Bitte nicht füttern!

Uncle Sams Hunde

Amerikanisierung, muslimische Flüchtlinge und der große Austausch: Kulturelle Identität ist eine verzwackte Sache – gerade auch für Hunde.
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Lassen Sie uns kurz zurückblicken. Als es noch die DDR gab und das World Wide Web noch nicht erfunden war, da trat, im Juli vor genau 30 Jahren, ein Abgeordneter der rechtsextremen französischen Partei Front National ans Pult des Europäischen Parlaments, um dieses als Alterspräsident zu eröffnen. Claude Autant-Lara wetterte in seiner Rede gegen eine »kulturelle Invasion« und »Kolonisation« aus den USA, gegen Coca-Cola und Anglizismen, sah das Ende der »ursprünglichen Kulturen« in Europa kommen und erklärte, »Uncle Sam« sei eine größere Bedrohung als die Sowjetunion. (In einem späteren Interview leugnete er dann noch die Shoah.)

Im Parlament hatten zunächst die Sozialisten, beziehungsweise »Sozis«, wie es in der »Tagesschau« damals noch hemdsärmelig hieß, den Saal verlassen und rote Rosen auf die Sitze gelegt, ein paar Minuten später verließen auch die Christdemokraten das Plenum, so dass Autant-Lara vor fast leerem Saal sprach. Seitdem ist viel geschehen, die Sowjetunion ist zusammengebrochen und die Digitale Revolution begann, sprich: Die Welt ist heute eine komplett andere. Doch die Rechtsextremisten sitzen immer noch im Europaparlament und sorgen sich um ihre kulturelle Identität. Nur mehr sind sie geworden und einflussreicher. Was blieb, und wie das ja auch bei Linken nicht anders gelehrt wird, ist ihre Prämisse, dass die Kolonisatoren und Invasoren immer die Bösen sind. Obwohl ja oft die Kolonisierten von heute die Kolonisatoren von gestern sind und andersherum.

Coco

Coco. Fühlt sich als Kuh.

Bild:
Ivo Bozic

Um also endlich auf den Hund zu kommen: Bei ihm verhält es sich, das wissen Sie bereits, wenn Sie regelmäßig diese Kolumne lesen, wie immer ganz ähnlich. Zusammen mit dem Menschen drangen Hunde aus Asien über die Behringstraße nach Amerika vor, um später von den aus Europa stammenden Hunden fast vollständig verdrängt zu werden.

Ein Bevölkerungsaustausch sozusagen. Heute findet sich kaum noch Erbgut der amerikanischen »Urhunde«. Selbst der bislang als Nachfahre toltekischer Opferhunde des alten Mexiko geltende Chihuahua soll von europäischen Hunden abstammen, sagen nun Genetiker. Einige. Andere sagen etwas anderes. So eindeutig scheint das nicht zu sein. Klar jedenfalls ist, dass alle Hunde vom Wolf abstammen, nur Coco denkt, von der Kuh. Sie hat öfter ihre Kuhphase. Da steht sie auf der Wiese und grast. Das macht sie nicht, weil sie plötzlich Vegetarierin geworden wäre, sondern um anschließend erbrechen zu können. Auch alle amerikanischen Kühe stammen übrigens von europäischen Kühen ab, nicht etwa vom Bison, der aber selbst einst über die Behringstraße aus Asien eingewandert war. Da sehen Sie, so verzwackt ist das mit der Ursprünglichkeit und der kulturellen Identität. Nehmen Sie sich ein Vorbild an Coco: Wenn Sie eine Kuh sein wollen, dann seien Sie es einfach. Don’t dream it, be it!