Familienplanung in Israel

Ein Kind macht noch keine Familie

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»Im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts hat die pronatalistische Ideologie und Bevölkerungs­politik die Mutterschaft mit größter nationaler Bedeutung durchtränkt und dadurch ein frei gewähltes Leben ohne Kinder zu einer unüblichen und sozial wenig tolerierten Alternative werden lassen«, schreibt Elly Teman in ihrem Buch »Birthing a Mother«.

Weil Frauen auch in Israel immer später mit der Familiengründung beginnen, wird nun immer häufiger medizinisch-technisch nachgeholfen. Reproduktionsmedizin ist in Israel ein selbstverständlich genutzter, gesellschaftlich akzeptierter und staatlich geförderter Service der Krankenkasse. Die Kosten für Samenspende und Insemination übernimmt der Staat. Israel war auch eines der ersten fünf Länder weltweit, die die Methode der In-vitro-Fertilisation zugelassen haben. Dabei werden die Eizellen einer Frau entnommen, befruchtet und wieder eingesetzt. Jede Israelin hat bis zu ihrem 45. Lebensjahr das Recht, durch dieses Verfahren kostenlos zwei Kinder zu bekommen, egal ob sie Single ist oder verheiratet. Bis zum Alter von 55 kann sie sogar eine Eizellenspende erhalten.

Adoptionen sind in Israel eher selten. »Zum einen stehen sehr wenige Babys zur Adoption und zum anderen ist das Verfahren sehr kompliziert. Das Umfeld, in das das adoptierte Kind kommen soll, wird genau überprüft. Anders ist das bei Frauen oder Familien, die eine Leihmutter in Anspruch nehmen. Da gibt es kein solches Screening«, sagt Birenbaum-Carmeli der Jungle World.

Seit 1996 ist in Israel die Leihmutterschaft (surrogacy) gesetzlich erlaubt und staatlich reguliert. Ein Paar oder eine Frau und eine Leihmutter, die sich zum Austragen eines Kindes bereit erklärt, schließen dazu einen Vertrag. Erlaubt ist in Israel nur die sogenannte volle Leihmutterschaft (full surrogacy): Die Eizelle, die mit dem Samen des zukünftigen Vaters des Babys befruchtet wird, darf nicht von der Leihmutter selbst stammen. Die Leihmutter ist also genetisch nicht verwandt mit dem Kind, das sie austrägt. Seit Juli 2018 können nicht nur heterosexuelle Paare, sondern auch ledige Frauen mit Hilfe einer Leihmutter in Israel ein Kind ­bekommen.

Die Frage, wer Kinder bekommen darf, mit wem und wie, beschäftigt auch die Gerichte. Denn die Gesetzesänderung schließt homosexuelle und ledige Männer von der Möglichkeit der Leih­elternschaft aus. Zur Unterstützung ihrer schwulen Mitarbeiter kündigten im vergangenen Jahr mehrere israelische Unternehmen an, einen Teil der Kosten für die Leihmutterschaft im Ausland zu übernehmen.

Zugang zur staatlich geförderten Reproduktionsmedizin haben alle isra­elischen Bürgerinnen, unabhängig von ihrer Religion und Herkunft. Allerdings sollen die Leihmutter und die Eizellenspenderin derselben Religion ­angehören. Die Leihmütter werden dann unter sozialen und gesundheitlichen Gesichtspunkten ausgesucht. In Israel bekommt die Leihmutter für ihre Dienste umgerechnet rund 50 000 Euro. »Das ist zwar sehr viel Geld, aber es ändert das Leben der Leihmütter nicht komplett. Gerade die gesundheitlichen Spätfolgen werden dadurch nicht gedeckt«, gibt Birenbaum-Carmeli zu bedenken. Einen Anreiz für ökonomisch schwache Frauen stellt der Verdienst dennoch dar. Laut israelischen Studien gibt die Mehrzahl der Leihmütter finanzielle Motive an.