»Die Partei« ist der zur Partei ­gewordene Herrenwitz

Unwählbar

Sie ist der Partei gewordene Herrenwitz, dessen billige Pointe jeder kennt, und dennoch wird man sie einfach nicht los. Mit schalen Späßen und der Reproduktion sexistischer und rassistischer Stereo­type nervt »Die Partei« ihrem Ende entgegen.

Es ist still geworden um Martin Sonneborn. Der ehemalige Chefredakteur des Satiremagazins Titanic und Bundesvorsitzende der Satirepartei »Die Partei« sitzt seit 2014 als Abgeordneter im Europäischen Parlament. Schon lange kriegt man von ihm kaum mehr mit als die regelmäßige Titanic-Kolumne »Bericht aus Brüssel«. Sonneborn scheint den Zenit seiner Popularität längst überschritten zu haben. Viele frühere Weggefährten sind aus »Die Partei« ausgetreten und haben sich anderen politischen Projekten zugewandt. Prominente Unterstützer, wie einst die Band K.I.Z, scheint »Die Partei« nicht mehr zu haben. Cool sieht anders aus.

Politikverdrossene Kleinbürger­lichkeit hat linken Ansichten bei »Die Partei« längst den Rang ab­ge­laufen.

Womöglich ist es das, was Sonneborn abhanden gekommen ist: das Gespür für die Gegenwart. Sein humoristischer Ansatz erinnert sehr an seine alte Zeit als Titanic-Chefredakteur. Nun zieht es Martin Sonneborn nach Berlin, wo er die Partei beim Wahlkampf für das Berliner Abgeordnetenhaus unterstützt und selbst auf dem Listenplatz sechs kandidiert. Doch auch diese Kampagne ist mehr Trauerspiel als relevante politische Satire.

Auf den ersten Listenplätzen stehen mit Annie Tarrach, Andrea Kübert und Anna Katz drei Frauen. Für »Die Partei« ist das überraschend, hat die Partei doch nach eigenen Angaben nur knapp über 20 Prozent weibliche Mitglieder. Doch wofür Tarrach und ihre Mitstreiterinnen stehen, ist unklar. Außer der Reproduktion sexistischer Stereotype ist in ihrer Kampagne kein roter Faden auszumachen. Hier und da ein paar Witze darüber, dass die Kandidatinnen Frauen sind – an so etwas wie Feminismus und emanzipatorische Ideen reicht das nicht heran. Für eine Partei, die sich ansonsten einen linken Anstrich gibt, ein zumindest ungutes Zeichen.

Auch an politischen Fehlgriffen fehlt es nicht. So hatte Martin Sonneborn ein Foto veröffentlicht, auf dem er in einem T-Shirt zu sehen war mit der Aufschrift »Au Wiedelsehern, Amlerika! Habem Sie Guter FrLug runtel! Plinted in China. Fü Die Paltei«. 2011 posierte er in Blackface in Anspielung auf Barack Obama auf einem Wahlplakat. Sonneborn ist auch um »Israelkritik« nicht verlegen. So schrieb er zum Krieg in Bergkarabach, in dem Armenien große Teile des Gebietes an Aserbaidschan verlor: »Israel, d. h. Überlebende eines Völkermords (begangen von Deutschen), liefert fortlaufend Drohnen an Aserbaidschan, mit denen Armenier, Überlebende eines Völkermords (mitverantwortet von Deutschen), im zivilen Bergkarabach bombardiert werden. Während Deutschland zusieht. Bizarr.« Es war nicht das erste Mal, dass Sonneborn versuchte – ganz wiedergutgewordener Deutscher –, Israel über das korrekte Verhältnis zur Shoah zu belehren.

