Essay - Isaac le Maire war der Erfinder der ungedeckten Leerverkäufe

Glanz und Elend des ersten Aktionärs

Isaac le Maire hat zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Leerverkäufe erfunden und ging am Ende selbst leer aus.

Bevor George Soros als Finanzier ­zivilgesellschaftlicher und politischer Initiativen gehasst wurde, wurde er als Börsenspekulant gehasst. Im September 1992 war er beispielsweise maßgeblich an dem beteiligt, was Schwarzer Freitag genannt wird (dessen Geschichte vor allem aufgrund diverser Fehler der Politik äußerst interessant ist, aber darum geht es an dieser Stelle nicht).

Soros war auch als Short Seller bekannt geworden – dabei geht es darum, mit Aktien zu handeln, die man sich von einem Broker ausleiht, weil man davon ausgeht, dass ihr Kurs sinkt, denn dann kann man diese Anteile zum vereinbarten Termin weit billiger einkaufen und zum Ausgangspreis zurückgeben. Und macht, wenn alles klappt, Gewinn (abzüglich der Provision, natürlich).

Short Sales sind keine neue Erfindung. Der erste dokumentierte Versuch, von sinkenden Kursen zu profitieren, fand in den Jahren 1609 und 1610 in Amsterdam statt.

Das gilt insgesamt als moralisch anrüchig. Dabei sind Leerverkäufe weiter verbreitet und vor allem im Alltag akzeptierter als allgemein angenommen – wie auch James Chanos, zeitweilig einer der erfolgreichsten Short Seller der Welt, findet: »Wenn eine Fluggesellschaft Ihnen heute ein Ticket für einen Flug im September verkauft, macht sie einen Leerverkauf für einen Sitz. Sie bezahlen für eine Leistung in der Zukunft. Die Fluggesellschaft nimmt Geld und leistet später.«

Nun sind Short Sales aber keine neue Erfindung. Der erste dokumentierte Versuch, von sinkenden Kursen zu profitieren, fand in den Jahren 1609 und 1610 in Amsterdam statt.

Die Geschichte dieser ersten Leerverkäufe und ihres Erfinders Isaac le Maire ist untrennbar mit der »Verenigde Oost-Indische Compagnie« (VOC) verbunden, und diese wiederum mit dem Achtzigjährigen Krieg, der von 1568 bis 1648 zwischen dem katholischen Spanien und den protestantisch-calvinistischen späteren Niederlanden tobte. Dazu kommen ein Königsmord und viele Rache­akte, Bespitzelungen, Machtmissbrauch, die Entdeckung der Route um Kap Hoorn und zahlreiche Intrigen. Und am Ende steht ein fehlerhaft beschrifteter Grabstein.

Viel ist über die ersten Lebensjahre des Isaac le Maire, der später einer reichsten Einwohner der Niederlande werden sollte, nicht bekannt. Er wurde vermutlich 1558 oder 1559 im heute belgischen Doornik (französisch: Tournai) geboren. Sein Vater Jacques Arnoutsz le Maire war ein Kaufmann, der mit der damals zu Schweden gehörenden estnischen Stadt Narva Handel trieb. Bis 1513 war Doornik französisch gewesen, wurde dann aber vom englischen König Heinrich VIII. erobert, acht Jahre später ging es an die Habsburger über.

Als Isaac acht oder neun Jahre alt war, begann der Tachtigjarige Oorlog, der mit einer zwölfjährigen Unterbrechung 80 Jahre dauernde ­Unabhängigkeitskrieg der »Republik der Sieben Vereinigten Provinzen« der calvinistischen Niederlande gegen das katholische Spanien der Habsburger. Wie der Dreißigjährige wird auch dieser Krieg 1648 mit dem Westfälischen Frieden enden.

Fest steht, dass Isaac mindestens drei Brüder hatte, die ebenfalls Kaufmänner mit weitverzweigten Kontakten waren. Pierre le Maire lebte als Vertreter von Isaac um 1600 in Hamburg, David le Maire in Livorno, wo er 1617 starb, woraufhin der Bruder Salomon le Maire dessen Geschäfte übernahm.

1581 wurde Doornik nach langer Belagerung durch die Spanier von Alexander Farnese erobert. Er ließ die protestantische Bevölkerung überraschenderweise nicht ermorden, sondern gab ihr ein Jahr Zeit, die Stadt zu verlassen – was ein kluger Schachzug war, denn dadurch waren die Holländer bei späteren Belagerungen nicht mehr ganz so ­geneigt, bis zum bitteren Ende zu kämpfen.

Die le Maires – die Hugenotten waren – emigrierten praktisch sofort nach Antwerpen. Antwerpen war Mitte des 16. Jahrhunderts die größte niederländische Stadt und das Handels-, Kultur- und Finanzzentrum West- und Nordeuropas.

Im selben Jahr heiratete der Seiden- und Juwelenhändler Jacques van de Walle dort Isaacs Schwester, die verwitwete Susanna le Maire.

Van de Walle hatte ein Vermögen durch den Handel mit Russland gemacht. Isaac war damals 22 Jahre alt und Gewürzhändler von Beruf, von seinem Schwager lernte er in dieser Zeit alles, was es über Auslandsgeschäfte zu wissen gab.

