Die rechtsextremen Hammerskins sind hierarchisch organisiert

Internationale Bruderschaft

Die Hammerskin Nation ist eine weltweit einzigartige Nazi-Organisation. Sie ist straff organisiert, gewaltbereit und international vernetzt.

In den achtziger Jahren entstand in zahlreichen Ländern eine explizit rechtsextreme Skinhead-Szene, die sich durch einen gemeinsamen Musik- und Kleidungsstil auszeichnete. 1988 wollten US-amerikanische Nazi-Skinheads in Texas und Oklahoma über das bloß Subkulturelle hinausgehen. Ihnen schwebte eine Eliteorganisation für rechte Skinheads vor. So entstanden die Confederate Hammerskins, die erste Hammerskin-Gruppe. Bald gab es in den ganzen USA Chapter, wie nach dem Vorbild der Motorradgangs lokale Gruppen genannt werden. 1990 gründete der Schweizer Neonazi Patrik Iten den ersten europäischen Ableger.

Die Hammerskins verstehen sich als Elite, auch im Verhältnis zur restlichen Naziszene.

Die Hammerskins legten bei ihrer Expansion weiter Wert auf Organisation und Hierarchie. Als in den neunziger Jahren neue Chapter in Deutschland (zuerst in Berlin und Sachsen) und in anderen europäischen Ländern entstanden, wurde in den USA ein internationaler Dachverband gegründet, der über die Einhaltung von Standards wachen sollte: die Hammerskin Nation (HSN). Diese veröffentlichte ein für alle Chapter verbindliches Regelwerk, eine »Verfassung«. Auch in Europa gab es bald regelmäßige Treffen von Vertretern aller Chapter, bei denen man gemeinsam Entscheidungen traf.

Die Hammerskins strebten an, hierarchisch und straff organisiert zu sein, wie eine Rockergang. Dieses Konzept schien für Nazis in ganz Europa attraktiv zu sein, bald gab es immer mehr Chapter in zahlreichen Ländern. Nur die osteuropäischen Gruppen wurden bald wieder ausgeschlossen – wegen des Rassismus der westeuropäischen Mitglieder. Rechtsextremer Internationalismus scheint dann doch nicht ohne ­Widersprüche zu haben zu sein.

Die Organisation wuchs eine Zeitlang rasant. Erst 2011 wurde das Skin-Idyll durcheinandergewirbelt. In Deutschland kam es zur Verhaftung eines Mitglieds wegen Waffenbesitzes, zudem enttarnte sich das NSU-Kerntrio selbst und lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Rechtsterrorismus. 2012 ermordete ein Hammerskin in Wisconsin zahlreiche Mitglieder einer Sikh-Gemeinde. Und 2013 wurde eine erste tiefgehende Antifa-Recherche zu den Hammerskins veröffentlicht. Diese mussten sich neu sortieren; einige Chapter wurden zum Schein oder tatsächlich aufgelöst; andere wurden neu gegründet. Derzeit hat die HSN 13 aktive Chapter in Deutschland, zwölf weitere in Europa und zehn außerhalb Europas.

In einer ausgiebigen, verdienstvollen Recherche hat das Netzwerk Exif nun einen Überblick über Geschichte, Struktur, Ideologie und Organisation der Hammerskins vorgelegt. Als »weltweit einzigartiger Lebensbund« werden die Hammerskins dort beschrieben. Seit Jahrzehnten sei es der Organisation ­gelungen, ein eng gestricktes internationales Nazi-Netzwerk zu bilden. Die ­Organisation sei der »Verschwiegenheit und Loyalität verschrieben«, sie könne »in kürzester Zeit beachtliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellen« und »als Unterstützernetzwerk für Straftäter und Betroffene staatlicher Repression« dienen.

