Viele Rechte und manche Linke ersehnen eine apokalyptische Bewährungsprobe

Endlich Krieg

Kolumne Von

»Jegliche Instanz der Repräsentation sabotieren … Die Wirtschaft blockieren … Aus jeder Krise ein Feuer machen.« Sind das die geheimen Anweisungen Wladimir Putins an Donald Trump? Vielleicht sehen sie so ähnlich aus, aber es handelt sich um Parolen aus dem Pamphlet »Der kommende Aufstand«, erstmals 2007 ver­öffentlicht vom »Unsichtbaren Komitee«, einer französischen Gruppe sogenannter Insurrektionalisten. Jenseits der Frage nach Sinn und Berechtigung eines solchen Unterfangens war bereits damals nicht so recht klar, warum sich ausgerechnet die Linke um die Sabotage der Infrastruktur der kapitalistischen Gesellschaft bemühen sollte. Erledigt der Vorstand der Deutschen Bahn so etwas nicht viel effizienter? Mittlerweile hat die Freude an der Sabotage zumindest in Großbritannien und den USA die höchsten Ebenen der Politik erfasst, so dass man als Verschwörungstheoretiker mutmaßen könnte, das »Unsichtbare Komitee« habe ein Gerät entwickelt, mit dem es die Hirnaktivitäten führender Politiker kontrollieren kann.

Doch so reizvoll der Gedanke ist, dass irgendwo in einem Landhaus in Frankreich ein zauseliger Insurrektionalist mit einem Glas Rotwein sitzt, der mit diabolischem Grinsen den Wunsch »Ich will die Regierung dichtmachen« in Trumps Hirn eingibt – die Gründe für das Desaster müssen wohl doch anderswo gesucht werden. Marxistisch geschult, ist man zunächst geneigt anzunehmen, es müsse irgendetwas mit der Ökonomie zu tun haben. Aber welche Kapitalfraktion hat ein Interesse daran, dass der US-Präsident seine eigene Regierung lahmlegt oder Großbritannien ohne Abkommen aus der EU austritt? Warum ignorieren Konservative, für die die Wünsche der Unternehmer sonst Gottes Wort gleichkamen, nun konsequent deren Mahnungen und Warnungen?

Eher scheint hier jene Haltung zum Ausdruck zu kommen, die Thomas Mann 1914 bekannte: »Wie hätte der Künstler, der Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte! Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden und eine ungeheure Hoffnung.« Angeödet trotz Netflix und nicht damit zufrieden, immer nur Hasskommentare in die Tastatur zu hämmern, streben viele Menschen danach, für etwas Großes zu leiden und vor allem andere leiden zu lassen. Bei dem von 28 Prozent der Briten, aber nur 16 Prozent der Britinnen geäußerten Wunsch nach einem no deal Brexit spiele »kriegslüsterne Maskulinität« eine wichtige Rolle, »eine Sehnsucht nach einer Politik des alles oder nichts, Feinden und endloser Konfrontation«, schreibt John Harris im Guardian. Auch vielen Linken ist eine solche Haltung nicht fremd. Aber sie bringen es nur auf ein paar zerbrochene Fensterscheiben und brennende Autos. Die Rechten hingegen könnten es schaffen, die Zivilisation ernsthaft zu schädigen. 100 Jahre später wird es dann heißen, sie seien wie Schlafwandler ins Desaster gestolpert.