Mit Erfolg: Drei Jahre später war er bereits als wohlhabender Händler registriert, außerdem war er Kapitän der Bürgerwehr der Stadt, die damals von den Spaniern belagert wurde.

1585 heiratete er die Antwerpe­nerin Maria Jacobsdr Walraven. Das »dr« steht für dochter, also Tochter, wie das »z« für zon, Sohn, beide Patronyme waren damals verbreitet. Mit ihr bezog er ein Haus in der Antwerpener Kaasstraat, das »Schilt van Bourgognien« hieß.

Das Paar wird insgesamt 22 Kinder bekommen, von denen acht vermutlich kurz nach der Geburt sterben. Insgesamt werden zum Zeitpunkt des Todes von le Maire am 20. September 1624 neun Nachkommen in seinem Testament stehen.

Viel Zeit blieb den le Maires nicht, sich im neuen Haus einzuleben. Am 17. August 1585 ergab sich Antwerpen nach rund einjähriger Bela­gerung. Im Gegensatz zur sogenannten Spaanse Furie (Spanische Furie) Anfang November 1576, als für Spanien kämpfende Söldner plündernd und mordend durch die eingenommene Stadt gezogen waren und zwischen 8 000 und 10 000 Bewohner töteten sowie ein Drittel der Häuser niederbrannten, erging es den Einwohnern diesmal vergleichsweise gut. Den nichtkatholischen Antwerpenern wurde eine Vierjahresfrist eingeräumt, in der sie ihre Geschäfte regeln und die Stadt verlassen sollten. Wie die le Maires emigrierten die meisten sofort.

Damit begann der Exodus einer Generation aus den katholischen Teilen der Niederlande, die nur wenig später in Amsterdam die Vormachtstellung der Niederlande als Handelsnation mitbegründen ­sollte.

Die Bevölkerung von Amsterdam verdoppelte sich zwischen 1580 und 1600. Fast ein Drittel der neu Hinzugezogenen stammte aus den südlichen Niederlanden, den unter spanischer Herrschaft stehenden Gebieten, die heutzutage größtenteils in Luxemburg und Belgien liegen. Die meisten der später erfolgreichsten Kaufleute waren in dieser Zeit als junge Männer aus eben diesen »südlichen Niederlanden« in die Metropole gezogen.

Neuankömmlinge wurden dort allerdings nicht mit offenen Armen empfangen, vermutlich ist der 40 Jahre andauernde Kampf le Maires gegen das Amsterdamer Handelsestablishment auch darauf zurückzuführen, dass man ihm nie wirklich das Gefühl gab, dazuzugehören.

 

In seinem Buch »Handel tussen Russland en de Nederlanden, 1560 – 1640« widerspricht der Autor Eric H. Wijnroks der von einigen ­Historikern favorisierten These, dass die künftigen Unternehmer allesamt bereits als wohlhabende junge Männer nach Amsterdam gekommen seien. Denn die Väter zumindest der bekanntesten späteren Multimillionäre waren entweder schon gestorben oder hatten sich aus dem aktiven Geschäft verabschiedet. Und das Familienvermögen musste entsprechend den damaligen Gepflogenheiten mit den oft sehr zahlreichen Brüdern und Schwestern geteilt werden.

Entsprechend seien Dirck van Os, Marcus de Vogelaer und eben Isaac le Maire keineswegs als wohlhabende Anfangzwanziger nach Amsterdam gekommen.

Der Erfolg der Antwerpener lag vielmehr an ihrer persönlichen und internationalen Vernetzung. Die jungen Kaufleute verfügten über etablierte Kontakte bis ins ferne Russland und waren gern dazu bereit, füreinander zu bürgen, was ihre Stellung im Geschäftsleben schnell verbesserte – nicht ihr Reichtum, sondern die Fähigkeit, aus dem existierenden Netzwerk Kapital zu generieren, sei einer der wichtigsten Faktoren ihrer kommerziellen Schlagkraft gewesen, schreibt Wijnroks.

Le Maire gehörte zu den Pionieren des Amsterdamer Russland-Handels, wie Gustaaf Asaert in seinem Buch »1585: de val van Antwerpen en de uittocht van Vlamingen ein Bra­banders« (1585: Der Fall von Antwerpen und der Auszug der Flamen und Brabanter) beschreibt. Ab 1592 tauchte sein Name in erhalten gebliebenen Dokumenten immer wieder in Zusammenhang mit Zee­verkeringpolis auf, einer auch im späteren Belgien gebräuchlichen speziellen, eng mit dem internationalen Seerecht verknüpften Versicherung für den Transport von Gütern per Schiff. Isaac verkaufte Korn und Holz aus dem Baltikum nach Spanien und Kaviar, Pelze, Leder aus Archangelsk nach Venedig und Livorno. Er erwarb sich rasch einen guten Ruf, auch unter den Seeleuten. Er galt als großzügig, die Männer durften sich auf seine Kosten beispielsweise neue Kleidung anschaffen und den Schiffskapitänen war es erlaubt, Waren auf eigene Rechnung beizuladen, wenn die Kapazitäten es zuließen. Von späteren Expeditionen wurde berichtet, dass Isaacs Frau Marie persönlich für qualitativ hochwertige und vor allem abwechslungsreiche Nahrungsvorräte auf den Schiffen sorgte.