Modelliert sei die Organisation nach dem Vorbild krimineller Rockergangs wie den Hells Angels. Die Chapter funktionieren wie eine Gang; intern werden Zusammenhalt und Loyalität gepredigt, nach außen wird eine enorme Droh­kulisse aufgebaut. Die Hammerskins verstehen sich als Elite, auch im Ver­hältnis zur restlichen Naziszene. »Hammerskins lead the way« lautet ein beliebter Slogan.

Dem Verfassungsschutz zufolge stellen die Hammerskins als eine »vergleichsweise straff organisierte, hierarchische Organisation« eine »Ausnahme« in der Naziszene dar. Wie Rockergangs tragen die Hammerskins Kutten mit zahlreichen Wappen und Insignien. Das Wappen der HSN, das jedes Vollmitglied trägt, zeigt gekreuzte Zimmermannshämmer, umrandet von einem Zahnrad.

Das Leben als Hammerskin nimmt die Vollmitglieder ziemlich ein, es kostet Geld und Zeit. Trotzdem haben die Mitglieder bürgerliche Berufe. Einer arbeitete sogar beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Mehrmals im Jahr gibt es Treffen auf nationaler und auf europäischer Ebene. Hinzu kommen jährlich ein Sommer- und ein Wintercamp. Vor allem aber veranstalten die Hammerskins Konzerte und Festivals (»Hammerfest«). Sie betreiben auch Labels, bringen Rechtsrock-CDs heraus und treten als »Dienstleister« für andere Nazi-Events auf, stellen etwa den Sicherheitsdienst oder andere Strukturen zur Verfügung.

In der Hammerskin-Szene wird großer Wert auf Fitness gelegt. Zwar wirkt heute, da junge Rechtsextreme auch in maßgeschneiderten Anzügen im Bundestag sitzen, das Bild des muskelbepackten und zu jeder spontanen Schlägerei bereiten Neonazis mit glattrasiertem Schädel etwas anachronistisch – die Hammerskins halten jedoch weiter am Körper- und Fitnesskult fest. Damit bewahren sie eine Subkultur, deren Vorreiter sie einst waren: 1995, lange bevor die körperliche Ertüchtigung in den nuller Jahren zum Massenphänomen wurde, propagierte etwa das der HSN nahestehende US-amerikanische Resistance Magazine den Beitritt zu Box- oder Fitnessclubs. So könne man die eigene Lebensqualität und die Chance erhöhen, eine »gesunde, genetisch begnadete« Partnerin zu finden.

1999 schrieb einer der Gründer der Hammerskins in den USA in der Anleitung »What makes a Hammerskin«: Der Hammerskin solle sich zum »Übermenschen« erziehen und sich dementsprechend immer weiter optimieren.

Aus ihrem Faible für Gewalt und Terror haben die Mitglieder der HSN nie einen Hehl gemacht. Ein ständig wiederholtes Motiv der Ideologie der HSN ist der sogenannte »Endkampf«, bei dem alle Gegner ausgeschaltet werden sollen. Den Tag, an dem dies vermeintlich geschehen wird, nennen die Hammerskins »Tag X«.

Da überrascht es wenig, dass Verbindungen der Hammerskins zum terroristischen NSU bestanden. Thomas Gerlach, der dem Chapter Sachsen angehörte, unterhielt jahrelang enge Kontakte zu den NSU-Unterstützern Ralf Wohlleben und André Eminger. Mehrmals musste Gerlach als Zeuge beim NSU-Prozess aussagen, wobei er größtenteils behauptete, sich an nichts erinnern zu können. Der Richter befragte ihn auch zu den Hammerskins, doch zu ihnen wollte sich Gerlach überhaupt nicht äußern und begründete dies mit seinem »Wertegefühl«. Bei der dritten gerichtlichen Vernehmung Gerlachs trug der Angeklagte Eminger ein T-Shirt mit der Aufschrift »Brüder schweigen bis in den Tod« – einem Motto der Hammerskins –, was nicht nur das Gericht als Botschaft an den Zeugen verstand. Bislang wurden die Verbindungen des NSU zu den Hammerskins jedoch kaum aufgeklärt – so wie das übrige Unterstützungsnetzwerk.