Porträt - Manfred Weber

Finale Lösung, flexible Meinung

Früher galt ein Sitz im Europaparlament als Altersversorgung für abgehalfterte Politiker. Diese Zeiten sind vorbei, mittlerweile gibt es sogar Politiker, die gezielt eine Karriere in der EU-Verwaltung anstreben. Zu ihnen gehört Manfred Weber (CSU), der EU-Kommissionspräsident werden möchte, nun aber auf größere Hindernisse stößt als erwartet. Zu diesen gehört allen voran der französische Präsident Emmanuel Macron, der auf dem Vorschlagsrecht der Nationalstaaten für den Kommissionspräsidenten besteht und zudem Weber für den Posten ungeeignet findet, weil es diesem an Regierungserfahrung fehle. Auch unter den Abgeordneten anderer Fraktionen des Europaparlaments mangelt es Weber an Unterstützung.

Für das Misstrauen gibt es gute Gründe. Dass Weber 2018 bei einer CSU-Klausur­tagung sagte, in diesem Jahr sei »das zentrale europäische Thema die finale Lösung der Flüchtlingsfrage«, kann man mit sehr viel gutem Willen als unsensible Wortwahl betrachten. Kein Patzer war, dass bei diesem Anlass der rechtsnationalistische ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán anwesend war, dessen Partei Fidesz wie CDU und CSU Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) ist und die Weber zunächst vor ihrem Ausschluss aus der Fraktion und einem EU-Vertragsverletzungsverfahren bewahrt hat. Doch Weber ist flexibel, er stimmte im September 2018 als einziger CSU-Europaabgeordneter doch noch für ein EU-Verfahren gegen Ungarn und ließ im März die EVP-Mitgliedschaft von Fidesz suspendieren – gerade noch rechtzeitig, um dem Eindruck zu erwecken, die Konservativen distanzierten sich von der völkischen Rechten. Im April kündigte er an, den Bau der Pipeline Nord-Stream 2, ein von der Bundesregierung mit großem Nachdruck in der EU durchgesetztes Projekt, zu blockieren, sollte er EU-Kommissionspräsident werden – gerade noch rechtzeitig, um sich in Osteuropa als Politiker zu präsentieren, der wegen des wachsenden russischen Einflusses besorgt ist. Aber wie lange halten Webers Ansichten? Politische Begründungen für seine Kurswechsel hat Weber nie genannt, er könnte Putins Pipeline und Orbán durchaus  wieder liebgewinnen, wenn es ihm nützlich erscheint.