Die le Maires wohnten in der Kalverstraat, benannt nach dem damals in der Nähe stattfindenden Kälbermarkt. Heute liegt das Haus in der teuersten Shoppingmeile der Niederlande, gegenüber dem Historischen Museum von Amsterdam. Anderthalb Kilometer entfernt befindet sich das Rijksmuseum, in dem das einzige bekannte Porträt le Maires hängt. Der auf die Zeit zwischen 1575 und 1599 datierte Kupferstich des Amsterdamer Künstlers und Verlegers Jacob Gole zeigt einen freundlich dreinschauenden älteren Mann mit Mittelscheitel und schulterlangen Locken.

Le Maire hatte rasch erkannt, dass das ganz große Geld im Ostasien-Handel zu machen war. 1599 gründete er die »Brabantsche Compagnie«. Zwei sehr erfolgreiche Handelsreisen nach »Oost-Indië«, Indonesien, brachten 400 Prozent Gewinn auf das investierte Kapital. Le Maire investierte sein Geld in Grundstücke in Egmond aan den Hoef, ein 35 Kilomter von Amsterdam und zehn Kilometer von Alkmaar entfernt liegendes Fischerdorf.

Weil die Getreidepreise hoch und die zum Anbau geeigneten Ländereien knapp waren, versuchte le Maire, durch einen Deich neue Flächen zu gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt konnte nahe am Meer gelegenes Land höchstens als Weideland genutzt werden, weil es bei Sturm überflutet wurde.

Fasziniert vom Ostindien-Handel, verlor le Maire ­jedoch rasch das Interesse an dem Projekt und baute trotz der erfolg­reichen Ackerlandgewinnung keine weiteren Deiche. Am 19. Februar 1601 hat er außerdem das erreicht, wovon er vermutlich lange geträumt hatte – er wurde Bürger von Ams­terdam.

Das hatte wohl vor allem mit der Tatsache zu tun hatte, dass die Stadt Amsterdam die Fusion der »Brabantsche« mit der »Oude Oost-Indische« zur »Eerste Vereenigde Compagnie op Oost-Indië« verfügt hatte. Nur sie hatte fortan das Recht, Seehandel in den Gebieten östlich des Kaps der Guten Hoffnung und westlich der Magellanstraße zu treiben.

Ein Jahr später gingen alle niederländischen Handelsfirmen in der »Vereenigde Oostindische Compagnie« (VOC) auf. Le Maire investierte prompt 97 000 Gulden (der Name der Währung entstand als Abkürzung für den erstmals 1252 geprägten gulden florin, wie die Goldmünze der Republik Florenz im damaligen Niederländisch hieß) und wurde damit zu einem der größten Anteilseigner.

Mit der Gründung der VOC begann der moderne Aktienhandel. Die Idee dazu war allerdings nicht aus kaufmännischen Erwägungen entstanden, sondern um die zahlreichen Gegner der Gründung zu beruhigen. Die »Verenigde Oost-Indische Compagnie« war nämlich eine Zwangsmaßnahme. Um die Kräfte zu bündeln, hatte die Republik­führung beschlossen, dass alle Handelsgesellschaften in der VOC ver­einigt werden sollten. Die Begeisterung der bis dato unabhängig und auf eigene Rechnung agierenden Kaufleute hielt sich in engen Grenzen, vor allem außerhalb Amster­dams befürchtete man, dass die Hauptstadt in der neuen Firma das Sagen haben werde. Und so wurde schließlich ein Kompromiss angeboten. Es sollte der Beginn des Aktienhandels werden: Wenn ein nationales Unternehmen die Konzession für den Indien-Handel bekäme, würde jeder Einwohner der Republik das Recht haben, Anteile an diesem Unternehmen zu erwerben.

Das war eine wirkliche Innovation. An den ersten Handelsgesellschaften hatten sich Investoren zwar auch beteiligen können, die Anteile wurden jedoch lediglich für die einzelnen Expeditionen und Reisen ausge­geben und das Geld wurde einem Kaufmann mit meist sehr gutem Ruf übergeben. Nun aber sollte ein ­neues, unpersönliches Unternehmen an Stelle eines honorigen Händlers mit dem Geld von Investoren Geschäfte machen, die ihrerseits weder bei den Einzelheiten dieser Geschäfte noch bei der personellen Zusammensetzung der Firma Mitspracherecht hatten. Die erste Konzession der VOC lief zudem über einen Zeitraum von 21 Jahren, erst nach zehn würde dann erstmals die Möglichkeit bestehen, das Geld zurückzuerhalten. Zwischenzahlungen waren nur in Abhängigkeit vom Erfolg des Unternehmens möglich.

