Das Medium: Berlin glitzert nicht

Die arme Stadt

Kolumne Von

Die Stadt glitzert nicht, wie sollte sie auch, so ganz ohne Fjord und nur mit einem mäßig glamourösen Fluss und trüben Kanälen. Und Einwohnern, die zwar ihr Bestes tun, so zu wirken, als sei ihr Lebensplatz immer noch unfassbar hip, aber gleichzeitig ahnen, dass es vorbei ist mit dem schicken und so immens künstlerisch-wilden Berlin. Und dass sehr bald eine andere Stadt zum absoluten In-Dingens ausgerufen wird und sie dann allein mit einer großen Menge deutscher B-Prominenz plus Start-up-Gründern gelassen werden. Und es gleichzeitig keinen Weg zurück ins alte Idyll gibt.
Die schönen billigen Altbauwohnungen sind beispielsweise längst aufgehübscht und teuer an irgendwelche Schauspieltreibenden vergeben, damit sie etwas zu wohnen haben, wenn es ihnen alle paar Wochen auf dem Landsitz zu langweilig wird. Aber noch wird krampfhaft der Eindruck aufrechterhalten, dass man sich im Epizentrum des internationalen Großartigkeitstums befindet, mindestens. Und das werde alles schon wieder, ganz bestimmt.
Die arme Stadt, die zum neuen Berlin werden wird, weiß noch gar nichts von ihrem Unglück, das ist immer so. Sie müssen in Sicherheit gewogen werden, aber dann wird alles ganz schnell gehen, die Vertreibung aus den heimeligen Wohnungen und Stadtteilen, die Verdrängung charmanter Kneipen, Läden, Restaurants, die Verzweiflung, wo man denn nun hin soll, alles wird ganz schnell hereinbrechen über, sagen wir, Duisburg. Oder Dingens.
Aber noch wird eben so getan, als ob alles wie immer sei, hier in der Stadt am nicht glitzernden Fluss, und außerdem wird ja jetzt gewählt, ganz wichtig, man muss bloß die richtige Partei wählen und dann wird alles ganz super, es wird massenhaft neue Wohnungen geben und neue Parks und Radwege und Kultur an jeder Ecke, und vielleicht glauben sie das alle wirklich, man weiß es nicht. Es ist ein großes Elend.