Ein stadtpolitisches Hearing über die Wohnungspolitik in Berlin

Milieuschutz unzureichend

In Berlin-Kreuzberg trafen sich 25 stadtpolitische Initiativen, um Alternativen zur derzeitigen Wohnungsmarktpolitik vorzuschlagen.

Berlin-Kreuzberg gilt der Immobilienwirtschaft nach wie vor als attraktiv. Die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt sind auch im Kreuzberger Wrangelkiez deutlich zu spüren. Die angespannte Lage dort war im Zuge der Proteste gegen die Kündigung des Gemüseladens »Bizim Bakkal« bekannt geworden (Jungle World 25/15). Aus ihnen war 2015 auch die Nachbarschaftsinitiative »Bizim Kiez« hervorgegangen, die sich erfolgreich für den Erhalt des Geschäfts einsetzte. Sie hatte am Mittwoch vergangener Woche gemeinsam mit dem »Pankower Mieterprotest« und dem »Büro für ungewöhnliche Maßnahmen« zum »stadtpolitischen Hearing« ins dortige Nachbarschaftszentrum geladen. Kurz vor Beginn der neuen Legislaturperiode waren Politiker der regierungsbildenden Parteinen dazu aufgefordert, sich die Forderungen und Vorschläge stadtpolitischer Initiativen anzuhören. Vielleicht war dies auch ein Versuch, sich nach dem vorzeitig beendeten Mietenvolksentscheid im vergangenen Jahr als außerparlamentarische Opposition erneut ins Gespräch zu bringen.
Gekommen waren Vertreter von 25 stadtpolitischen Initiativen aus ganz Berlin. Auch die fünf politischen Vertreter, die ihren Weg zum Hearing gefunden hatten, dürften allesamt der Bewegung nahestehen. Unter ihnen waren Katrin Schmidberger von den Grünen und Michael Efler von der Linkspartei. Zwar hätten sich noch weitere Politiker angekündigt, so Magnus Hengge von Bizim Kiez im Gespräch mit der Jungle World, diese seien aber gerade mit den Koalitionsverhandlungen für die neue Regierung beschäftigt. Dennoch zeigte Hengge sich mit der Veranstaltung zufrieden, auch weil es gelungen sei, unterschiedliche stadtteilpolitische Initiativen zusammenzubringen, die sonst häufig getrennt voneinander arbeiten.
Den Tenor der Veranstaltung war, eine effektivere staatliche und kommunale Kon­trolle des Wohnungsmarkts zu fordern, eine Politik also, mit der sich linke Sozialdemokraten, gäbe es sie denn, durchaus anfreunden könnten. Konkrete Forderungen waren der Ausbau des kommunalen Wohnungsbaus und eine bessere Regulierung des bestehenden, in der Tat katastrophalen Systems. Die »Initiative für den Kiezerhalt« brachte darüber hinaus unabhängige Schiedsstellen ins Gespräch, die von Anwohnern etwa bei Streitigkeiten über geplante Bauvorhaben eingeschaltet werden könnten, während das »Büro für ungewöhnliche Maßnahmen« gleich die Schaffung einer eigenen Behörde für Mieterbeauftragte vorschlug. Kritisiert wurden zudem jene Instrumente, die von der Berliner Politik in den vergangenen Jahren beschlossen worden waren. Viele Gesetze hatten sich als unwirksam erwiesen. Die Verordnung zum »Milieuschutz« etwa, die innerhalb bestimmter Bereiche die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen regulieren sollte, konnte nicht verhindern, dass in den entsprechenden Gebieten im vergangenen Jahr 5 000 Wohnungen dem Mietmarkt entzogen wurden. Nicht weniger ernüchternd erscheint die Bilanz der »Mietpreisbremse«, die einen Anstieg der Miete bei Neuvermietung um mehr als zehn Prozent der ortsüblichen Durchschnittsmiete verhindern sollte. Ausnahmeregelungen zur Sanierung sowie ein Verfahren, das dem Mieter die Verantwortung überträgt, gegen seinen Vermieter zu klagen, machen die Verordnung in der Praxis ineffektiv. Eine Eingliederung der »Mietpreisbremse« ins Wirtschaftsstrafgesetz, wie es der »Berliner Appell für Wohnungspolitik« vorschlug, würde hier Abhilfe schaffen. Dann nämlich wäre das Ordnungsamt für die Überprüfung und Ahndung von Verstößen zuständig.
Auffällig war, dass der Umgang der Stadt mit der Unterbringung von Flüchtlingen an diesem Abend kaum angesprochen wurde. Viele Auseinandersetzungen fänden ohnehin schon isoliert voneinander statt, sagte ein Vertreter des »Pankower Mieterprotests« der Jungle World. Auch hier fehle es schlicht an »Vernetzung«.
Angesichts weiterhin steigender Mieten – dem Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin zufolge lag die Steigerungsrate im Jahr 2015 bei 6,7  Prozent – ist die Suche nach konkreten Lösungen zwar sinnvoll, doch mehr als Appelle an die Politik kamen nicht heraus. Viel war an diesem Abend von Investoren und Immobilienmaklern die Rede, Verwertungslogik und Städtekonkurrenz als Motor der Entwicklungen blieben aber ausgespart. Dass kaum über diese systemischen Gründe für die Wohnungsmisere gesprochen wurde, offenbart die derzeitige Schwäche der Bewegung.