Einen Repräsentanten der Aktionäre in der Führungsspitze gab es nicht, außerdem erhielt die VOC das Recht, Krieg zu führen und Verträge im Namen des Ersten Staatssekretärs abzuschließen. Der Staat war ohnehin de facto Chef des Unternehmens. In Artikel sechs der Charta wird dem Ersten Staatssekretär das Recht gegeben, die Beschlüsse der Firmenleitung zu revidieren und Informationen zu erhalten, die den Anteilseignern verweigert wurden, wie etwa Details über die gehandelten Güter und die Einnahmen.

Gleichwohl reagierten nicht nur die Begüterten unter den Nieder­ländern begeistert. Während der Zeichnungsphase kamen 6,5 Millionen Gulden zusammen, nach heu­tigem Wert rund 100 Millionen Euro, den mit 50 Gulden niedrigsten Betrag hatte die Magd Dignum Jans investiert.
In seinem 1930 im »Economisch-Historisch Jaarboek« erschienenen Beitrag über »Isaac le Maire en de handel in actien der Oost-Indische Compagnie« beschreibt J. van Dillen die VOC als »Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung im Aufbautraining«, die durch Versuch und ­Irrtum lernte und teilweise vorwegnahm, was inzwischen zu den Selbstverständlichkeiten im Handel gehört.

 

Als zweitgrößter Anteilseigner avancierte le Maire zum Mitglied des VOC-Vorstands und wurde einer der Direktoren der Amsterdamer Niederlassung –und damit einer der 17 Direktoren, die die Geschicke des Unternehmens maßgeblich steuerten. Sie legten fest, welche Waren importiert und exportiert werden mussten, bestimmten die Größe der Handelsflotte und entschieden, wie hoch die auszuzahlenden Dividenden an die Anteilseigner sein würden. Der Posten in der VOC wurde nicht nur sehr gut bezahlt, sondern bot ­neben hohem gesellschaftlichen Ansehen auch die Möglichkeit zu einträglichen Nebengeschäften.

Aber dann endete im Jahr 1604 le Maires Höhenflug ganz plötzlich. Was genau passiert war, lässt sich aus den erhalten gebliebenen Dokumenten nicht mehr genau nachvollziehen. Historiker gehen davon aus, dass der Kaufmann seine VOC-Kompagnons betrogen hat. Einen wirk­lichen Beleg dafür gibt es allerdings nicht. Und deswegen kann es genauso gut sein, dass le Maire unschuldiges Opfer einer Intrige geworden ist – sein Aufstieg war schließlich rasant und hatte sicherlich auch Neider auf den Plan gerufen.

Das, was le Maire bis ans Ende seines Lebens beschäftigen sollte, begann am 17. Juni 1602 mit einer Expedition. Jeder der 17 Direktoren der VOC, so die Historikerin Mirjam Janssen, hatte damals die Aufgabe, die Ausrüstung eines Schiffs zu finanzieren. Gleichzeitig konnte er für diese Investition eine große Provision verlangen. Le Maire, so der Vorwurf, hatte zwar Kosten für Takelage geltend gemacht, allerdings keine Beweise wie Rechnungen dafür, dass die Ausgaben auch tatsächlich angefallen waren.

Bei dieser Handelsreise gibt es ­einige Ungereimtheiten: Die Entscheiung für die Expedition fiel beim ersten Treffen der Vorstände im April 1602, aber die Frist für die Einzahlungen der Finanziers hatte bereits wesentlich früher, nämlich am 20. Mai 1601, begonnen. 1,7 Millionen Gulden kamen schließlich ­zusammen, notiert wurden jedoch nur die Namen der sich beteiligenden Herren und nicht die weiterer Investoren. Am 17. Juni segelten acht Schiffe, jedes mit vier Kanonen ausgestattet, aus dem Hafen von Texel, drei weitere folgten erst einen Tag später.

Die Expedition startete mit Schwierigkeiten. Kapitän Wybrand van Warwijck hatte von Anfang an mit widrigen Winden zu kämpfen, zudem stellte sich später heraus, dass er keine Erfahrung mit dem Segeln während der Monsunzeit hatte. Auf Java gründete er zunächst erste holländische Niederlassungen und wollte 1604 mit zwei Schiffen nach China weiterreisen, um Handelsbeziehungen aufzubauen. Die chinesischen Behörden verweigerten jedoch trotz angeblich »riesiger« Bestechungszahlungen ihre Zustimmung und schickten 50 Dschunken, um die seefahrenden Händler aus dem Hafen zu vertreiben. Lediglich in Thailand war man sehr erfolgreich und konnte nicht nur Seide kaufen, sondern auch die dortige Königin dazu bringen, die Holländer gegen die Portugiesen zu unterstützen.

Über den finanziellen Erfolg der Reise ist wenig bekannt, er muss sich aber in Grenzen gehalten haben. Vor der Rückkehr der Schiffe nach rund zwei Jahren waren ihre Aktien zwar rege gehandelt worden, weil ­allgemein große Gewinne erwartet wurden, aber die VOC kam ihren Verpflichtungen nur zögerlich nach. Im Juni 1609 waren nur 25 Prozent der investierten Summe zurückgezahlt worden, einen Monat später entschied die Kompanie, künftige Dividenden in Geld oder Pfeffer auszuzahlen – insgesamt sollen lediglich 65 Prozent zurückerstattet worden sein.

