Ein Spielfilm erzählt die letzten Jahre der deutschen Schauspielerin und Sängerin Nico

Das Geräusch der Niederlage

Die Sängerin Nico ist eine Popikone, erst verehrt für ihre Schönheit, später für ihre radikale Morbidität. Der Spielfilm »Nico, 1988« erzählt die letzten Jahre der Künstlerin

Es gibt wohl keine andere Sängerin, die in alternativen Milieus einen solch exzessiven Fankult ausgelöst hat wie Christa Päffgen. Ihr Grab, gelegen auf dem ehemaligen Selbstmörderfriedhof im Berliner Grunewald, ist geradezu eine Pilgerstätte. Auf der Erde vor dem Grabstein lassen sich Rotweinflaschen, Kuscheltiere und in einer kleinen Box auch Briefe an die Tote finden, die sich dann beispielsweise so lesen: »Ich habe immer eine starke Verbindung zu dir gespürt. Ich glaube, ich bin deine Reinkarnation.«

Wer bis hier gelesen hat und immer noch nicht weiß, von wem die Rede ist, der muss die vergangenen 50 Jahre unter einem Stein gelebt haben. Der Künstlername, der ihr von einem Fotografen verliehen wurde und unter dem Christa Päffgen weltbekannt ist, lautet Nico. Nico, ­deren Name im Titel des Debütalbums von The Velvet Underground auftaucht, dessen Cover die berühmte Banane von Andy Warhol ziert. Nico, die das Genre Gothic erfand, die mit Alain Delon ein Kind hatte, die zeit ihres Lebens heroinabhängig war, die Punks, New Waver und Indie-Rock-Fans im höchsten Maße beeindruckte und beeinflusste, Nico, die 1988 einen Tod starb, der umglamou­röser nicht hätte sein können: Auf Ibiza stürzte sie mit ihrem Fahrrad und starb an den Folgen des Aufpralls. Sie wurde 49 Jahre alt.

Die dänische Schauspielerin Trine Dyrholm, die Nico spielt, sieht ihr zwar nicht besonders ähnlich, gleicht diese optische Abweichung allerdings schauspielerisch grandios aus. Alle Songs im Film hat Dyrholm eingesungen, den für Nico typischen deutschen Akzent behielt sie bei.

30 Jahre ist dieser Fahrradunfall nun her, vermarktungstechnisch also die perfekte Zeit für ein Biopic über die Musikerin. Allerdings eines, das die letzten Jahre im Leben von Nico abbildet, insofern ist der Titel des Films »Nico, 1988« etwas irre­führend. Tatsächlich zeigt der Film die Jahre 1986 bis 1988, und von diesen vor allem die Zeit, in der sie mit ihrer Band durch ganz Europa tourte.

Wer schon einmal nach Nico bei Youtube gesucht hat, der wird beim Sehen des Films nicht sonderlich oft überrascht werden: »Nico, 1988« besteht zu einem großen Teil aus Re­enactments von Interviews mit ­Christa Päffgen; authentischer geht’s nicht. Die dänische Schauspielerin Trine Dyrholm, die Nico spielt, sieht ihr zwar nicht besonders ähnlich, gleicht diese optische Abweichung allerdings schauspielerisch grandios aus. Alle Songs im Film hat Dyrholm eingesungen, den für Nico typischen deutschen Akzent behielt sie bei. Auch die anderen Erkennungsmerkmale sitzen – die zerzausten Haare, die angespannte Körperhaltung, die vom Kajal geschwärzten Lider, die aufgerissenen Augen, der nicht mehr blonde, sondern fast schwarze Pony.

Nico war in den Sechzigern ein Pro­tegé von Männern. Bob Dylan stellte sie Andy Warhol vor und sagte, er solle mit ihr Filme machen, aber Warhol steckte sie in The Velvet Underground, später dann, wie sie es auch im Film erzählt, ermutigte Jim Mor­rison sie dazu, eigene Songs zu schreiben. John Cale, ehemaliger Multi­instrumentalist von The Velvet Underground, produzierte mehrere ihrer Soloalben. Es ist eine verfahrene Geschichte zwischen Abhängigkeit von Männern und der Emanzipation durch sie, die Nico erlebte. »Ich bereue nichts. Außer, dass ich als Frau und nicht als Mann geboren wurde.« In dieser Aussage, die sie in späten Jahren in einem Interview tätigte, zeigt sich diese Ambivalenz. Auf ihre Zusammenarbeit mit The Velvet ­Underground will sie nicht mehr angesprochen werden. Stattdessen, so betont die Nico im Film immer wieder, mache sie jetzt ihre »eigene Musik«. »Call me by my real name, Christa!« herrscht sie ihren Manager in einer anderen Szene an, ein Ruf nach Selbstbehauptung. Es ist ein Kampf gegen ihr Image (das, wie die Film-Nico sagt, der einzige Grund für ihre Beteiligung an der Band war), den sie in den letzten 20 Jahren ihres Lebens führte.

Drei Jahren dieses Kampfes kann man im Film beiwohnen. Doch das klassische Regelwerk des Biopic-Filmgenres wird geschickt unterlaufen: So sehr sich der Film um die Person Nico dreht, so geht es doch auch um ihre Bandkollegen, um die mühevolle Zeit im Tourbus, um das Suchen nach einer Unterkunft, die anstrengenden Konzerte, die zähen Verhand­lungen mit Veranstaltern. Es ist ein Roadmovie, dem die Berühmtheit seiner Protagonistin ab einem bestimmten Moment egal zu sein scheint.