Ein Besuch einer Kaffeekooperative in Kolumbien

Kaffeekränzchen mit Potential

In zahlreichen Regionen Kolumbiens wird Kaffee angebaut. In Santa Marta hat sich vor 16 Jahren eine Bio-Genossenschaft gegründet, die nicht nur ihre eigene Kaffeemarke kreiert hat, sondern auch Tourismus auf den Spuren der Kaffeebohne anbieten will.
Reportage Von

Die Kaffeesäcke stapeln sich in der Lagerhalle von Martín Darwin Quintero. Über dem Tresen, auf dem der Taschenrechner steht, hängt die Tafel mit den Ankaufpreisen. Neben dem Begriff Factor 94 steht der Preis von 6 000 kolumbianischen Pesos (1,74 Euro), die die Bauern aus der Umgebung des Dorfes ­Palmor pro Kilogramm Rohkaffee erhalten. Bei Factor 85 erhalten die ­Bauern 6 635 Peso und am Ende kommt noch der Bio-Aufschlag hinzu. »Der liegt bei 200 Pesos Colombianos«, erklärt Quintero. Er ist seit vier Jahren für den Ankauf in der Lagerhalle der Genossenschaft Red Ecolsierra ver­antwortlich. Ihr gehören 425 Kaffeebauern und -bäuerinnen an, die auf den ökologischen Kaffeeanbau setzen.

Derzeit ist besonders viel zu tun, denn die Kaffeeernte läuft bis Ende März und schon am frühen Morgen treiben die Bauern aus den Weilern rund um Palmor ihre Maultiere über die holprigen Pisten zur Lagerhalle, um ihre ­getrockneten, beige-grünen Bohnen zu verkaufen. Unter ihnen ist heute Morgen auch Lidia Marina Medina. An der Bodega, der Lagerhalle, ist sie mit Jesús Guerrero verabredet. Der 22jährige Agronom arbeitet für Red Ecolsierra. Die Genossenschaft berät die Bauern und organisiert den Verkauf der Bohnen. Für Guerrero steht heute ein Besuch auf der Kaffeefinca von Medina an, um die Kaffeequalität und -quantität der ­laufenden Ernte zu begutachten und einen Blick auf den Kompost und die Kaffeepflanzen zu werfen, die im Schatten großer Bäume gedeihen. »Die ­Ernte ist gut angelaufen. Ich schätze ich werde bei der gleichen Menge Kaffee landen wie im letzten Jahr«, sagt Medina und krault eines der beiden Maultiere, die die Kaffeesäcke zur Ankaufsstation geschleppt haben.

 

Am Ende der Buckelpiste

Rund um Palmor wird fast alles mit den robusten Tieren transportiert. Schon die Buckelpiste, die von der Straße von Santa Marta in Richtung der Metro­­pole Barranquilla abgeht und in das Dorf führt, ist nur mit schweren Lastwagen und Allradfahrzeugen zu bewältigen. Noch abenteuerlicher sind die Pisten, die zu den Kaffeefincas der Region führen, in der vor allem Kleinbauern die Kaffeebohnen ernten. Wie Medina sind viele von ihnen zugewandert. »Ich stamme aus Boyacá, lebe aber schon rund 30 Jahre hier«, erklärt die Frau von Anfang 60. Sie steigt in den Jeep, mit dem Guerrero gekommen ist, und dirigiert ihn zum Ortsausgang. Medina kam wegen ihres Mannes in die Kaffeeregion von Santa Marta. Nahezu allein musste sie die Finca mit ihren vier Hektar Anbaufläche aufbauen und sich um ihre fünf Kinder kümmern, da ihr Mann früh verstarb. Mittlerweile lebt sie am Ortsausgang von Palmor, wo derzeit überall Kaffeebohnen getrocknet werden: auf Planen auf der Straße, auf den Flachdächern, auf betonierten ­Flächen oder in groben Tüchern auf den sogenannten Trockenbetten.

Kaffeebäuerin Medina hat den Platz vor ihrem Haus betoniert, dort liegen die beigefarbenen, vom Fruchtfleisch befreiten Bohnen in der Sonne. Jesús Guerrero nimmt gleich ein paar Bohnen in die Hand, prüft die Feuchtigkeit, greift noch einmal mit beiden Händen zu und steckt die Nase zwischen die Bohnen. »Der erste Eindruck ist gut«, sagt er lächelnd. Mit 19 Jahren ging er als Sohn eines Kaffeebauern auf Wunsch der Genossenschaftsleitung zur staat­lichen Berufsschule SENA und ließ sich dort zum Agrartechniker ausbilden. Seit einem halben Jahr ist er nun regelmäßig in den Kaffeedörfern der Region unterwegs, fördert den organischen Kaffeeanbau, berät und organisiert. Heute in Palmor, wo er neben Medina noch weitere Biobauern besuchen wird, morgen in Aracataca, übermorgen in Fundación, zwei weiteren der vier Gemeinden, die in direkter Nachbarschaft der Hafenstadt Santa Marta liegen.

 

Jesús Guerrero

Macht Lust auf eine Tasse Kaffee. Jesús Guerrero prüft die Qualität der Bohnen auf Lidia Marina Medinas Finca

Bild:
Knut Henkel

 

In Santa Marta hat Red Ecolsierra ihre Zentrale. In einer modernen Lagerhalle feilen Agrartechniker an organischen Anbaukonzepten, um die Qualität der Bohnen kontinuierlich zu verbessern; im Kaffeelabor analysiert Barrista und Kaffeeexperte Carlos Arturo Arévalo Proben der neuen Ernte von einzelnen Bauern, um sie Gourmet-Röstereien anzubieten. »Das gehört zu unserem Konzept, wir wollen besser werden und deshalb schicken wir Proben der besten Produkte unserer Bauern in die Welt, damit sie die Chance haben, ein oder zwei Säcke als besonders gute ­Microlotes zu verkaufen. Bei vier unserer Kaffeeproduzenten hat das schon geklappt«, erklärt Arévalo nicht ohne Stolz.