Der Streit zwischen le Maire und der VOC über den angeblichen Ausrüstungsbetrug wurde derart intensiv und vor allem öffentlich geführt, dass sich schließlich sogar die oberste religiöse Institution der Stadt, der Kirchenrat, einschaltete und zu vermitteln versuchte. Am 23. Dezember 1604 kam er zu folgendem Ergebnis: In der ganzen Stadt würden sehr unerfreuliche Gerüchte über Isaac le Maire verbreitet, über deren Wahrheitsgehalt allerdings nichts weiter bekannt sei. Daher werde man mit ihm das Gespräch suchen. Bis zur Klärung des Falls sollte er, einem vom Historkier Lodewijk Petram gefundenen Dokument zufolge, allerdings vom Abendmahl ausgeschlossen werden, was den sehr gläubigen Issac wohl tief getroffen haben dürfte.

Ein Pastor namens Plancius und sein Amtsvorgänger Philips Cornelisz wurden mit der Untersuchung beauftragt, die allerdings ergebnislos endete. Die beiden Würdenträger hatten zwar herausgefunden, dass zwischen den von seinen ehemaligen VOC-Kollegen vorgebrachten Beschuldigungen und den Schilderungen le Maires eine sehr große Diskrepanz bestand, und sie scheinen auch le Maires Standpunkt durchaus zugeneigt gewesen zu sein. Über etwaige weitere Untersuchungen existieren allerdings keine Aufzeichnungen mehr. Anderthalb Jahre später versetzte le Maire die Kirche in Aufregung: Er hatte eine seiner Töchter einem jungen Mann aus dem mittlerweile katholischen Antwerpen versprochen, sie würde künftig auch dort wohnen. Von gleich zwei Pastoren wurde der Kaufmann Kirchenbüchern zufolge deswegen streng ermahnt.

Die Takelagenaffäre zog sich unterdessen weiter hin. Der Historiker Petram geht davon aus, dass der Kaufmann Kontofälschung betrieben hatte. Einen wirklichen Beleg dafür gibt es allerdings nicht – außerdem war das fragliche Schiff ganz sicher mit neuer Ausrüstung losgesegelt, denn die Expedition war ein großes Ereignis, bei deren Auslaufen viele Menschen zuguckten, denen Second-hand-Segel sicher aufgefallen wären. Die Frage war eigentlich nur, wer die Takelage bezahlt hatte. Ein Verhör durch die Amsterdamer ­Regierung brachte kein Ergebnis, weil die anderen Direktoren die ­Kooperation verweigerten. Warum sie das taten, ist nicht bekannt. Zu ­einer geregelten Buchführung und zur Archivierung der Reiseberichte wurden sie allerdings erst ab dem Jahr 1617 verpflichtet – insofern hätten sie auch gar keine Belege für ihre Anschuldigungen präsentieren können.

Gleichwohl wurde le Maire am 22. Februar 1605 von der VOC gezwungen, als Direktor zurückzutreten. Er musste sich verpflichten, keinen Handel östlich des Kaps der Guten Hoffnung zu treiben. Außerdem war es ihm untersagt, mit seinen Schiffen auf dem Weg nach Westen die Magellanstraße zu benutzen. Privatpersonen und Unternehmen durfte er zudem keinerlei Ratschläge für den Handel mit Ostindien geben. Als Sicherheit musste er einige seiner Ländereien an die VOC übergeben. Dass die Verurteilung ohne Beweise erfolgen konnte und ein Teil der ­Sicherheitszahlung in die Taschen der VOC-Führung floss, entsprach dem Rechtsverständnis jener Zeit. Gleichwohl dürften diese Sanktionen der Grund für le Maires lebenslange Opposition gegen die mäch­tige Ostindien-Kompanie gewesen sein.
Zunächst konzentrierte sich der Kaufmann allerdings nur auf den Getreidehandel mit europäischen Küstenstädten. 1608 sah er dann die Gelegenheit gekommen, sich erstmals an der VOC zu rächen.

Der französische König Heinrich IV. ­hatte schon seit längerer Zeit mit einer eigenen ostindischen Handels­gesellschaft gelieb­äugelt, es fehlte allerdings das Know-how. Erste Unterredungen mit bekannten holländischen Kaufleuten wie Balthazar de Moucheron und Pieter Lyntgens ­waren ergebnislos verlaufen. Der Jurist Pierre Jeannin, der 1572 versucht hatte, das Massaker in der Bartolomäusnacht zu verhindern, wurde schließlich als Finanzintendant mit dem Projekt betraut, und nahm Kontakt zum in Ungnade gefallenen Isaac le Maire auf.

Damit begann für le Maire eine Zeit, in der er sich wie in einem Agentenkrimi gefühlt haben würde, wenn es damals schon Agentenkrimis gegeben hätte. Es wurde spioniert, Vertrauen gebrochen und mit hinterlistigen Tricks gearbeitet, bestochen, beschattet und intrigiert.

