Die Parlamentswahl in Israel bringt keine klaren Ergebnisse

Regierung verzweifelt gesucht

Auch bei der dritten israelischen Parlamentswahl innerhalb eines Jahres gab es keine klare Mehrheit. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und sein Herausforderer Benny Gantz versuchen nun alles, um Verbündete zu finden.

Zwei Gewinner, aber kein Sieger – so lässt sich das Ergebnis der Wahlen in Israel vom 2. März zusammenfassen. Der Amtsinhaber Benjamin Netanyahu schaffte es trotz aller Skandale, in die er verwickelt ist, das bisher beste Ergebnis in seiner Zeit als Ministerpräsident – durchgängig von 2009 bis heute und zuvor von 1996 bis 1999 – einzufahren. 36 Abgeordnete kann seine Partei, der Likud, nun in die Knesset entsenden, vier mehr als nach der Wahl im vergangenen September. Sein Herausforderer Benny Gantz vom zentristischen Listenbündnis Blau-Weiß hingegen kam erneut auf 33 Sitze, was diesmal jedoch nur für einen zweiten Platz reichte. Offensichtlich ist seine Strategie nicht aufgegangen, einen personalisierten und inhaltslosen Wahlkampf nach dem Motto »Alles außer Bibi« zu führen.

Die eigentliche Überraschung lieferte die Vereinte Arabische Liste. Sie wird in der Knesset mit 15 Parlamentariern vertreten sein, zwei mehr als zuvor.

Die eigentliche Überraschung jedoch lieferte die Vereinte Arabische Liste. Sie wird in der Knesset mit 15 Parlamentariern vertreten sein, zwei mehr als zuvor. Zugleich hat die Partei der arabischen Israelis es geschafft, ihre Position als drittstärkste politische Kraft im Land noch einmal auszubauen. Die Gründe dafür: der neue US-amerikanische Friedensplan für den Palästina und Israel, durch den israelisches Staatsgebiet mit einem hohen arabischen ­Bevölkerungsanteil einem zukünftigen palästinensischen Gemeinwesen zuschlagen werden könnte, was die wenigsten arabischen Israelis begeistert; die araberfeindliche Rhetorik Netanyahus sowie die mangelnde Bereitschaft von Gantz, die Partei der Araber als ­potentiellen Partner zu akzeptieren. All das sorgte für Unmut und eine Wahlbeteiligung unter Israels Arabern von rekordverdächtigen 64,7 Prozent. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei 71,5 Prozent, etwas höher als im September.
Einen »gigantischen Sieg« habe er errungen, sagte Netanyahu unmittelbar nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen vor jubelnden Anhängern im Likud-Hauptquartier in Tel Aviv.

»Morgen, nachdem wir alle etwas geschlafen haben, werden wir uns dann mit den Chefs der anderen rechten Parteien treffen, um eine starke, stabile Regierung zu bilden, eine gute nationale Regierung für Israel.« Doch als sich das Endergebnis langsam, aber sicher abzuzeichnen begann, dämmerte es auch dem Amtsinhaber, dass das nicht ganz so einfach sein wird. Zusammen mit seinen potentiellen Partnern von der Partei Vereintes Torah-Judentum, Shas und Yamina käme das Regierungslager auf 58 von 120 Sitzen.

Für Gantz sieht es noch schlechter aus. Seine Blau-Weiß-Listenverbindung kommt zusammen mit dem Mitte-linkszionistischen Listenbündnis Arbeitspartei-Gesher-Meretz gerade ­einmal auf 40 Abgeordnete. Selbst wenn sich Avigdor Lieberman mit seiner Partei Israel Beitenu dieser Koalition anschließen würde, fehlten immer noch 14 Sit­ze zur Mehrheit. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Vereinte Arabische Liste eine Minderheitenregierung in dieser Konstellation unterstützen würde, dürfte recht gering sein.

Zum dritten Mal in Folge sind weder Netanyahu noch Gantz dazu in der Lage, eine Regierung zu bilden. Die Pattsituation, die Israel seit bald einem Jahr politisch lähmt, bleibt bestehen – vorerst zumindest. Um sie zu beenden, gibt es nur eine Möglichkeit: Abtrünnige des gegnerischen Lagers auf die ei­gene Seite zu ziehen. Das betrifft vor allem das nunmehr zum dritten Mal an der Regierungsübernahme gescheiterte Listenbündnis Blau-Weiß, das aus Gantz’ eigener Partei Hosen L’Yisrael, der zentristischen Partei Yesh Atid von Yair Lapid sowie Telem, einer Neugründung des ehemaligen Verteidigungsministers Moshe Ya’alon, besteht. Zwei Blau-Weiß-Abgeordnete, Zvi Hauser und Yoaz Hendel, wurden schon kurz nach den ersten Hochrechnungen gerüchteweise als mögliche Abtrünnige genannt, bezeichneten dies aber als »völligen Quatsch«.
Dann setzte der Likud auf recht unfeine Weise die Blau-Weiß-Abgeordnete Omer Yankelevich heftig unter Druck. Schon vor den Wahlen hatten geleakte Gesprächsmitschnitte von Gantz’ Be­rater Yisrael Bachar, die ausgerechnet sein Rabbiner heimlich aufgezeichnet hatte, die Runde gemacht, denen zufolge Yankelevich den Netanyahu-Heraus­forderer als einen »dummen Loser, der völlig ungeeignet ist, Ministerpräsident zu werden«, genannt haben soll. Es gebe noch mehr solcher Aussagen von ihr. Da wäre es doch besser, heißt es aus dem Likud, dass sie ihrer Partei gleich den Rücken kehre, bevor diese sie rausschmeiße, und sich dem rechten Lager anschließe.
Auch Orly Levy-Abekakis von der liberalen Partei Gesher gilt als eine Wackelkandidatin. Das katastrophale Abschneiden des Bündnisses Arbeitspartei-Gesher-Meretz am 2. März – man verlor noch einmal drei Mandate und kommt nun auf sieben Abgeordnete – könnte sie dazu motivieren, sich auf die Seite Netanyahus zu schlagen. Das seien alles nur Gerüchte, das werde nicht geschehen, betonen alle Betroffenen immer wieder.

Aber auch Gantz und sein Team sind nicht untätig geblieben. Er und Lieberman wollen nun auf dem Gesetzeswege eine weitere Amtszeit von Netanyahu blockieren – schließlich muss dieser am 17. März vor Gericht erscheinen, wo ihm wegen Korruptionsvorwürfen und Amtsmissbrauch reichlich Ungemach droht. Gleich zwei Gesetze möchte man initiieren: Das erste soll die Zahl der Amtszeiten eines Ministerpräsidenten auf maximal zwei beschränken – Ne­tan­yahu hat es bereits auf vier gebracht. Das zweite soll es unmöglich machen, eine Person zum Ministerpräsidenten zu ernennen, gegen die gerade ein gerichtliches Verfahren läuft. Dieses ­»Bibi-Gesetz« unterstützen auch die Linkszionisten und die Vereinte Ara­bische Liste. Netanyahus Gegner rechnen sich gute Chancen aus, so eine fünfte Amtszeit zu verhindern.

Doch selbst wenn Netanyahu von der Macht ferngehalten werden könnte – eine neue Regierung hat Israel damit noch lange nicht. Das Hauen und Stechen ginge dann wohl erst richtig los, weil mit dem Abgang Netanyahus völlig neue Konstellationen möglich wären. Unabhängig davon, ob das geschieht oder nicht – vorsichtshalber hat Israels Wahlkommission bereits einen Termin für eine vierte Parlamentswahl genannt. Das wäre dann der 8. September.