Die »Soldiers of Odin« sind eine Rassistengruppe, die auf Wikingerpolizei macht

Möchtegernwikinger auf Streife

Unter dem Namen »Soldiers of Odin« tritt eine rassistische Gruppe in Bayern als Bürgerwehr auf. Für ihre Aktivitäten interessieren sich mittlerweile auch die Behörden.

Bei ihren Auftritten geht es vor allem um die Inszenierung. Es dauert meistens nicht lange, bis die »Soldiers of Odin« (SOO) nach einem ihrer Spaziergänge großspurig die ersten Fotos auf Facebook veröffentlichen. Auf den Bildern ist üblicherweise eine kleine Gruppe von Personen in rockerähnlichen Kutten zu sehen, die durch verschiedene ­bayerische Städte patrouilliert. Ihr Logo besteht aus einem stilisierten Kopf mit Wikingerhelm und deutscher Fahne als Vermummungsutensil. Sie selbst verstehen sich als »Nachbarschafts­hilfe«, die »Schwachen und Schutzsuchenden« beistehen sowie »bedürftigen Mit­bürgern helfen« möchte. Mit Politik wollen die Mitglieder nicht in Verbindung gebracht werden – gemäß dem Motto auf einem Bild, das die Organi­sation auf Facebook geteilt hat: »Germanen sind weder rechts noch links, sie gehen gerade, sie gehen aufrecht.«

Unpolitisch sind diese »Soldaten« jedoch keineswegs. Entstanden ist die Organisation in Finnland. Mika Ranta gründete sie 2015 als Reaktion auf den Flüchtlingszuzug. In ihrem Heimatland ließ sich nicht lange verbergen, welche Intention die Gruppe tatsächlich verfolgt. Nicht nur die offensive Bezugnahme auf nordische Götter war ein deutlicher Hinweis auf den ideo­logischen Hintergrund, auch ist ihr Gründer kein unbeschriebenes Blatt. Nach Recherchen der Agentur AFP soll Ranta wegen eines rassistisch motivierten Angriffs vorbestraft und Mitglied des »Finnish Resistance Movement« sein – einem lokalen Ableger der »Nordischen Widerstandsbewegung«, die von Beobachtern als terroristisch eingestuft wird.

Inzwischen haben sich, orientiert am skandinavischen Vorbild, international weitere Ableger gegründet, so in den USA, Kanada und Australien. In Deutschland konzentrieren sich die Aktivitäten der SOO auf den bayerischen Raum. Die »Germany Division Bavaria« der SOO hat in den vergangenen Monaten verschiedene, teils aufsehenerregende Auftritte organisiert. So gingen ihre Mitglieder während der Adventszeit in mehreren Städten »auf Streife« – um vermeintlich für Sicherheit zu sorgen. Zwar wirkte der Zusammenschluss zunächst bloß wie eine Gruppe von Menschen, die eine etwas absurde und peinliche Faszination für die nordische Mythologie hegen, gerne Wolfs­bilder teilen und ihre Facebook-Follower als »Rudel« ansprechen. Recherchen der Tageszeitung Main-Post machten aber schnell klar, wer sich hinter der Organisation verbirgt, auch wenn sich die deutsche Sektion öffentlich von ­ihrem finnischen Vorbild distanziert hat. Eine der Führungspersonen, der »Vize Leader Bavaria« Jürgen Gröbel, ist demnach ein ehemaliges Mitglied der rechtsextremen »Kameradschaft Unterfranken«. Zudem hat mit Stefan Schachtl eine Person an einem Spaziergang in Regensburg teilgenommen, die zum Umfeld von »Pegida München« gehört.

Auch die Behörden sehen längst deutliche Hinweise, dass es sich beim bayerischen Ableger der SOO um eine »rechtsextremistische Gruppierung« handelt. Im Dezember hat das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz offiziell die Beobachtung der Orga­nisation aufgenommen, die bislang in Donauwörth, Regensburg, Würzburg und München aufgetreten ist. Den Beteuerungen der Organisation, nicht rassistisch zu sein und nicht als Bürgerwehr aufzutreten, schenkten die Verfassungsschützer keinen Glauben. Faktisch betätige sich die SOO als Bürgerwehr und stelle das staatliche Gewaltmonopol in Frage, so der Inlandsgeheimdienst.

Für die Beobachtung seien »Ideologiefragmente« der SOO ausschlaggebend, die dem Rechtsextremismus zuzuordnen seien. Als Beispiel führt die Behörde ein Video an, das öffentlich auf der Face­book-Seite der Gruppe geteilt wurde. Dort werde der sogenannte Volkstodgedanke bedient, wonach das »deutsche Volk« auszusterben drohe, wofür die »regierenden Politiker« verantwortlichen seien. Der Volkstodgedanke ­basiere auf der völkisch-biologistischen Ideologie des Rechtsextremismus, Volkszugehörigkeit werde dabei festgemacht an genetischen Merkmalen, so der Verfassungsschutz. Bei den SOO kursierten »zumindest verbal aggres­sive Äußerungen«, die Agitation sei von Fremdenfeindlichkeit geprägt.

Tatsächlich unterscheidet sich die Kommunikationsstrategie der Odin-Anhänger nicht nennenswert von der, die andere Neonazis und Rechtsex­treme seit längerer Zeit verfolgen. So teilten die Betreiber der Seite wiederholt Beiträge über Straftaten, die Migranten begangen haben sollen. Aus diesen Postings leiten sie die Notwendigkeit ihrer Streifengänge ab und ­legen nahe, dass der Staat alleine nicht mehr dazu in der Lage sei, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Dabei werden immer wieder auch Links geteilt, die zu einschlägig bekannten Portalen führen – zum Beispiel der verschwörungstheoretischen Epoch Times oder der rassistischen Website PI-News.

Diese altbekannte Masche kann kaum verwundern, ist doch das öffentlichkeitswirksame Auftreten als Bürgerwehr selbst kein neues Phänomen. Bereits lange vor der Gründung der SOO haben andere neonazistische Organisationen diese Strategie umsetzt — auch in Bayern. Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist zweifellos die neonazistische Kleinstpartei »Der III. Weg«, die in Bayern als Nachfolger des verbotenen »Freien Netzes Süd« (FNS) fungiert. Anhänger der Partei gingen im November 2016 etwa auf eine »nationale Streife« in München, gefolgt von zwei weiteren in derselben Stadt im Februar und April 2017. Außerdem nutzte die Partei im August 2017 Vorfälle in Straubing, um in der niederbayerischen Stadt ebenfalls als rechte Bürgerwehr aufzumarschieren. Nur waren die militanten Neonazis ehrlicher als die Konkurrenz von den bayerischen SOO. Sie verbargen ihren Rassismus nicht, mit dem Auftritt sollte ­»kriminellen Fremdländern« aufgezeigt werden, so »Der III. Weg«, »dass Deutsche kein Freiwild sind«.

Wie sich die SOO entwickeln werden, ist unklar. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes steht die Organisation, die ihren Schwerpunkt in Würzburg hat, erst »am Anfang ihrer Entwicklung«. An der inhaltlichen Ausrichtung und den Zielen kann jedoch, trotz aller Distanzierungen, kein Zweifel bestehen: Mit ihrem Auftreten und den Verbindungen ihrer Mitglieder zu rechtsextremen Gruppen sind sie schlicht eine weitere rassistische Vereinigung, die sich von anderen Organisationen mit ähnlichen politischen Zielen nur insofern unterscheidet, als sie ihre tatsächliche Absichten nicht offen einräumt.