 

Aber zunächst wurden Pläne gemacht. Le Maire traf sich im März 1608 mehrmals unter konspirativen Umständen mit Pierre Jeannin. Im Sommer 1609 versprach der Kaufmann dem damals in Holland weilenden Jeannin, im Dezember nach Paris zu kommen, um die Gründung der Gesellschaft eingehend zu besprechen.

Am 16. Dezember desselben Jahres war er tatsächlich in der französischen Hauptstadt, wie ein Brief von François van Aerssen an den Ams­terdamer Oldenbarnevelt zeigt. Der Diplomat van Aerssen war als Ver­treter des Amsterdamer Politikers Johan van Oldenbarnevelt nach Paris beordert worden, für den er als Spion arbeitete. Er versuchte, dem König einzureden, dass die Gründung eines französischen Handelsunternehmens für das Land desaströs verlaufen werde – die Gewürzpreise in ­Ostindien seien nämlich stark angestiegen in Europa dagegen gesunken. »Wir haben schon mehr Gewürze, als Europa konsumieren kann.« Grundsätzlich lag Aerssen mit dieser Analyse nicht falsch, allerdings war ja der Zweck der Oostindische eben nicht nur der Handel, sondern auch das Kriegführen.

Auf die eigentlich naheliegende Idee, eine Handelsgesellschaft unter Beteiligung von England, Frankreich und den Niederlanden zu gründen, kam niemand, statt dessen setzte man weitere Spitzel auf le Maire an – der allerdings Verdacht schöpfte und noch vorsichtiger wurde.

Ende des Jahres 1608 traf der englische Entdecker Henry Hudson in Amsterdam ein, den le Maire umgehend davon zu überzeugen versuchte, eine Expedition für die französische Krone zu unternehmen. Die VOC erfuhr aber davon und warb Hudson ab, im April 1609 machte der Entdecker sich mit dem Schiff »Halve Maen« für die Kompanie auf die Suche nach einem nördlichen Seeweg vom Atlantik zum Pazifik. Dabei entdeckte er zwar den Hudson River, aber nicht die Nordwestpassage, nach der er ein Jahr später bei einer weiteren Expedition weitersuchte – diese Entdeckungsfahrt endete allerdings damit, dass die Besatzung meuterte und Hudson sowie acht weitere Männer in einem kleinen Boot ausgesetzt wurden und seither als verschollen gelten.
Ganz beiläufig war Isaac le Maire in dieser Zeit zum ersten Shareholder-Vertreter der Welt geworden.

Im Januar 1609 hatte er ein Memorandum über die Zustände in der VOC sowie über den Aktienhandel angefertigt und schickte es an Johan van Oldenbarnevelt. Dieser war erster Staatssekretär der Staaten von Holland und einer der einflussreichsten Politiker jener Zeit.

Kurz danach erfand le Maire die ungedeckten Leerverkäufe. Gemeinsam mit zehn anderen Kaufleuten gründete er ein geheimes Konsortium, die »Groote Compagnie«, deren Ziel der Handel mit VOC-Aktien war. Zusätzlich zu den auf den Markt gelangten Anteilen versuchte man sich an ungedeckten Leerverkäufen.

An sich waren Leerverkäufe, also der Handel mit etwas, das der Verkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht besitzt, nichts Neues. Sowohl in Antwerpen als auch in Amsterdam waren solche Geschäfte seit der Mitte des 16. Jahrhunderts üblich, um den Preis für Getreide für die folgende Erntesaison festzulegen, weswegen auch le Maire das Prinzip seit Jugendzeiten bekannt gewesen sein dürfte.

Le Maires Kalkül war simpel: Sowie die französische Ostindien-Handelsgesellschaft endlich gegründet werden würde, würden die Warenpreise sinken und in Panik geratende VOC-Aktionäre ihre Anteile auf den Markt werfen. Die Groote würde sie dann aufkaufen, zum vor der Krise vereinbarten weit höheren Preis verkaufen und riesige Gewinne einstreichen. Sicherheitshalber, so ist jedenfalls den Anschuldigungen der VOC gegen die Kaufleute zu entnehmen, hatten diese wohl auch ­gezielt Gerüchte gestreut, um die Anteilseigner zu verunsichern.

Dass es anders kam, konnten die ersten Shortseller nicht ahnen. Die VOC sorgte beim Ersten Staatssekretär für ein Verbot des Handels mit Aktien, die nicht im Besitz des Verkäufers waren. Diesem ersten staatlichen Eingriff in den Aktienhandel folgte eine ausgedehnte Diskussion. Die Direktoren der VOC schrieben ­allerdings eine äußerst geschickte Verteidigung des Verbots von Leerverkäufen: Im Prinzip seien unschuldige Investoren Opfer ruchloser Händler geworden. Opfer seien die Witwen und Waisen, die es sich nicht erlauben können würden, zu warten, bis sich die Preise wieder ­erholen, sondern im Fall plötzlicher Liquiditätsprobleme gezwungen ­seien, ihre Anteile zu niedrigsten Preisen zu verkaufen. Mit dieser Argumentation appellierte die VOC an die christliche Moral der Stadtregierung und gewann.

