Bent Knee beweisen auf ihrem neuen Album Eigensinn

Überempfindliche Schrulligkeit

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Eröffnet wird das Album mit einer anderthalbminütigen Live-Aufnahme davon, wie die Band auf der Bühne mit technischen Problemen zu kämpfen hat. Oft haben solche dokumentarischen Beigaben ein Geschmäckle von angedrehter Intimität, in diesem Fall reihen sie sich schön ein in die übergreifende Zerfaserungstendenz. Diese reicht auch in die einzelnen Songs hinein, in denen das musikalische Geschehen häufig nach und nach in aufgelöste Effekt- und Noise-Wolken verdampft, um sich schließlich entweder ganz zu verflüchtigen, wie die Pianoballade »Bird Song«, oder um von dort aus wieder zu stärkeren Konturen zurückzufinden, wie das zunächst zerbrechliche, dann umso nachdrück­lichere Stück »Garbage Shark«.

Verknüpft wird solches Spiel mit verschiedenen Graden musikalischer Präsenz von einem stonerhaft-rotzigen Low-Fi-Sound, mit dem alle Songs liebäugeln. Am deutlichsten prägt diesen das eigentliche Eröffnungsstück »Bone Rage« aus: Wie als Motto stehen ihm zwanzig Sekunden grob übersteuerter Bandlärm voran – Geste: alle Regler aufreißen – der in ein lustvoll stupides Gitarrenriff mündet, dessen aggressiver Charakter den Songtitel voll und ganz einlöst. Gegen die motorische Achtelkette stemmt sich die extrem klangfarbenreiche, von dickem R&B-Vibrato bis zu ­brüchigem Schlafzimmergesang reichende Stimme von Sängerin Courtney Swain mit trotzigen rhythmischen Stauungen. Dabei steigert sie sich in immer wütendere Timbres hinein, bis der geladene Gesang sich schließlich in ungehemmt ätzendes Rufen entlädt, das wieder in einen völlig anders gearteten Refrain mündet: Wider die lückenlos voranpreschende Strophe lehnt dieser sich in einen gelassenen Half-Time-Beat ­zurück, über den ein verbogenes Pattern abgehackter Akzente verteilt ist. Der muskulöse Groove, der aus dieser Synkopenspannung aufsteigt, fordert so vehement zum Tanz auf, dass man das krumme 13/4-Metrum gar nicht bemerkt. Er führt dabei en passant vor, wie wenig die eherne Quadratur der Popmusik, der gerad­taktige Beat, zwingender Notwendigkeit entspringt, nicht einmal den ­Erfordernissen des unmittelbaren Gebrauchs.

Bent Knee: You Know What They Mean ­(Inside Out Music)