Mal eben einen auf Weltstar machen

Die Kunst der Fotobombe

Sie schummeln sich aufs Spielfeld, schleichen sich aufs Siegertreppchen oder geben sich als Bodyguards aus, um ihren Idolen nah zu sein: Über Menschen, für die Dabeisein wirklich alles ist.

Karl Power. München, 2001. Manchester United spielte gegen Bayern München. Als sich die Spieler von United für das Gruppenfoto vor dem Spiel aufstellten, lief plötzlich ein zwölfter Mann aufs Feld. Es war der 34jährige Karl Power, ein arbeitsloser Veteran der englischen Rave-Szene. Sein Dress war eine perfekte Kopie der Away-Kits der Mannschaft. Außenverteidiger Gary Neville fiel auf, dass die Mannschaft unerwarteten Zuwachs bekommen hatte, und er fragte laut: »Wer ist der Typ?« Power antwortete mit einem scharfen: »Halt die Klappe, Gary!« Neville gehorchte und Power ließ sich vor 60 000 Menschen stolz als Spieler von Manchester United fotografieren.

»Die Leute brauchen doch was zum Lachen, oder?«

Power, ein Kumpel des Sängers der »Happy Mondays« und von »Black Grape«, Shaun Ryder, schlug 2002 erneut zu, erklomm nach dem britischen Formel-1-Grand-Prix in voller Rennfahrermontur das Sieger­podest und ließ sich anstelle des verblüfften Michael Schumacher von der Menge feiern. Befragt, warum er seine Streiche spielt, sagte Power: »Die Leute brauchen doch was zum Lachen, oder?« Zusammen mit seinem Prankster-Kollegen Tommy Dunn ging Power 2002 seelenruhig auf den Tennisplatz in Wimbledon. Die beiden wechselten minutenlang Bälle, bis der Schiedsrichter endlich schnallte, dass er es mit Spaßvögeln zu tun hatte.

Barry Bremen war ein Versicherungsvertreter aus Michigan, der Ende der siebziger Jahre beschloss, mehr vom Leben zu wollen, als von Tür zu Tür zu laufen und meistens abgewiesen zu werden. So ließ er sich 1979 ein Dress der Basketballmannschaft Dallas City Kings schneidern und schlich sich zu den sich aufwärmenden Spielern aufs Feld. Er wurde zwar vor dem Spiel entdeckt, aber das entmutigte ihn nicht. Wenige Mo­nate später verkleidete er sich als Spieler der New York Yankees und wärmte sich während eines Spiels der Major League Baseball eine halbe Stunde lang am Spielfeldrand auf, bis er schließlich enttarnt wurde. Er versuchte noch, sich im Whirlpool des Spielerbereichs zu verstecken, jedoch ohne Erfolg.

And the winner is....

Seinen wohl schrägsten Stunt lieferte Bremen im Dezember 1979, als er sich als Cheerleaderin der Dallas Cowboys verkleidete. Ausstaffiert mit einer blonden Perücke, rasierten Beinen, falschen Brüsten und Hotpants stürmte er das Spielfeld und schrie »Go Cowboys«, bevor ihn Sicherheitsleute an Händen und Füßen fesselten und vom Platz schleiften.

»Go Cowboys, Go«. Barry Bremen als Cheerleader. 

Den Höhepunkt seiner »Karriere« bildete die Verleihung Emmy Awards 1985. Als der Moderator Peter Graves die Auszeichnung »Beste Nebenrolle« an Betty Thomas (für ihre Rolle in »Polizeirevier Hill Street«) vergeben wollte, stand Bremen, der in der ersten Reihe saß, plötzlich auf, ging auf die Bühne und erklärte, er würde den Preis für die leider verhinderte Frau Thomas entgegennehmen. Graves gab ihm den Emmy – und die sehr wohl anwesende Betty Thomas war nicht amüsiert.

Bis zu seinem Ruhestand, den er 2005 antrat, gab sich Bremen noch mehrmals als Schiedsrichter, Manager oder Trainer aus und handelte sich so den stolzen Titel »The Great Imposter« (Der große Hochstapler) ein. Er verstarb 2011 infolge einer Krebserkrankung.

Reingeschmuggelt. Oliver Regis mit den Schauspielern Chris Hemsworth und Demi Lovato.

Oliver Regis. Als fanatischer Bewunderer des irischen Mixed-Martial-Arts-Champion Conor McGregor wollte der britische Barkeeper Regis im Jahr 2017 unbedingt den als »Jahrhundertkampf« beworbenen Schlagabtausch seines Idols mit dem Profiboxer Floyd Mayweather Jr. in Paradise, Nevada, sehen. Regis haute seine Ersparnisse auf den Kopf und kaufte für 2 000 Pfund ein Ticket in der ­T-Mobile-Arena – für das Geld gab es allerdings nur einen Platz ganz weit hinten.

