Es geht um die negativen Seiten des Lebens: Lydia Lunch ist mittlerweile 58 Jahre alt und blickt auf etwa vier Jahrzehnte künstlerischen Schaffens als Schauspielerin, Dichterin, Muse des Underground-Kinos, vor allem aber als Musikerin zurück. Ihr Sound: Spoken-Word, grundsätzlich garstig; düstere Gitarrenklänge, ein gefährlich wummernder Bass, regelmäßig auch field recordings.
Immer wieder tut Lunch sich mit anderen Künstlerinnen und Künstlern zusammen. In den vergangenen knapp vier Jahren hat sie drei Alben mit dem britischen Gitarristen Cypress Grove aufgenommen. »A Fistful of Desert Blues« war eine Hommage an die Wüstenregion Andalusiens, in der seit den sechziger Jahren Italowestern gedreht wurden. Auf »Twin Horses« trieben Lunch und Grove dem kolossal nervtötenden und mit Klischees überladenen »Hotel California« von den Eagles jedes Hippietum aus. Mit eigenwilligen Interpretationen geht es auf ihrem jüngsten Album »Under the Covers« weiter. Das Ergebnis: Songs von obskurer und seltsam verzogener Schönheit.
Zu Beginn wird eine alte Liebesgeschichte erzählt, die tragisch in einem Selbstmord endet: »Ode to Billie Joe«. Bobbie Gentrys 1967 veröffentlichter Song entwickelte sich rasch zu einem kommerziellen Erfolg, die Single hat sich weltweit über drei Millionen mal verkauft. Der im Songtext erwähnte »Dusty Delta Day« – mit dem Delta ist das Mündungsgebiet des Mississippi gemeint – klingt in der Version von Lunch und Grove noch verzweifelter als im Original. Ebenfalls auf »Under the Covers« enthalten ist eine Interpretation Jon Bon Jovis. Sein erstes Soloalbum »Blaze of Glory« diente Geoff Murphys gleichnamigem Western als Soundtrack. Bon Jovis Titelsong muss bei Lunch und Grove auf allen Kitsch verzichten: weniger Kuschelrock, weniger Schüttel-dein-Haar, mehr Verzerrung. Lunch klingt wie eine weise Rinderbaronin, die von Billy the Kid erzählt. Selbst Jim Morrison und Elvis Costello werden gecovert. Wer das anstößig findet: Lunch doesn’t give a fuck.
Lydia Lunch & Cypress Grove: Under the Covers (Rustblade)
