Donald Trump und die radikalen Abtreibungsgegner in den USA

Trump vs. Choice

Die US-Regierung streicht Fördermitteln für Organisationen, die Frauen bei der Familienplanung unterstützen. Den »Lebensschützern« geht das nicht weit genug.

Donald Trump unterzeichnet viele Dokumente dieser Tage. Eines der Papiere, die der neue US-Präsident nach der Unterzeichnung am 23. Januar demonstrativ in die Kameras hielt – umringt nur von männlichen Mitarbeitern – war das »Memorandum zur Mexico City policy«.
Der Erlass verbietet die Vergabe von Bundesmitteln an Nichtregierungsorganisationen, die »Abtreibungen vornehmen oder propagieren«. Damit kann US-Entwicklungshilfe nur an Organisationen vergeben werden, die in keiner Weise über Abtreibung sprechen – Kritiker nennen die Anordnung deswegen auch »Global Gag Rule« (globale Knebel­regel). 
An seinem ersten Tag im Amt läutete Trump damit eine neue Runde im jahrzehntelangen US-amerikanischen Kulturkampf um Schwangerschaftsabbrüche ein. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht derzeit die Organisation Planned Parenthood, die mit dem Erlass global und national finanziell »ausgetrocknet« werden soll.
Die Mexico City policy wurde 1984 vom damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan anlässlich einer internationalen Konferenz zur Familienplanung in Mexiko-Stadt erlassen. Sie wurde unter Reagans Nachfolger George H. W. Bush fortgeführt, unter Bill Clinton ausgesetzt, mit der Amtseinführung von George W. Bush wiedereingeführt und verschärft und unter Barack Obama wieder annulliert. Zwar finanzierte die Regierung Obama keine Abtreibungen, doch für andere Programme von Organisationen, die auch Abtreibungen vornehmen, wie etwa Verhütungsprogramme oder Betreuung nach einer Abtreibung, wurden Gelder ausgezahlt.
Nach Angaben des Guttmacher Institute enthielt der US-Haushalt von 2016 607,5 Millionen US-Dollar für internationale Familienplanung. 27 Millionen Menschen weltweit erhielten dadurch Zugang zu Verhütungsmitteln und sechs Millionen ungewollte Schwangerschaften wurden verhindert, schätzt der liberale Think Tank.
Der internationalen Sektion von Plan­ned Parenthood werden nach Angaben der Organisation durch Trumps Entscheidung 100 Millionen US-Dollar an Fördermitteln entgehen, wenn sie sich nicht den Restriktionen der Mexico City policy unterwirft. Trotzdem nimmt die Organisation, wie bereits unter George W. Bush, den Verlust der Fördermittel in Kauf, um ihre bisherige Arbeit fortsetzen zu können. Einspringen könnten für Planned Parenthood und andere NGOs internationale Geldgeber.
Als Reaktion auf Trumps Erlass kündigte die niederländische Regierung die Einrichtung eines internationalen Fonds an, um den Ausfall der US-Gelder zu kompensieren. Mit der Initiative will Entwicklungsministerin Lilianne Ploumen sicherstellen, dass Frauen in Entwicklungsländern Zugang zu Verhütungsmitteln haben und auch einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen können. In den Fonds sollen Staaten, Unternehmen und Individuen einzahlen können.
In den USA kämpfen Regierung und Republikaner mit der Parole »Defund Planned Parenthood« gegen die Organisation. Bereits jetzt ist die Finanzierung von Abtreibungen mit Regierungsmitteln verboten, doch für andere Gesundheitsleistungen wie Brustkrebsuntersuchungen, Hilfe bei Geschlechtskrankheiten oder Verhütung bekommt Planned Parenthood derzeit rund 500 Millionen US-Dollar pro Jahr. Frühere Initiativen, Planned Parenthood von Regierungsgeld abzuschneiden, sind an Obama und demokratische Mehrheiten im Kongress gescheitert. Doch seit 2015 haben die Republikaner  die Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat. Nun wollen sie der Organisation bei der Verabschiedung des US-Haushalts für 2017 jegliche Bundesmittel streichen.
Die Maßnahme ist für die konservative Rechte nur ein Teil einer langen und kleinteiligen Arbeit zur Zurückdrängung der Abtreibung. »Pro-Life«-Gruppen wie SBA List haben für Donald Trump im Wahlkampf an Millionen Türen geklopft und demokratische und republikanische Kandidaten für den Kongress mit Kampagnen unter Druck gesetzt. Viele Bundestaaten haben Bestimmungen eingeführt, die Abtreibungen erschweren und Frauen unter Druck setzen: 45 Staaten erlauben es Medizinern, Abtreibungen abzulehnen, 17 Staaten verpflichten Frauen zu einer Beratung über mögliche negative Folgen einer Abtreibung. Ende Januar verabschiedete Arkansas ein Gesetz, das die in 95 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche nach der 14. Woche angewandte chirurgische Abtreibung verbietet.
Gegen die Trump-Regierung und ihre Familienpolitik demonstrierten am Tag nach der Vereidigung bei den landesweiten »Women’s Marches« nach Angaben der Datenjournalisten von Fivethirtyeight mehr als drei Millionen Menschen in über 400 Städten. »Als ich 15 Jahre alt war, habe ich in New York City gewohnt, meine Familie lebte von Sozialhilfe. Planned Parenthood hat mir geholfen – sie waren warmherzig und professionell, keine Verurteilung, keine Fragen.« So beschrieb die Schauspielerin Scarlett Johansson in ihrer Rede beim »Women’s March« in Washington ihre persönliche Verbindung zur Organisation. 
97 Prozent der Leistungen, die Planned Parenthood in Kliniken erbringt, sind Vorsorgeuntersuchungen, nur drei Prozent sind Abtreibungen – deren Rate ist in den USA in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken.

