Der Personenkult im Fußball nervt

Das hier ist Fußball, das hier sind Dramen

Die Diskussion um die richtige Aufstellung muss um die vernachlässigte Perspektive der Ultras erweitert werden.

Die Idee von All-Star-Teams ist alt – immer eine schöne Sache für den Moment, doch eher geeignet für die Sommer- oder Winterpause, um die Anhänger und Anhängerinnen des Clubs bei Laune zu halten, als ein sinnvoller Vorschlag für die laufende Saison.


Der Fußballclub des Herzens ist ein mehr oder weniger abstraktes Ding, zwar immer auch von den Spielern oder Spielerinnen auf dem Rasen geprägt, aber doch viel mehr als die Summe dieser realen Menschen, die manchmal schneller wieder weg sind, als der Fan gucken kann. 

Die Redaktion der italienischen Tageszeitung La Repubblica hat vor kurzem einen Social-Media-Hype um ein Fußballteam ausgelöst, das aus einigen linken All-Stars von Karl Marx über Walter Benjamin, Max Horkheimer und Antonio Gramsci bis Michel Foucault besteht. Wie taktisch clever diese Aufstellung war, darüber hat sich schon Frank Engster auf dem Blog »Marx 200« ausgiebig geäußert. Ob nun Karl Marx ein guter Torwart wäre oder doch lieber Teamchef sein sollte oder Adorno und Foucault generell gut in ein und dasselbe Team passen: geschenkt.

Daneben haben andere, wie die Antideutsche Aktion Berlin, über die »richtige Aufstellung im Falschen« fabuliert und, als wäre das nicht schon schlimm genug, im Kader Rosa Luxemburg als einzige Frau zwischen Altherren und Antifeministen nominiert. Vermeintliche Teammanager und Modefans haben darüber hinaus noch einige ihnen missliebige Theoretiker gegen international unbekannte Amateurkicker ausgetauscht, wahrscheinlich für Ablösesummen weit über Wert.

Die Diskussion muss endlich um die viel zu oft vernachlässigte Perspektive der Ultras erweitert werden. Trainer kommen, Spieler gehen, doch die Kurve bleibt bestehen, alles für den FC Kommunismus, die spaßbefreite Gesellschaft und Rasenballfeminismus. Was bleibt, ist der Club, das größere Ganze, für den es am Spieltag im Stadion, aber auch an allen anderen Tagen das Beste zu geben gilt. Ohne die Fans, die Woche für Woche Tausende Kilometer überwinden und ihre bürgerliche Existenz aufs Spiel setzen, wären die Vereine doch aufgeschmissen. 90 Minuten lang im Stadion zu singen und das Team anzufeuern, vergrößert das Lungenvolumen und macht einen langen Atem. Viel Durchhaltevermögen, allen Unwegsamkeiten zum Trotz, braucht man, um irgendwann die reaktionären Traditionsclubs und Liga-Dinos zu stürzen. Ein Team aus Schwergewichten, wie einst das von Monty Python und jetzt eben von La Repubblica aufgestellt, ist zwar sicher für ein oder zwei Spielzeiten erfolgversprechend, doch auf lange Sicht lässt sich so auch nicht die Klassenlosigkeit sichern. Schmerzlich erscheint zudem die Vorstellung, der FCK könnte schlecht spielen, weil Giorgio Agamben und Co. nicht in Hochform sind. Das Team der Giganten würde die im laufenden Spielbetrieb ohnehin immer auftretenden Dilemmata der Fans nur noch verstärken, denn natürlich gilt es, immer da zu sein und zu unterstützen, ob es gut läuft oder schlecht.

Doch wenn eine Misere mal länger anhält, was dann? Im Sinne von »Kill your idols« zumindest als Drohung gegen die eigene Mannschaft elf Gräber ausheben, wie es einst Fans von Dynamo Dresden taten, um die Spieler ihres geliebten Vereins zu besseren Leistungen zu nötigen? Das ist nun rein gar nicht emanzipatorisch und eher ein No-go. Also doch lieber auf die klassischen Methoden zurückgreifen, noch einen Doppelhalter malen und beim nächsten Spiel symbolpolitisch ordentlich Pyro zünden? Wenn es dann aber immer noch nicht läuft, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden. 

Bleibt nur die Frage: Wer traut sich, für den Kommunismus den Trainer Marx auszupfeifen oder für den lang­ersehnten Aufstieg zu fordern, dass Horkheimer auf der Bank bleibt, damit eine zu Unrecht weit weniger berühmte Feministin ihr Talent unter Beweis stellen und für die entscheidenden Punkte sorgen könnte? Diejenigen, die sich das aktuell diskutierte All-Star-Team ausgedacht haben, wohl kaum.

Und, seien wir mal ehrlich, die wenigsten auf den Stehplätzen gucken doch aufmerksam 90 Minuten lang das Spiel an und könnten etwaige Meisterleistungen eines Walter Benjamin auf dem Platz nach dem Abpfiff überhaupt angemessen wertschätzen. Allzu schnell würde ein inhaltsleerer Personenkult um die vermeintlich besten Spieler entstehen, ohne dass man das letzte Tor überhaupt richtig gesehen hat.

Ultras wird häufig vorgeworfen, sie würden sich für das Geschehen auf dem Spielfeld, also auch für die Spieler, kaum interessieren. Manchen Linken stünde genau das mal ganz gut zu Gesicht.