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Interessiertes Mitgefühl

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mediumDie Fakten standen schnell fest: Von seinem Hotelzimmer aus hatte Stephen Paddock auf Besucher eines Open-Air-Festivals geschossen und dabei mehr als 50 Menschen ­ermordet sowie mehr als 200 verletzt. Kurz darauf kursierten bei Twitter auch schon erste Handyaufnahmen, die nicht nur die Panik der eben noch ausgelassen Feiernden zeigen, sondern auch Verletzte und wohl auch Tote. Für unangenehm viele Nutzer sozialer Medien sind Anschläge aber eine Supergelegenheit, nicht nur mit dem Verbreiten von Bildern panischer Menschen neue Follower zu gewinnen, sondern auch recht zu haben. Mitgefühl mit den Opfern äußern sie nur dann, wenn der Täter zu denen gehört, die sie am liebsten hassen.

Las Vegas war ein gutes Beispiel: Zunächst galt ein IS-Anschlag als wahrscheinlich, und so beklagten vor allem Trump-Anhänger umgehend die angebliche Masseneinwanderung, die Blutrünstigkeit von Muslimen und das Leiden der armen Opfer, man kennt das. Kaum zeigte sich, dass der Täter ein weißer Mann war, war es mit dem Mitgefühl für die Attackierten bei diesen Leuten auch schon wieder vorbei, stattdessen wurde nun an­gezweifelt, ob es tatsächlich möglich sei, so viele Schüsse in so kurzer Zeit abzugeben. Und betont, dass man der »Lügenpresse« ja bekanntlich nicht glauben könne. Letzteres hatten zuvor auch schon Irgendwie-Linke getwittert, die sich gegen eine Vorverurteilung (des IS? Ja, darauf lief es hinaus) durch eben diese »Lügenpresse« ausgesprochen hatten. Dafür hatten sie nun Mitleid und verbreiteten deswegen anklagend die Bilder des ­Anschlags weiter, ohne Rücksicht auf etwaige Freunde und Angehörige von Opfern. Im Januar 2016 erfuhr ein Ehepaar aus Iserlohn übrigens durch das Facebook-Posting eines Unfallgaffers vom Tod seiner beiden Söhne.