»In den vergangenen 40 Jahren ist es fundamentalistischen Strömungen in nahezu allen mehrheitlich islamischen Ländern gelungen, ihre Auslegung der Religion in die Mitte dieser Gesellschaften zu tragen und diese Lesart zum Mainstream zu machen. Diese Veränderung hat auch Auswirkungen auf muslimische Communitys in Europa. Während diese Entwicklung bis vor wenigen Jahren nur in kleinen Zirkeln zur Kenntnis genommen wurde, sprechen inzwischen auch Politik und Medien immer häufiger vom ›politischen Islam‹«, schreiben Nina Scholz und Heiko Heinisch im ersten Kapitel ihrer Studie »Alles für Allah«. Darin setzen sie sich mit den Gefahren dieser Entwicklung für eine liberale Gesellschaft auseinander und werfen einen kritischen Blick auf die Rolle der islamistischen Organisationen sowie die konservativen Haltungen in vielen muslimischen Familien. Zugleich wenden sie sich entschieden gegen die Instrumentalisierung von Muslimen als Schreckbild durch rechtspopulistische Bewegungen.
Statt eine akademisch trockene Einführung in das Geflecht und die umfangreichen Aktivitäten des legalistischen Islamismus zu geben, dechiffrieren Scholz und Heinisch das ideologische Fundament der nach außen hin sich integrativ gebenden legalistischen Islamisten. Scharf wenden sie sich im Kapitel »Mit Islamisten gegen Terror?« gegen eine Zusammenarbeit von staatlichen Institutionen und NGOs mit islamistischen Organisationen, wie sie immer wieder, oft aus Unwissenheit, praktiziert würde. In Europa könnten etwa 200 Organisationen der Muslimbruderschaft zugerechnet werden.
Auf anschauliche Weise wird im Buch erläutert, mit welchen Strategien Organisationen und Einzelpersonen aus dem Umfeld der Muslimbrüder ihre politischen Vorstellungen in den muslimischen Milieus der Einwanderungsländer durchgesetzt haben. Dem Buch ist eine große Leserschaft zu wünschen, es könnte ein Standardwerk werden.
Nina Scholz, Heiko Heinisch: Alles für Allah. Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert. Molden-Verlag 2019, 176 Seiten, 20 Euro