Homestory

Homestory #05

Es ist ein schwerer Verlust für die Menschheit, und insbesondere für die Germans. Am Wochenende ist im stolzen Alter von 91 Jahren Ingvar Kamprad, der Gründer von Ikea, verstorben. Sad! Ein Selfmade-Mann von echtem Schrot und Korn bereits mit 17 Jahren und umgerechnet 30 Euro Startkapital, so will es die Legende, legte er los, um zunächst Kugelschreiber, Strumpfhosen und Bilderrahmen mit dem Fahrrad auszuliefern. Ab 1947 kamen dann Möbel dazu, die sich in aller Welt, und vor allem in Deutschland, wo sich seit der Erfindung der sogenannten Trümmerfrau die Heimwerkelei besonderer Beliebtheit erfreut, losschlagen ließen. Innerhalb weniger Jahre hatte Kamprad sich einen weltweiten Konzern gebastelt.

Die Produkte seiner segensreichen Arbeit finden sich allüberall. Eine investigative Recherche in der Redaktion Ihrer kleinen, aber feinen Lieblingszeitung enthüllt: Kein einziger Redakteur, keine einzige Redakteurin verzichtet im privaten Wohnambiente auf Ikea-Produkte. Eine Mitarbeiterin behauptet zwar, bei ihr zuhause beschränke sich das Ikea-Sortiment auf einige Kaffeetassen. Doch in den übrigen Haushalten findet sich alles, was das Herz begehrt: Von Kleinigkeiten wie Bettwäsche, Geschirr, Handtüchern und Topfhaltern mal abgesehen, scheinen Ikea-Möbel überall die Wohnungen vollzustopfen. Und mit Rührung vergegenwärtigt man sich die putzigen Namen, die einen weiteren unwiderstehlichen Kauf­anreiz schaffen: Billy, das gute alte Regal, mit seinen stabileren Pendants Ivar und Onkel, Malm, die stämmige Kommode, Tische und Stühle aus der wackeligen Hemnes-Serie, Karlstad, das ultra­bequeme Sofa, Helmer, das ultimative Büroschränkchen aus Metall, und die strahlende Beleuchtung »Not«.

»Immer in Bewegung bleiben. Und Sparen«, soll der Leitsatz von Kamprad gewesen sein, wobei es nicht ganz klar ist, ob sich der ­erste Satz auf seine Verbindungen zur schwedischen Nazibewegung im Zweiten Weltkrieg bezog. Beim Sparen jedenfalls war er unschlagbar, wie es sich in seinem »Tugendkatalog« für Ikea-Mitarbeiter ausdrückte, denen er Bescheidenheit und Sparsamkeit ­vorschrieb. Ein Börsengang des Ikea-Konzerns kam für ihn nicht in Frage, schließlich wollte er mit seinem Kapital nicht raffen, sondern schaffen. Brillant waren auch seine Bemühungen um die Resozialisierung antisozialistischer Delinquenten, die er in den siebziger und achtziger Jahren in DDR-Knästen mittels möblierender Arbeitstherapie auf den Pfad der Tugend zurückführte.

Angesichts dieser geballten Ladung Menschenfreundlichkeit versteht es sich fast von selbst, dass Protagonisten der deutschen ­Kulturnation dem Ikea-Gründer ein unvergessliches Denkmal setzten: Unter dem Titel »Das Wunder von Schweden« inszenierte das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg vor einigen Jahren eine »musikalische Möbelsaga« über Kamprads Leben. Mit dabei die singende Sitzgruppe »Bornholm« und der steppende Hängeschrank »Dunsen«. RIP, alter Schwede!