Regis, der ein Tattoo vom Antlitz McGregors am Körper trägt, saß daher unglücklich in seinem Hotel und trank. Dann kam ihm ein Geistesblitz: Warum sich nicht einfach unter die Reichen und Berühmten mischen?

In seinem von Alkohol und Adrenalin gedoptem Hirn formte sich ein Plan. Er informierte sich, wie die Leibwächter von Mayweather aussahen, und als er diese in der Eingangshalle der Arena erspähte, drängte er sich von hinten an sie ran und ging einfach mit ihnen mit. Er wurde zusammen mit den Bodyguards durchgewinkt und fand sich schließlich wenige Meter vom Ring entfernt bei den besten und teuersten Sitzen des Hauses.

Als Bodyguard reingemogelt. Oliver Regis mit Mike Tyson und Jennifer Lopez.

Um ihn herum saßen Leute wie Leonardo DiCaprio, Jennifer Lopez, Mike Tyson, Gerard Butler und jede Menge Millionäre. Die Plätze dort kosteten bis zu 50 000 Dollar. Regis schoss viele Selfies mit den Stars und Sternchen.

Zwanzig berühmt-berüchtigte Minuten

Als ein Security-Mitarbeiter seine Karte sehen wollte, sagte Regis nur, die habe seine Freundin und er werde sie gleich holen. Er ging und setzte sich wenig später einfach auf einen anderen Platz. Nach dem weltweit übertragenen Kampf war Regis selbst eine Berühmtheit, vor allem, nachdem er die Selfies gepostet hatte.

Nicht jeder war begeistert: Oliver Regis mit den Schauspielern Jamie Foxx und Gerard Butler.

 

Ali Dia. 1996 erhielt der damalige Trainer des FC Southampton, Graeme Souness, einen Anruf. In der Leitung war angeblich kein geringerer als George Weah, der liberianische Fußballstar und Weltfußballer des Jahres 1995. Dieser empfahl dem nach Nachwuchstalenten suchenden Souness, es doch mit »meinem Cousin Ali Dia« als Stürmer zu versuchen. Der habe nicht nur für die senegalesische Nationalmannschaft gekickt, sondern auch für Paris Saint-Germain. In Wirklichkeit war der Anrufer ein Kumpel Dias, mit dem dieser gerade eine Nacht durchzechte. Oder es war, hier widersprechen sich die Quellen, Dia persönlich.

Der schlug sich zu jener Zeit in zweit- und drittklassigen europäischen Clubs mehr schlecht als recht durch. Souness fiel mangels Internet und professionellem Scouting auf den angeblichen Weah herein und nahm Dia unter Vertrag. Beim Training spielte Dia so schlecht, dass die Mannschaftskollegen an einen Scherz ihres Trainers glaubten. Am 23. November 1996 wechselte Souness Dia nach 32 Minuten gegen Leeds ein und die Southampton-Fans bekamen einen der schlechtesten Profis aller Zeiten zu sehen. Der Spieler Matt Le Tissier beschrieb Dias Vorstellung später so: »Wie Bambi auf dem Eis.« 20 berühmt-berüchtigte Minuten später schmiss der Trainer Dia vom Feld. Der verschwand spurlos. Gerüchten zufolge studierte er an der Univer­sität Northumbria und arbeitet seitdem in der Finanzbranche.

Huch, ältere Dame im Bild

Norbert Sudhaus. Bei den von dem Terroranschlag auf israelische Sportler überschatteten Olympischen Spielen in München kam es am 10. September 1972 zu einer weitgehend vergessenen bizarren Szene. Der US-Amerikaner Frank Shorter war kurz davor, den Marathon zu gewinnen, als ihn ein junger Deutscher überholte. Es war der Student Norbert Sudhaus, der einen Kilo­meter vor Ende des Marathons auf die Bahn lief, Shorter überholte und im Zielraum zuerst vom Publikum als vermeintlicher Sieger bejubelt wurde. Der Schwindel flog auf, noch bevor Shorter die Ziellinie überquerte, und das Publikum buhte Sudhaus aus. Shorter dachte, die Unmutsäußerungen gälten ihm und war entsprechend verwirrt.

Kuck mal wer da grinst. Die Queen als Fotobomberin.

Elisabeth II. Glasgow, 2014. Während der Commonwealth Games schoss die australische Hockeyspielerin Jayde Taylor ein Selfie mit einer Teamkollegin. Die beiden jungen Frauen standen vor dem Zaun, der das Spielfeld vom Publikum trennt. Von hinten links schob sich eine breit grinsende ältere Dame ins Bild. Sie trug einen mintgrünen Hut und ein farblich dazu passendes Kleid. Der Name der Fotobomberin: Königin Elisabeth II.

Dies ist der zweite Teil unserer Serie über Hochstapler und Prankster im Sport. Hier gehts zu Teil 1, Teil 3 und Teil 4.