er sei zu Vereinbarungen etwa im Bereich der Bildung bereit, nicht aber dazu, die wichtigsten Gesetze seiner vorigen Regierung zurückzunehmen. Er betonte, die Verantwortung für die Regierungspolitik teilen zu wollen – PSOE und Ciudadanos sollen die Austeritätspolitik mitvertreten.
Die Europäische Kommission hat im Sommer Spanien noch zwei Jahre ­länger Zeit gegeben, um das Maastricht-Kriterium eines Haushaltsdefizits von höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes einzuhalten. Auf Sanktionen wurde verzichtet, obwohl es im Jahr 2015 ein Defizit von 5,1 Prozent gab. Auch in diesem Jahr werden es etwa fünf Prozent sein. Wirtschaftsminister Luis de Guindos sagte, dass im Haushaltsentwurf für 2017 weitere 5,5 Milliarden Euro eingespart oder durch Steuerhöhungen eingenommen werden müssten. Schon im November müssen Entscheidungen getroffen werden, die Europäische Kommission hat bereits drei Tage vor der Wahl Rajoys gefordert, die Regierung solle so schnell wie möglich einen neuen Entwurf für einen Haushalt 2017 einreichen.