Das Scheitern der privaten Altersvorsorge

Abgewickelt

Für Millionen Menschen, die ihre Alters­vorsorge in die Hände der privaten Versicherungs­wirt­schaft gelegt haben, wird das finanzielle Risiko immer größer. Die Bundesregierung müsste dringend handeln.

Das Ereignis markiert das Scheitern der privaten Altersvorsorge in Deutschland: Am Dienstag vergangener Woche schloss die Firma Viridium den Kauf von rund vier Millionen Altersvorsorgeverträgen, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherungen der Generali-Versicherung ab – nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz Bafin, neun Monate lang die Übertragung geprüft hatte. Es ist nicht der erste Verkauf eines Lebensversicherungsbestands an eine Abwicklungsgesellschaft – ein sogenannter Run-off, aber der mit Abstand größte. Branchenbeobachter erwarten, dass weitere Versicherer ihre Bestände an klassischen Lebensversicherungen verkaufen werden.

Noch vor wenigen Jahren brüstete sich die Branche damit, dass sie die Alterssicherung besser betreiben könne als der Staat. Doch das Umsichgreifen des Run-off zeigt: Private Versicherer beherrschen die Altersvorsorge mitnichten besser als die gesetzliche Rentenversicherung. Die Bundesregierung müsste Konsequenzen daraus ziehen und sofort aus der Förderung der privaten Altersvorsorge aussteigen, die bestehenden Verträge sollten in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Zudem wäre es endlich an der Zeit für die Einführung einer Mindestrente nach skandina­vischem Vorbild, die jeder und jede bekommt und die zum Leben reicht. Doch leider gibt es dafür keine Anzeichen.

Früher waren die gängigen Altersvorsorgeverträge für die Versicherungswirtschaft attraktiv, doch das hat sich in der anhaltenden Niedrigzinsphase geändert. Bei klassischen Lebens- oder privaten Rentenversicherungen bekommen Kunden eine garantierte Verzinsung ihrer Beiträge und des angesammelten Kapitals. Der Versicherer trägt das Kapitalmarktrisiko, mitunter über viele Jahrzehnte. Er muss die bei Vertragsabschluss zugesagte Garantieverzinsung gutschreiben, auch wenn er sie selbst mit seinen ­Kapitalanlagen nicht erwirtschaftet. Früher argumentierten die Versicherer, Kunden könnten so auch schlechte Kapitalmarkt­zeiten überstehen. Jetzt, da diese Zeiten da sind, trennen sich Versicherer wie Generali von dem Geschäftsmodell und den Kunden. Neuen Kunden drehen sie Lebens- und Rentenversicherungen an, bei denen die Verbraucher das Risiko tragen. Und bei den Alt­beständen tragen sie nicht das Risiko, sondern wälzen es ab – an die sogenannten Abwickler, eine Art bad bank für die private Rentenversicherung. Ob am Ende die Kunden ihr versprochenes Geld bekommen, wird immer zweifelhafter.

Das betrifft Millionen von Menschen. Schon jetzt befinden sich rund fünf Millionen Policen in den Händen von Abwicklern, viele werden folgen. Die rot-grüne Regierung hat ab 2002 viele Menschen in die Arme der Versicherungswirtschaft getrieben, indem sie die künftigen Renten erheblich gekürzt hat. Um Kunden zum Abschluss etwa einer »Riester-Rente« zu bewegen, ­fördert der Staat zudem private Altersvorsorgeverträge. Die Versicherungsbranche hat um dieses Geschäft gebuhlt. Doch der ­Verkauf der Bestände zeigt, dass ihr Geschäftsmodell dafür nicht taugt.