Beim Ghostwriting für Politiker geht es darum, mit vielen Worten wenig zu sagen

Professionelles Nichts

Ghostwriting für Politiker ist die Kunst, auf geschickte Weise nichts zu sagen. Wer hier am Honorar spart, kann leicht in Schwierigkeiten geraten.

»Wenn Arme zu ihm schrien, so weinte Cäsar; / Die Herrschsucht sollt’ aus härterm Stoff bestehn. / Doch Brutus sagt, dass er voll Herrschsucht war, / und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.« – Der römische Konsul Marcus Antonius (86–30 v. Chr.), ein Gefolgsmann Gaius Julius Cäsars, war nachweislich ein erfolgreicher Feldherr und Politiker. Ob er auch ein so brillanter Redner war, wie die hier zitierte Trauerrede für Cäsar nahelegt – wir wissen es nicht. Dieses rhetorische Meisterstück entstand mehr als 1 600 Jahre später. Geschrieben hat es William Shakespeare, der zwar nicht damit beauftragt worden war, aber im Theaterstück »The Tragedy of Iulius Caesar« ein so breitenwirksames wie nachhaltig positives Bild von Antonius kreierte, dass man ihn dafür als posthumen Ghostwriter bezeichnen könnte. In den Werken seriöser Historiker mag sich eine etwas differenziertere Darstellung dieses Herrn finden, aber wer liest die schon.

Ghostwriting ist eine handwerkliche Dienstleistung, die einzig und allein den Wünschen des Auftraggebers verpflichtet ist. Ist dieser ein Politiker, geht es offenkundig ums Image. Für die flammenden Reden, klugen Essays oder gar Bücher, mit denen der Ghostwriter an diesem Image arbeitet, ist es letztlich nicht entscheidend, ob es tatsächlich substantielle Positionen des Auftraggebers zu irgendeinem Thema gibt und er nur engagiert wurde, um diesem die Zeit für eine gefällige Ausformulierung zu sparen, oder ob solche Inhalte fehlen und er sich deshalb mit Dampfplauderei behelfen muss. Das Ziel bleibt dasselbe: Aufmerksamkeitsgewinn bei potentiellen Wählern, Kunden oder Geschäftspartnern durch Beiträge, die fachliche Expertise und eine der Zielgruppe sympathische Haltung offenbaren oder zumindest suggerieren.

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