Le Maires Geheimgesellschaft wurde zum ersten Leerverkäufer, der Verlust machte: Der Aktienpreis stieg, die Groote verlor insgesamt 45 000 Gulden, mehrere ihrer Aktionäre machten Konkurs. Und le Maire musste erneut vor Gericht erscheinen.

Zuvor hatte er bei einem Treffen mit Aerssen schon zugeben müssen, wider das Verbot Frankreich in Sachen Ostindien beraten zu haben. Le Maire tat zunächst so, als wisse er nicht, worum es gehe, bis der Diplomat ihm klarmachte, dass er über den Plan bis in alle Einzelheiten informiert sei.

 

Le Maire gab schließlich alles zu und begründete seinen Schritt unter anderem mit der großen Familie, die er zu versorgen habe. Und, natürlich, mit dem Unrecht, das ihm von Seiten der VOC angetan worden sei. Weitere Konsequenzen gab es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, Historiker nehmen an, dass die Republikführung wegen des Achtzigjährigen Krieg keinen Konflikt mit Frankreich riskieren wollte. Die geplanten Leerverkäufe hatten dagegen sehr wohl ein Nachspiel, le Maire wurde gezwungen, auf seinen Amsterdamer Grundbesitz zu verzichten. Er verließ die Stadt und zog nach Egmond aan den Hoef, wo er ausgiebig darüber nachdachte, wie er der VOC am besten schaden und ihr Monopol durchbrechen könne.

Le Maires Träume von einer französischen VOC-Konkurrenz endeten im Frühjahr 1610 ohnehin. Und zwar mit einem Königsmord: Henri IV, auf Deutsch Heinrich IV. von Navarra genannt, hatte bis dahin bereits 17 Attentate überlebt. Dass er ein ehemaliger Calvinist war, der zum Katholizismus übergetreten war, hatte vor allem das Misstrauen von Anhängern des Papstes geweckt, die ihm nicht trauten.

Am 14. Mai 1610 wurde er von ­einem fanatischen Katholiken, dem Mönch François Ravaillac, in Paris unter etwas mysteriösen Umständen umgebracht. Der Attentäter hatte die Entscheidung des Monarchen, die Spanischen Niederlande zu überfallen, als Kriegserklärung an den Papst interpretiert und sich sozusagen in göttlichem Auftrag zum Königsmord entschieden.

Der erste König aus dem Hause Bourbon war am letzten Tag seines Lebens in einer Kutsche unterwegs zu seinem engen Freund, dem erkrankten Offizier und Staatsmann Maximilien de Béthun. Die Karosse hatte auf ihrem Weg zum Quartier de l’Arsenal in der engen rue de la Ferronnerie wegen eines Staus angehalten. Die meisten Begleiter Henris verließen deswegen kurz das Gefährt, so dass er fast allein zurückblieb. Diesen Umstand nutzte der ­Attentäter, um in die Kutsche zu springen und Henri zu erstechen.

Seine Ehefrau Maria de’ Medici führte nach dem Mord für den gemeinsamen, damals neun Jahre ­alten Sohn und Thronfolger Ludwig XIII. bis zu dessen Volljährigkeit die Regierungsgeschäfte – ganz zufällig war sie einen Tag zuvor nach langem Drängen zur Königin gekrönt worden. Und sie revidierte Henris Entscheidung, sich gegen Spa­nien zu stellen, umgehend.

Für le Maire muss diese Entwicklung ein schwerer Schlag gewesen sein, schließlich hatte er große Hoffnungen in das französische Projekt gesetzt. Sein Kontrahent Aerssen blieb in Paris, bis er 1613 abberufen wurde, weil er gegen die Anweisungen von van Oldenbarnevelt Kontakt zu den Hugenotten aufgenommen hatte. Zurück in Holland begann Aerssen einen Rachefeldzug gegen seinen ehemaligen Mentor, der den von le Maire gegen die VOC vor allem in tödlicher Entschlossenheit weit übertraf. Zu dieser Zeit gab es in der Republik schwere Differenzen zwischen zwei protestantischen Glaubensrichtungen, was in letzter Konsequenz zur überraschenden Hinrichtung van Oldenbarnevelts im Jahr 1619 führte.

Der Kaufmann le Maire las in ­dieser Zeit wohl hauptsächlich Reiseberichte, denn er kam zu dem Schluss, dass es eine noch unentdeckte Passage zwischen dem Atlantik und dem Pazifik geben müsse, die, ganz wichtig, südlich der Magellanstraße läge.

Außerdem hatte er während seines Aufenthalts in Paris viel von Richard Hakluyt gehört, der die französische Hauptstadt besucht und sein zwischen 1598 und 1600 erschienenes dreibändiges Werk »English Navigations« vorgestellt hatte. Le Maire hatte diese Bücher gekauft und eingehend studiert, er verstand genügend Englisch, um die Schilderungen der Entdeckungsreisen von Sir Francis Drake und anderen zu verstehen und vor allem zu analysieren und mit Berichten anderer Seefahrer zu vergleichen.

