Forschen an der Nordsee

Feldforschung

Laborbericht Von

Reisen bildet, heißt es so schön. Und so hat die Kolumnistin in diesem Sommer keine Kosten und Mühen für eine Expedition in ein unwirtliches Ökosystem gescheut, das seinen Bewohnern einiges abverlangt: Brennende Sonne wechselt sich mit Sturm und Regen ab, sandige und teils salzige Böden sind nur etwas für spezialisierte Pflanzen und in der Gezeitenzone ändern sich die Lebensbedingungen permanent.

Nicht schwer zu erraten: Die Forschungsreise führte an die Nordsee, genauer, an die dänische Westküste, wo sich in der weitläufigen Dünenlandschaft nicht nur mit minimalem Ansteckungsrisiko Urlaub machen, sondern auch ganz prima citizen science betreiben lässt. Wer etwa zwischen dem allgegenwärtigen Strandhafer genauer hinschaut, kommt zu dem Schluss, dass die Gegend eigentlich Land der Schmetterlingsblütler heißen müsste: So viele verschiedene Vertreter der Bohnenverwandten mit ihren spiegelsymmetrischen Blüten bekommt man in den leergeräumten Landschaften Mitteleuropas kaum zu Gesicht.

Bei der genaueren Bestimmung hat sich die kostenlose App Flora Incognita bewährt, die auch botanischen Laien mit Hilfe von ein, zwei Fotos verrät, dass man es etwa mit Feld- und Wundklee, Vogelwicke oder der besonders spektakulären Strand-Platterbse zu tun hat. Letztere besticht nicht nur mit wunderschönen violett-weißen Blüten, sondern verbreitet sich auch bemerkenswert weit in Küstenregionen rund um den Globus: Die robusten Samen können bis zu fünf Jahre im Meer treiben und keimen erst, wenn sie an irgendeinem Strand ein Peeling durch Wellen und Sand erhalten.

Etwas gewöhnlicher erscheinen etwa Heckenrosen oder die mit den Blaubeeren verwandten Krähenbeeren. Die sind zwar nicht ganz so schmackhaft, aber die lokale Fauna ist nicht wählerisch. Zum Beispiel die großen Starenschwärme – von denen man sich übrigens fernhalten sollte, wenn die Vögel sich gerade mit den blauen Früchten vollgestopft haben und man kein Urlaubssouvenir auf dem T-Shirt haben möchte, das sich nicht rauswaschen lässt.

An Tieren wurden des Weiteren gesichtet: Feldhasen, Seehunde (aus respektvollem Abstand), Zauneidechsen und – was unter den Expeditionsmitgliedern für gemischte Gefühle sorgte – Kreuzottern. Die wechselwarmen Schlangen suchen sich gerne warme Plätzchen, um ihren Stoffwechsel auf Betriebstemperatur zu bringen. Leider ist das allzu oft ein Stück Asphalt: Ein Exemplar musste von einem Radweg gerettet werden, für ein zweites, am Straßenrand gefundenes, kam jede Hilfe zu spät. Natürlicherweise nehmen die Reptilien ihr Sonnenbad allerdings in den Dünen, auf das verlockende Barfußlaufen wurde deshalb nach einigen recht nahen Begegnungen verzichtet. Aber wenigstens erinnert der aus den Schuhen rieselnde Sand noch Wochen später an die Abenteuer in der wilden, exotischen Natur Dänemarks.