Beschwerden über deutsche Kommentare zur US-Wahl

Gockel zur Wahl

Das Medium Von

Das Zweitschönste an der Wahl des US-Präsidenten ist, dass man dabei sehr viel über Männer lernen kann. Selbstverständlich ist darunter nichts, was man nicht schon vorher gewusst hätte, aber so eindrücklich wie in der vergangenen Woche bekommt man beispielsweise das Wesen des Politgockeltums selten vorgeführt. Gegockelt wurde in sämtlichen Foren und Medien. Plötzlich waren sie nämlich alle USA-Experten und erklärten in länglichen Facebook-Postings und naturgemäß kürzlichen Tweets ihre Sicht der Dinge. Die bestand meistens in dem, was sie sich in den kostenlos von den großen Zeitungen wie der New York Times und der Washington Post zur Verfügung gestellten Artikeln mutmaßlich nur Minuten zuvor angelesen hatten: Mahnungen, dass der Trumpismus nicht am Ende sei, Analysen der Wählergruppen, Vorhersagen, wie es jetzt weitergehen könnte. Einfach bloß interessante Texte von US-amerikanischen Journalisten verlinken und den Leuten selbst überlassen, ihre Schlüsse daraus zu ziehen, geht nämlich nicht, wenn man unbedingt Koryphäe und mindestens genau so ein großer Experte sein möchte wie die anderen Gockel auch, schließlich könnte am Ende ein Podiumsplatz bei irgendeiner Veranstaltung herausspringen, oder eine Kommentarspalte, oder wenigstens die Anfrage eines Kleinverlags, ob man einen Aufsatz für einen Sammelband zum Thema schreiben könnte. Hatte ja leider beim Thema Corona und zwischendurch bei Qanon nicht geklappt, obwohl man da auch schon sehr angestrengt und unermüdlich bei US-Amerikanern abgeschrieben hatte.

Das war jedenfalls fast so interessant zu beobachten wie die Wandlung US-amerikanischer Auf-Gefühlen-anderer-Herumtrampler zu sensiblen Seelchen, die allerorten Rücksichtnahme verlangen, und zwar von denen, die sie zuvor verspottet, gemobbt, gequält hatten. Austeilen, aber nicht einstecken können, das ist wohl auch so ein neues Männerding.