In Frankreich wurden drei Nürnberger in fragwürdigen Schnellverfahren zu Haftstrafen verurteilt

Von der Mautstation in den Knast

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Die Festnahmen von Mitgliedern ­einer linken Landkommune in dem Dorf Tarnac im französischen Zentralmassiv, denen Sabotage von Bahnstrecken vorgeworfen wurde, führte zu einem sich viele Jahre hinziehenden Gerichtsprozess, der im März 2018 in einem ­Fiasko für die Anklagebehörde endete (Jungle World 16/2018). Unterdessen begannen Schwarze Blöcke seit 2013, vermehrt seit 2016 das Bild von Demonstrationen in französischen Städten zu prägen, wozu eventuell auch die Tarnac-Affäre, vor allem aber auch die Krise anderer linker Strömungen beitrug.

Der durch das Gesetz vom März 2010 geschaffene Tatbestand war als eine Art Zusammenrottungsparagraph gedacht. Er sollte die Bildung von Schwarzen Blöcken im Rahmen von Protesten kriminalisieren. Auch wenn die Straf­bestimmung im Gesetz vage formuliert ist, verlangte sie immerhin das Vorliegen von »materiellen Tatsachen«, also irgendwelche konkreten Tat- oder Vorbereitungshandlungen.

Dabei dürfte maßgeblich an die Verwendung von Vermummung gedacht worden sein. Diese war damals auf Demonstrationen in Frankreich noch nicht strafbar. Sie wurde im Rahmen des sogenannten Anti-Burka-Gesetzes vom 11. Oktober 2010 zunächst zu einer Ordnungswidrigkeit. Erst ein weiteres Gesetz vom 12. März 2019 wertete die Vermummung zur Straftat auf. Die parlamentarische Mehrheit der Regierung von Präsident Emmanuel Macron hatte es gemeinsam mit der konservativen Opposition im Zusammenhang mit den Protesten der »Gelben Westen« verabschiedet. Das Gesetz bildet ein Äquivalent zum Tatbestand des Landfriedensbruchs im deutschen Recht und erlaubt unter anderem die Bestrafung von Personen, die sich nach einer entsprechenden Aufforderung durch die Polizei nicht schnell genug aus einer Menschenansammlung entfernen.

All diese für repressive Zwecke gedachten und gemachten Bestimmungen dürften im Fall der drei Nürnberger wohl nicht anwendbar sein – es sei denn, man definiert eine Gruppe von drei in einem Fahrzeug sitzenden Per­sonen als »Zusammenrottung« oder »Menschenansammlung«. Aber selbst dann fehlte jeglicher Zusammenhang zu einer konkreten Straftat oder einer diese vorbereitenden Handlung. Somit  wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet. Überdies sollen manifeste Verstöße gegen ein rechtsstaatliches Verfahren stattgefunden haben. Es sollen etwa Polizeibeamte bei den Verteidiger­gesprächen der Festgenommen als Übersetzer tätig gewesen sein.