Immer wieder tauchen in einzelnen Ortsverbänden rassistische, sexistische, misogyne oder frauenverachtende Wahlplakate und Kampagnen auf. Da ist der vom Bundesverband durchgewinkte Bierdeckel, der unter dem Titel »Fummelzettel« als Formular gestaltet ist, auf dem zwei Personen ihre Einwilligung außer in sexuelle Praktiken auch in verbale Belästigung, Stalking und die einseitige Verabreichung von K.O.-Tropfen erteilen können. Oder die misogynen Plakate und Sharepics, die mit ihrer Bildsprache Frauen zu Objekten degradieren, wie sie vor allem im von der Partei selbst so genannten »Sex-Wahlkampf« 2017 vorkamen.

Ein vor einigen Monaten verbreitetes Bild nahm beispielsweise Bezug auf die »Pinky Gloves«- das sind pinke Einmalhandschuhe, die dazu dienen sollen, einen Tampon »diskret« zu entfernen. Das von zwei Männern entworfene abstruse Produkt rief vor einigen Monaten viel Irritation und Empörung hervor – eigentlich ein gutes Ziel linker Satire. »Die Partei« reagierte darauf unter anderem mit einem mittlerweile gelöschten Sharepic des Ortsverbands Backnanger Bucht, das einen Handschuh zeigte, der bis zum Schultergelenk reicht – für »Schlampen«. Ein abgebildeter Fingerhandschuh sei für Frauen, die »fast zu eng zum f*cken« seien.

Da sind die Äußerungen derer, die auf Social-Media-Plattformen sexuelle Übergriffe durch »Die Partei«-Mitglieder schildern, und da ist der Parteivorsitzende Martin Sonneborn, der den dort kritisierten Sexismus mit: »Ja. Das hören wir vor – gähn – jeder Wahl … Smiley« beantwortet. Sonneborn steht mit solchen Fehltritten, wenn sie als solche überhaupt noch zu bezeichnen sind, nicht allein. Medien berichteten von sexuellen Übergriffen in der Partei, 2019 unterzeichneten über 100 Mitglieder einen offenen Brief, in dem sie die sexistische Atmosphäre in der Partei kritisierten.

Auch andere heikle Personalien finden sich bei »Die Partei«. 2021 machte Sandra Gabriel von sich reden. Als aktives Mitglied der Querfront-Partei »Freie Linke« demonstrierte sie in den vergangenen Monaten gegen die Coronamaßnahmen. Am 19. Juni sprach sie in Dresden bei einer »Querdenken«-Kundgebung: »Die Herrschenden sind Söldner des internationalen Finanzkapitals. Sie haben diese Markthörigkeit, diese neoliberale Wahnidee verinnerlicht. Die Weltdiktatur des Finanzkapitals ist stärker als alle Staaten.«

Gabriel zeigt nicht nur inhaltliche Nähe zu antisemitischen Verschwörungstheorien, sie hatte in den vergangenen Monaten keine Berührungsängste mit Akteuren der rechten Szene. Am 27. Februar störte sie zusammen mit dem Rechtsextremisten Sven Liebich ei­ne Antifa-Demonstration, dabei wurde auch der Hitlergruß gezeigt, wie ein Video belegt. 2017 war Gabriel Spitzenkandidatin bei den Bundestagswahlen auf der Landesliste Saarland – und mindestens bis März dieses Jahrs war sie noch Mitglied bei »Die Partei«. Ein Ausschlussverfahren habe es auch danach nie gegeben, hieß es aus informierten Parteikreisen.

Bei all dem, was schon vorgefallen ist, scheint sich die Frage nach dem Programm fast zu erübrigen. Ja, es gibt eines: Ein bisschen Bier hier, ein bisschen Schwarzfahren und Elitenförderung da. Fundierte Kritik enthält es – ganz nach dem Parteimotto »Inhalte überwinden« – nicht. Es wird offensichtlich, dass bei dem ganzen bierseligen Herrengewitzele substantielle linke Forderungen und oder gar Erfolge nicht zu verzeichnen sind. Politikverdrossene Kleinbürgerlichkeit hat linken Ansichten bei »Die Partei« längst den Rang abgelaufen. Es bleibt die Frage: Was nützt Satire, wenn sie nur noch die Realität zitiert und längst Teil der Verhältnisse geworden ist, denen sie einst den Kampf ansagte?