Die Annäherung von Süd- und Nordkorea

Koreanische Symbolpolitik

Das Treffen zwischen dem Präsidenten Südkoreas und Nordkoreas Diktator weckt bei vielen Beobachtern Hoffnungen auf ein Ende des Konflikts. Mit der Annäherung könnte es aber auch schnell wieder vorbei sein.
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Nach dem Säbelrasseln des vergangenen Jahres gab es vielerorts überraschte und hoffnungsvolle Reaktionen auf das Zusammen­treffen von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in. Es fand am Freitag vergangener Woche in ­Panmunjom statt, dem symbolträchtigen Grenzort in der demilitarisierten Zone zwischen beiden Ländern. Bisweilen wird bereits von einem Ende des Konflikts und einem tatsächlichen Neuanfang gesprochen.

Jedoch gab es solche politischen Stimmungsschwankungen auf der koreanischen Halbinsel insbesondere in den vergangenen 20 Jahren häufiger. Treffen wie jenes gelten unter zwei Bedingungen als »historisch«: Erstens, wenn sie mit genug einschränkenden ­Attributen versehen werden und zweitens, wenn das historische Gedächtnis nachlässt. Beides trifft auf diese Annäherung zu. Ein­malig war zunächst lediglich die Tatsache, dass so prominente Nordkoreaner den Süden besucht haben. Im Norden waren Präsidenten des Südens bereits zweimal zu Gast. Südkoreas Präsident Kim Dae-jung stattete Kim Jong-il, Kim Jong-uns Vater, im Jahr 2000 einen Besuch ab. Im Nachhinein wurde bekannt, dass sich das nordkoreanische Regime das Treffen mit horrenden Summen vom Süden hatte bezahlen lassen. Doch auch Kim Dae-jungs Nachfolger Roh Moo-hyun führte den Annäherungskurs der »Sonnenscheinpolitik« mit einem Treffen in Pjöngjang 2007 fort. Trotz der symbolträchtigen Gesten folgten diesen interkoreanischen Gipfeltreffen immer wieder Spannungen.

Was ist dieses Mal anders? Nordkoreas Beteiligung an den Olympischen Winterspielen in Südkorea Anfang des Jahres war ein propagandistischer Erfolg. Vor wenigen Wochen traf sich Kim zudem mit Chinas Führung in Peking. Über Jahre hinweg war das Verhältnis zuvor abgekühlt. Nordkoreas Außenbeziehungen haben sich nun in vielerlei Hinsicht günstig für das Land entwickelt. Noch wichtiger ist, dass Nordkorea – nicht zuletzt aufgrund der Kompromissbereitschaft Moons – nuklear besser bewaffnet ist als je zuvor. Aus dieser Position heraus lässt sich leichter verhandeln. Sollten die USA zu Gesprächen bereit sein, will Nordkorea nuklear abrüsten. Ob ­technische Schwierigkeiten für dieses Angebot eine Rolle spielen, ist unklar.

Das für Mai oder Juni geplante Treffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump wäre tatsächlich »historisch«. Die Details des Treffens sind noch nicht geklärt, aber bereits ab dem 1. Mai wollen Süd- und Nordkorea feindselige Handlungen wie das Verbreiten von Propaganda durch Lautsprecher an der Grenze oder Flugblätter einstellen. Ein Gegenbesuch Moons in Pjöngjang ist noch dieses Jahr geplant, und sogar von einem Friedensvertrag ist die Rede. Die Bemühungen wirkten sich auch auf die Region aus: Taiwans Staatspräsidentin Tsai Ing-wen zeigte noch am Freitag vergangener Woche Bereitschaft, den chinesischen Staatspräsident Xi Jinping im Interesse des Friedens und der Stabilität zu treffen.

Eine vollkommen geschichtsvergessene Euphorie wird dem verfahrenen Korea-Konflikt nicht gerecht. Die oben genannten Pläne sowie das pompöse Protokoll und das kitschige Rahmenprogramm des Treffens zwischen Kim und Moon sind in erster Linie von symbolischer Bedeutung. Bemerkenswert an dieser Annäherung ist vor allem, dass sie mit wenig unmittelbaren ökonomischen Kosten verbunden ist und schnell wieder beendet werden kann, sobald sich der Wind dreht. Ob dies auch nach dem jetzt schon dritten Anlauf der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.