Richard Schuberth über die erstaunliche Karriere eines politischen Androiden

Android mit Mission

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Drapiert mit anstandshalber linker Folk­lore und Erste-Mai-Wimpeln bot sich der wirtschaftsliberale Flügel der SPÖ als die linksliberale Alternative zum Rechtsruck feil, während sich ihr stärkerer rechter Flügel mit der FPÖ wie hungrige Straßenhunde um den fettesten Happen aus der Volksküche der Ressentiments balgte: die Fremdenfeindlichkeit. Wenn Pamela Rendi-Wagner im »TV-Duell« dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorwirft, die EU-Grenzen nicht brutal genug zu schützen, und die Salzburger SP die Vergabe von Gemeindewohnungen wieder an Deutschkenntnisse knüpft, ist das bloß die übliche Fortsetzung eines jahrzehntelangen Kampfes um die Mördergruben, zu denen sich die Wählerherzen verkrustet hatten.

Dabei wäre die Kamikazetour im Geil-o-Mobil gar nicht nötig gewiesen, mit dem die SPÖ weit aus der Rechtskurve segeln wird. Sie hätte sich auch mit der Forderung bescheiden können, das übliche Zehntel der seit den achziger Jahren erfolgten Sozialkürzungen einzufordern, um den ihr zugewiesenen Platz als zahme Opposition im Demokratiespiel zu behalten.

Da war der junge Android kreditwürdiger, und dass Sebastian Kurz ein Android ist, kann nur ein Narr bezweifeln. Er ist nicht rechts, er ist gar nichts. Er ist die Summe seiner Funktionen. Als konzeptueller Schwiegersohn, neokonservatives Pin-up, sichtbares Händchen des freien Marktes und Bonnie Prince Burli der Reichen und Mächtigen. Irgendwo in seiner linken Flanke stecken auch ein paar USB-Buchsen für linksliberale und grüne Anschlüsse. Das steht nicht im Widerspruch dazu, bei Bedarf weiter einen Orbánismus mit europäischem Antlitz, einen autokratischen Neoliberalismus zu erproben, der sich von Ursula von der Leyen anerkennend ins Rotbäckchen kneifen lässt – als gemütlich-alpines missing link zwischen den Entdemokratisierungsmodellen Brüssel, Visegrád und Salvini.

Viele finden aber Kurz nicht wegen dieser Politik super, sondern diese Politik erst super, weil sie von so einer alerten Photoshopmaske wie Kurz exekutiert wird. Das hält zumindest die utopische Hoffnung am Leben, dass ein angemessen publikumswirksamer Android theoretisch auch eine Politik für Menschen, für Androide und für solche, die wieder Menschen werden wollen, machen könnte, eine radikale soziale, ökologische und humanitäre Politik. Anstatt sich weiter unverstanden zu fühlen und wegen ein, zwei Sesseln im Parlament mit den Rechten um Patriotismus zu rittern, sollten vielleicht auch die Linken lieber ein paar Bestellungen bei Hanson Robotics aufgeben.