Die Krise des Libanon zeigt sich besonders deutlich im verarmten Tripoli

»Jetzt gehen nur noch die Hungrigen auf die Straße«

Wegen der enormen Preissteigerungen können sich viele Libanesinnen und Libanesen die nötigsten Lebensmittel nicht mehr leisten. Die Wirtschaftskrise verschärft die Spannungen, eine Besserung der politischen Lage ist nicht in Sicht.
Reportage

Am al-Nour-Platz im Zentrum der libanesischen Hafenstadt Tripoli steigen abends beißende Rauchschwaden auf. Demonstrierende haben Autoreifen und Mülltonnen inmitten des belebten Kreisverkehrs in Brand gesetzt und blockieren die Straße. Sie machen ihrer Wut über die politische Stagnation und die desaströse Wirtschaftslage Luft. Soldaten eilen herbei und riegeln den ­Bereich ab – ansonsten schauen sie dem Treiben gelassen zu. Auch in anderen Städten kommt es zu Protesten und Straßenblockaden.

Kurz zuvor, am Montag voriger Woche, war die 18. Runde der Konsultationen über die Kabinettsbesetzung gescheitert. Seit Ministerpräsident Hassan Diab am 10. August 2020 als Reaktion auf die verheerende Explosion im Bei­ruter Hafen zurückgetreten ist, schlingert das Land ohne Regierung durch die schwerste Krise seit dem libanesischen Bürgerkrieg (1975–1990). Die Preise steigen rasant, vor allem weil der Wert der Währung des importabhängigen Landes rasch gesunken ist. Für einen US-Dollar mussten in der vergangenen Woche 15 00 libanesische Pfund gezahlt werden – ein Wertverlust von 90 Prozent im Vergleich zu 2019, als die Landeswährung noch zu einem festen Wechselkurs von 1:1 00 an den US-Dollar gekoppelt war. Der Benzinpreis hat sich seit November 2020 fast verdoppelt, die Preise für viele Lebensmittel haben sich sogar vervierfacht. Die Entscheidung der Regierung, die Subventionen für Mehl und Treibstoff zu kürzen, haben dazu beigetragen.

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