In Italien haben es kleine Fischereibetriebe in der Pandemie schwer – eine Reportage aus Livorno

Gefroren schlägt frisch aus dem Meer

Der Fischkonsum in Italien ist in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen, doch vor den Küsten des Landes wird immer weniger Fisch gefangen. Kleinere Fischereibetriebe haben es nicht leicht, wie an einem Unternehmen aus Livorno deutlich wird.
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Ein Croissant und ein Kaffee, das ist an diesem Donnerstag Donatos schnelles Frühstück in der ersten Bar, die in der Nähe des Hafens von Livorno frühmorgens bereits geöffnet hat. Wenn die Stadt noch schläft, fährt Donato mit seinem Lieferwagen zum Hafen der toskanischen Stadt. Dort liegt sein Fischerboot namens »Idea« vor Anker. Wenn es Montag wäre, würde er zusammen mit seinen beiden Brüdern und einem tunesischen Matrosen aufs Meer fahren. In den anderen Nächten hilft er beim Entladen der Ware, die er zusammen mit seiner Frau Anna auf Livornos Fischmarkt oder auf anderen regionalen Märkten verkauft.

Donato ist 60 Jahre alt. Seit seinem 14. Lebensjahr ist er Fischer und arbeitete zusammen mit seinen Brüdern und seinem Vater, der inzwischen im Ruhestand ist. Die meisten Fischer Livornos sind aus Süditalien in die Toskana gekommen. Donatos Familie kam aus Manfredonia in Apulien.

»Die Gastronomen und Supermärkte bevorzugen gefrorenen Fisch, der oft von weit her kommt – Importware zu niedrigeren Preisen.« Donato, Fischer aus Livorno

In Italien beschäftigt die Fischerei etwa 28 000 Menschen. Die Fischereiflotte umfasst knapp 13 000 Boote, die vor allem von Apulien und Sizilien aus ablegen. 69 Prozent der Boote sind weniger als zwölf Meter lang. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurden 2018 in Italien rund 206 000 Tonnen Fisch gefangen. Seit 1980 sind die Fangmengen beträchtlich gesunken, 1984 waren es noch etwa 481 000 Tonnen. Dieser Wert wurde seither nicht wieder erreicht.

Das hat mehrere Gründe. Die Kraftstoffpreise stiegen, es traten restriktivere Vorschriften in Kraft und bei Verstößen werden höhere Bußgelder verhängt. Zugleich verringerte sich der Fischbestand. 2017 teilte die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission mit, seit 1967 habe das Mittelmeer 34 Prozent seines Fischbestands eingebüßt. »Als ich anfing, auf See zu fahren, gab es in Livorno mindestens 30 Hochseefischereiboote, jetzt sind es nicht einmal mehr halb so viele«, sagt Donato. »Das liegt nicht am Generationenwechsel. Es gibt junge Leute, die die Tätigkeit der Familie fortsetzen, aber es ist inzwischen selten, dass sich jemand aus freien Stücken dafür entscheidet.«

Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO ist der Fischkonsum seit 1980 sowohl in Italien als auch weltweit nahezu kontinuierlich angestiegen. Donato sagt: »Die Gastronomen und Supermärkte bevorzugen gefrorenen Fisch, der oft von weit her kommt – Importware zu niedrigeren Preisen.« Inzwischen stammt mehr als die Hälfte des in Italien verkauften Fischs nicht aus italienischen Gewässern. »Da ich meine Ware auf den Märkten verkaufe, versuche ich, die Leute zu überzeugen, dass frischer Fisch aus dem Mittelmeer etwas ganz anderes ist«, sagt Donato. Er hat das Glück, seine Fische dank seiner Mitgliedschaft bei Coldiretti, dem größten italienischen Landwirtschaftsverband, auf verschiedenen Märkten der Toskana anbieten zu können. Das ermöglicht Donato, sein Geschäft weiterzuführen.

Im Hafen von Livorno verkaufen Fischer gewöhnlich an Passanten. Als wegen der Covid-19-Pandemie niemand mehr auf der Straße war, wurde kein Fisch mehr verkauft. Nun steht die Hochsaison bevor. Die größeren Boote werden die Fischer allerdings nicht so ausrüsten können, wie sie es sonst tun. Ein Freund von Donato sagt: »Diese Boote brauchen eine größere Besatzung. Die kann es derzeit nicht geben, da die Fischer sonst gegen Abstandsregeln verstoßen würden.«

Als die italienische Regierung Ende März die gesamte nicht lebenswichtige Produktion verbieten ließ, durften die Fischer weiter ausfahren, da die Fischerei als lebenswichtig gilt. »Die größten Verluste gab es nicht im Einzelhandel, wie wir ihn betreiben«, sagt Donato. »Besonders große Probleme gab es im Großhandel. Sehr viel Fisch wurde nicht verkauft, weil die Fischrestaurants geschlossen waren.« Von Mitte März bis Mitte Mai mussten die Restaurants in Italien schließen.

Die gewöhnlichen Wartungskosten eines elf Meter langen Motorboots, wie die »Idea« eines ist, liegen bei bis zu 2 000 Euro pro Jahr. Hinzu kommen die Kosten für die obligatorische Weiterbildung und gegebenenfalls anfallende Bußgelder. Donato sagt: »Es besteht kein Zweifel, dass die von Jahr zu Jahr erlassenen nationalen Vorschriften und die der EU auch für die Umwelt und die Sicherheit von Vorteil sind. Ich habe aber den Eindruck, dass dabei die Großunternehmen, die mit ihrer massenhaften industriellen Fischerei das Meer schwer beeinträchtigen, bevorzugt werden.« Vor allem in der nahegelegenen Hafenstadt Viareggio waren viele Fischer gezwungen, in den Dienst von Großunternehmen zu treten, um ihre Tätigkeit fortsetzen zu können.

Auf den Docks im Hafen von Livorno gibt es inzwischen Mülltonnen, um das Plastik zu entsorgen, das die Fischer im Meer oder in ihren Netzen finden. »Einmal fand ich einen Behälter, der in der Nähe der Küsten schwamm und aus dem eine giftige Flüssigkeit auslief; als ich nach Livorno zurückkehrte, setzte ich mich mit den Behörden in Verbindung, aber ich stand kurz davor, wegen illegaler Abfalltransporte angezeigt zu werden«, sagt Donato.

Ein Fischer wie Donatos jüngerer Bruder Massimo arbeitet bei gutem Wetter an die 20 Stunden pro Arbeitstag. Manchmal bleibt er bis zu drei Tage auf dem Meer. Samstage und Sonntage sind Ruhezeiten. Massimo sagt: »Wenn wir in See stechen, müssen wir unseren Zeitplan dem Büro des Hafenkapitäns mitteilen, ebenso bei der Rückkehr. Dann müssen wir die exakte Menge gefangener Fische mit ihrem exakten zoologischen Artennamen in lateinischer Sprache übermitteln.«

Wenn sie auch nur eine Zahl übersehen, kann das ein Bußgeld einbringen. as Leben von Massimo ist beschwerlich. Dennoch würden sein Bruder und er sich heutzutage wahrscheinlich immer noch für den Beruf des Fischers entscheiden. Das Meer erziehe zu Geduld und zum Schweigen, sagen sie. Donato erzählt: »Früher haben wir während des Fischfangs oft lange Gespräche zwischen den anderen Fischern im Funk mitgehört. Das ist selten geworden, weil es weniger Boote gibt.«