Kritische Astrologie - Der Megastress und seine Macht über unser Leben

Satire darf alles, außer gemütlich

Kolumne Von

Journalisten haben es nicht leicht. Als »Lügenpresse« vom Mob geschmäht, von Verlegern in fragwüdige Teilzeitkonstruktionen hineingewemst, unterbezahlt, überhopft, von Deadline zu Deadline wuselnd – und dann auch noch schamlos vom Internet angeschwindelt. Nicht umsonst sind die meisten Journalisten Sternzeichen Krebs, Skorpion oder sonst ein Gliederfüßer: harte Schale, weicher Kern, schnell mit der Zeitung rausgekehrt.

So ging es, neben Reuters und der sowieso gut geölten Bild- und Focus-Maschinerie, auch der ARD-Journalistin Anja Reschke, Leiterin Innen­politik beim NDR-Fernsehen. Sie fand es gar nicht lustig, dass Titanic-­Redakteur Moritz Hürtgen sich für kurze Zeit als Twitterer des Hessischen Rundfunks ausgegeben hatte. Er twitterte mit seinem Account @­hrtgn im Namen des fiktiven HR-Tagesgeschehens, dass Seehofer das Bündnis mit der CDU aufkündigen wolle. Etliche Medien und Agenturen fielen auf die Meldung herein – ein Fake, der mit zwei Drehern am Mausrad aufzuklären gewesen wäre. Stattdessen twitterte Reschke sich in Rage: »Mir ist wirklich schleierhaft, was daran witzig sein soll«, hieß es um 13.14 Uhr, »weiß nicht, was an ständiger Verwirrungsstiftung satirisch ist« um 13.28 Uhr, und schließlich, zehn Minuten später, final kaustisch: »Sich als gemütlicher ich veröffentliche einmal im Monat Redakteur über einen Agenturonliner, der gerade mega Stress hat, lustig zu machen, ist ja wirklich ne ganz starke Leistung.«

Ja, recht bitter ist das: Da hat man eine Aufgabe, für die man ausgebildet ist und Geld kriegt, muss die teilweise auch noch unter Zeitdruck absolvieren und wird dann als Schlamperer vorgeführt – Mega-Stress pur! Fluglotsen und Notfallchirurgen ­haben es da im Reschke’schen Universum wahrscheinlich auch sehr gemütlich, weil sie ja keine Konkurrenz haben, die eventuell schneller operieren beziehungsweise lotsen könnte. Dem verwirrten Agentur-Onliner zuliebe sollten alle anfangen, im Netz immer nur die Wahrheit zu sagen; außerdem sollten Spaß und Streiche verboten werden und der Agentur-Onliner in unser tägliches Nachtgebet einbezogen werden – für einen stressfreien Journalismus!