Die Abtreibungsgegner hoffen, dass von Trump nominierte Richter die Entscheidung »Roe vs. Wade« von 1973 annullieren werden.

Besonders im konservativen heartland, wo Republikaner eine strikt religiöse Familienpolitik durchgesetzt haben und der Zugang zu Krankenversicherung weniger verbreitet ist als in liberalen Hochburgen, ist Planned Parenthood oft die einzige Organisation, die Beratung und Behandlung für Millionen arme Amerikanerinnen bietet. 75 Prozent der Mittel, die Planned Parenthood für erbrachte Gesundheitsleistungen derzeit aus Washington zurückerstattet bekommt, werden über die minimale staatliche Krankenversorgung Medicaid abgerechnet.
Diese Förderung einzustellen, ist für Abtreibungsgegner zu wenig. Eine Woche nach dem »Women’s March« versammelten sich erneut Zehntausende Demonstranten in Washington für den »March for Life«. Auch diesmal, wie jedes Jahr seit 1973, protestierten die »Lebensschützer« gegen eine Entscheidung des Obersten Gerichts, staatliche Verbote von Abtreibung im ersten Schwangerschaftstrimester seien mit der amerikanischen Verfassung nicht vereinbar. Die wegweisende Entscheidung ist bekannt unter dem Namne »Roe vs. Wade«. Die Abtreibungsgegner hoffen nun, dass von Trump nominierte konservative Richter diese Entscheidung annullieren werden. Ein Sitz im Obersten Gericht ist derzeit vakant, sollte Trump noch einen weiteren besetzen könne, gäbe es eine konservative Mehrheit.
Auf dem »March for Life« jubelten auch viele junge College-Studenten und Frauen Vizepräsident Mike Pence zu, der den Demonstranten zurief, unter Trump werde »das Leben gewinnen«. Die Frau, über deren Fall in »Roe vs. Wade« entschieden wurde, ist heute übrigens Abtreibungsgegnerin. Norma McCorvey – die damals mit dem Pseudonym Jane Roe auftrat – ließ sich 1995 taufen, kündigte ihren Job in einer Abtreibungsklinik und engagiert sich seither in der »Pro-Life«-Bewegung.
Wie sehr die Debatte über Abtreibung die amerikanische Gesellschaft spaltet, zeigt sich in den Meinungsumfragen zu diesem Thema. Einer Gallup-Umfrage zufolge sagen derzeit 47 Prozent der Amerikaner, sie seien »pro-choice«, 46 Prozent bezeichnen sich als »pro-life« – diese Werte haben sich seit Jahren kaum verändert. Zwar finden laut einer Umfrage des Pew Research Center 69 Prozent der Amerikaner, »Roe vs. Wade« sollte nicht komplett aufgehoben werden, aber viele befürworten Abtreibungen nur unter bestimmten Bedingungen und halten diese generell für unmoralisch.
Mit der Kampagne »I stand with ­Planned Parenthood« will die Organisation in den kommenden Monaten Druck auf Kongressabgeordnete aufbauen und gegen Initiativen der Republikaner klagen. Die Organisation hat seit der Wahl von Donald Trump 400 000 Spendenzusagen erhalten. Doch bisher ist unklar, ob zusätzliche Spenden die fehlenden staatlichen Mittel kompensieren können. Diese machen in den USA derzeit immerhin 40 Prozent des Budgets von Planned Parenthood aus.