 

Die Entdeckung einer neue Passage bot nur Vorteile: Le Maire würde nicht nur zu weltweiter Berühmtheit gelangen, sondern auch der VOC unglaublich auf die Nerven gehen können. Denn er würde eine solche Route für Handelsreisen nutzen können, ohne gegen die Vereinbarungen mit der Kompanie zu verstoßen. Außerdem hoffte er, dass es nahe Südamerika ein Zuidland, ein großes südliches Land, geben würde und er eine Handelsroute dorthin begründen könne.

Im Jahr 1614 gründete er deswegen die »Austraalse Compagnie«, die unter Führung seines Sohns Jacob und des Kapitäns Willem Cornelisz Schouten die Entdeckungsreise organisieren sollte. Le Maire gab ihnen klare Anweisung: Falls keine neue Route gefunden wurde, war es unter allen Umständen verboten, durch die Magellanstraße zu segeln.

Aber den Ostindien-Handel hatte er auch noch nicht aufgegeben: Sowie die Expedition dort ankäme, so seine Order, müsse sein Sohn Jacob alles daran setzen, den dortigen Gouverneur Gerard Reynst zu umschmeicheln und ihn gegebenenfalls um die Hand einer seiner Töchter zu bitten. Falls Reynst dann entscheiden würde, dass le Maire künftig mit Ostindien handeln dürfe, wäre viel erreicht, und das nicht nur geschäftsmäßig, denn das würde für großen Ärger innerhalb der VOC-Führung sorgen.

Am 14. Juni 1615 segelten die Schiffe »Eendracht« und »Hoorn« aus dem Hafen von Texel. Einerseits wurde die Reise ein Erfolg, denn durch diese Expedition wurde die Route um Kap Hoorn (nach dem Schiff benannt) entdeckt. Andererseits war sie ein Fiasko. Gouverneur Reynst war bereits verstorben, als die beiden Schiffe in Ostindien ankamen, so dass aus den großen Plänen le Maires nichts wurde.

Die VOC hatte außerdem vom Zweck der Reise erfahren und erwirkt, dass die »Eendracht« und die »Hoorn« unmittelbar nach dem Einlaufen ­beschlagnahmt werden sollten, was allerdings nur halb gelang, weil die »Hoorn« zuvor auf See in Brand geraten und gesunken war.

Während Teile der Besatzung in Jakarta blieben, wurden Jacob le Maire und Kapitän Schouten am 15. Dezember zurück nach Holland geschickt. Auf ihre Proteste wurde ihnen lediglich geantwortet, die Antworten auf alle ihre Fragen würden sie in Amsterdam finden. Jacob, der zumindest nach seiner Verhaftung in Ketten gelegt worden war, starb allerdings während der Überfahrt, über die Todesursache des 31jährigen ist nichts bekannt.

Aber die VOC war mit den le Maires noch lange nicht fertig: Unter den in ihrem Auftrag beschlagnahmtem Inventar befand sich auch das Schiffsjournal der »Eendracht«. Und dieses wurde benutzt, um das zu schaffen, was heute »alternative Fakten« genannt wird. Die Geschichte wurde umgeschrieben: Nachdem der Name von le Maires Sohn aus dem Journal entfernt worden war, ver­öffentlichte die Gesellschaft das Schiffsbuch und präsentierte Kapitän Schouten als alleinigen Entdecker der Route um Kap Hoorn.

Isaac le Maire war jedoch keinesfalls dazu bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er klagte – und gewann. Mehrmals. 1619 urteilte ein Gericht, dass die »Eendracht« und die Schiffsbücher unrechtmäßig beschlagnahmt worden seien. 1622 wurde le Maire Schadenersatz zugesprochen.

Die wahre Geschichte jener Reise scheint damals weltweit noch lange Aufsehen erregt zu haben. In der 1741 auf deutsch erschienenen »Allgemeine Staats- Kriegs- Kirchen- und Gelehrten-Chronicke«, Band zehn, wird sie ausführlich über mehrere Seiten erzählt.

Mit Gerechtigkeit für Isaac le Maire endeten die Prozesse jedoch nicht. Den ersehnten Ostindien-Handel durfte der Kaufmann nicht wieder aufnehmen, obwohl gerichtlich festgestellt wurde, dass er das Recht habe, um Kap Hoorn zu segeln.

Isaac le Maire starb drei Jahre nach seiner Frau Maria am 20. September 1624. Auf seinem Grabstein stand, neben weiteren Lebensleistungen: »Hier liegt begraben Sr Isaac Lemaire, der durch sein Handeln mit den meisten Teilen der Welt von Gott dem Herrn so reichlich gesegnet worden ist, dass er innerhalb von 30 Jahren (außer der Ehre) mehr als 150 000 Gulden verlor.« Das war damals eine gewaltige Summe, gleichwohl entsprach die Zahl auf dem Grabstein nicht den Tatsachen: In Wirklichkeit waren es 1,5 Millionen gewesen (zum Vergleich: ein Gulden entsprechen nach heutigem Wert 60 US-Dollar). Historiker gehen davon aus, dass die Graveure einfach eine Null vergessen hatten – eine später angefertigte Abbildung des Steins gibt den Historikern recht, denn darauf ist zu sehen, dass die fehlende Null wohl nachträglich in den Betrag gequetscht wurde.