Imprint - Aus dem Alltag eines freien Mitarbeiters

Notwendige Abwechslung und Vielfalt

Anpassung an den Apparat oder Widerstand aus Koketterie: Über die alltäglichen Zumutungen der Existenz als freier Mitarbeiter berichtete Harun Farocki 1975 in einer Ausgabe der Zeitschrift »Filmkritik«. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Kultur- und Medienprekariats.
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Die letzten dreizehn Jahre habe ich mein Geld als freier Mitarbeiter bei den Sendern verdient, Rundfunk und Fernsehen, wie kann das gehen.

Die Sender nennen jeden freier Mitarbeiter, der nicht angestellt ist und ein Gehalt hat. Er bekommt ­einen Honorarvertrag, der sich auf eine einmalige Leistung bezieht. In manchen Fällen ist diese Leistung wirklich einmalig, und einer erscheint in den Büchern als freier Mitarbeiter, weil er auf der Straße interviewt wurde oder im Bildhintergrund ein Bier trinkend die Atmosphäre gab. Bei der Filmerei verlangen die Leute und zahlen die Sender für kleine Leistungen ein ziemliches Geld. (Es geht mir nicht um die »Sparmaßnahmen«, es geht mir um die Ähnlichkeit zur Prostitution. Es wird ähnlich gründlich ausgeteilt und geringschätzig eingenommen.)

Über das andere Extrem freier Mitarbeit, Leute, die nicht zum Lebensunterhalt für Sender arbeiten, sondern einen TV-Beitrag machen, wie früher ein Offizier ein Theaterstück, eine Dame ein Libretto, kann ich nicht schreiben, weil ich durch den Schaum vorm Mund nichts sehen kann.

Dann gibt es die freien Mitarbeiter, die in Wirklichkeit feste sind, für die es keine Planstelle gab, aber Beschäftigung, Redakteure, Cutter, Aufnahmeleiter, Assistenten, Kameramänner. Es hat Prozesse gegeben auf Festanstellung, sie sind alle gewonnen worden, die Gerichte haben nicht nur entschieden, diese festen Freien müssten angestellt werden, sie haben auch für zurückliegende Zeiten den Arbeitnehmerstatus festgestellt, was wichtig ist für Sozialversicherung und Altersversorgung. Kriterien sind dabei gewesen die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem oder mehreren Sendern (wobei schon 30 Prozent Geld vom Sender genügte), fester Arbeitsplatz und Weisungsgebundenheit.

Bleiben übrig zwei Gruppen freier Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt: die auf Pro­duktionsdauer Beschäftigten und die unständig Beschäftigten. Zur ersten Gruppe gehören die Schauspieler oder Regisseure, zur zweiten die Autoren. Der Autor ist deshalb eine andere Kategorie, weil er seine Arbeit zu Hause macht, demnach über seinen Ort und seine Zeit frei verfügt. Zu der Logik, der das folgt, später mehr.

 

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