30 Jahre UN-Friedensabkommen zur Beendigung des Bügerkriegs in Kambodscha

Demokratisierung gebremst

Vor 30 Jahren wurden die Friedensabkommen von Paris unterzeichnet, die den Konflikt in Kambodscha beenden sollten. Doch das Land hat sich nicht wie erhofft demokratisiert.

Zumindest über eine neue Banknote dürfen sich die Kambodschanerinnen und Kambodschaner freuen. Am 23. Oktober feierten Kambodschas Ministerpräsident Hun Sen und seine Kambodschanische Volkspartei (Kanakpak Pracheachon Kâmpuchéa, KPK) im Friedenspalast in Phnom Penh den 30. Jahrestag der Pariser Friedensabkommen. Zu diesem Anlass wurde eine neue Banknote im Wert von 30 000 Riel (umgerechnet rund 6,30 Euro) ausgegeben, auf der Hun Sen und König ­Sihanouk abgebildet sind.

Am 23. Oktober 1991 hatten neben den kambodschanischen Bürgerkriegsparteien einschließlich der Roten Khmer regionale Nachbarstaaten und Großmächte, die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sowie andere Staaten die Friedensverträge unterzeichnet, die den im Land schwelenden Bürgerkrieg beenden sollten. 1975 hatten die Roten Khmer unter Pol Pot in Kambodscha die Macht übernommen und ein genozidales Regime errichtet. Vietnamesische Truppen besetzten im Winter 1978/1979 das Land und stürzten das Regime, die Roten Khmer begannen einen Guerillakrieg gegen die neue provietnamesische ­Regierung.

»Das wichtigste politische Ziel der Pariser Friedensabkommen, das im eigentlichen Text nur implizit ent­halten war, bestand darin, den Kalten Krieg in Asien zu beenden.« Sebastian Strangio, Autor von »Hun Sen’s Cambodia«

Die Vereinbarung hatte zur Folge, dass die Vereinten Nationen ihre bis dato größte und teuerste Friedensmission unternahmen, die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Kambodscha (UNTAC). Sie basierte auf der UN-Resolution 745 vom 28. Februar 1992 und fand von Mai 1992 bis November 1993 statt. Ihr Ziel war es, die Kriegsparteien zu entwaffnen, eine Verfassung zu erarbeiten, Wahlen vorzubereiten und in diesen 18 Monaten das Land zu verwalten; 20 000 Blauhelmsoldaten wurden nach Kambodscha entsandt. Die Uno setzte in diesen ersten Friedensschluss nach dem Ende des Kalten Kriegs große Hoffnung. »Es war der große Traum, mit der Friedensmission einen demokratischen Staat zu ­erschaffen«, so Daniel Bultmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.

Zumindest in Teilen war der UN-Einsatz erfolgreich. Am 23. Mai 1993 fanden in Kambodscha Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung statt, die dann eine Verfassung ausarbeitete, auf die sich alle Beteiligten einigten, und staatliche Strukturen wurden aufgebaut. Aber das Anliegen der UNTAC, Frieden zu schaffen, scheiterte zunächst, weil sich die Bürgerkriegsparteien nicht entwaffnen lassen wollten und die Kämpfe wieder aufflammten, als die Roten Khmer 1992 aus dem Friedensprozess ausstiegen. Begonnen hatten erste bewaffnete Konflikt in Kambodscha bereits Mitte der sechziger Jahre, dem folgten Jahrzehnte an Konflikten und Bürgerkriegen mit unterschiedlicher Intensität und wechselnden Konfliktparteien. Letztlich endete diese Periode erst 1998, als die Roten Khmer sich auflösten.

Die Hoffnung auf einen sich demokratisch entwickelnden Staat starb spätestens nach den Wahlen 1993, als Hun Sens KPK nur auf den zweiten Platz kam, das Ergebnis nicht akzeptierte und mit der Spaltung des Landes drohte. Die UNTAC gab den Erpressungsversuchen nach und setzte Hun Sen als Zweiten Ministerpräsidenten ein, neben dem Ersten Ministerpräsidenten, Prinz Norodom Ranariddh. Dieser ist der zweite Sohn von König Sihanouk und war seit Februar 1992 Präsident der monarchistischen Partei Nationale Einheitsfront für ein unabhängiges, neu­trales, friedliches und kooperatives Kambodscha (FUNCINPEC), die die Wahlen von 1993 gewonnen hatte. In den achtziger Jahren hatte die FUNCINPEC gegen die vom kommunistischen Vietnam eingesetzte Regierung der Volksrepublik Kampuchea gekämpft.

Mit der staatlichen Verwaltung durch die UNTAC habe man die Netzwerke Hun Sens gestärkt, sagt Bultmann, weil man es verpasst habe, die von ihm­ geschaf­fenen Strukturen aufzubrechen. »Außerdem hat Hun Sens Verwaltung auch an der UNTAC vorbei gearbeitet«, so der Asienwissenschaftler. Zudem bestand international kein Interesse daran, das Mandat für die UNTAC zu erweitern, um Hun Sens Machtzuwachs aufzuhalten. »Es bestand die große Hoffnung, dass der alte und neue König Sihanouk die integrierende Kraft im Land sein würde«, erläutert Bultmann. »Diese Hoffnung ist geplatzt.«

Sebastian Strangio, Journalist beim Nachrichtenmagazin The Diplomat und Autor des Buchs »Hun Sen’s Cambodia«, betont: »Das wichtigste poli­tische Ziel der Pariser Friedensabkommen, das im eigentlichen Text nur implizit enthalten war, bestand darin, den Kalten Krieg in Asien zu beenden, die äußeren Mächte von den inneren Kämpfen Kambodschas zu lösen und die Politik wieder in die Hände der Kambodschaner zu legen.« Dieses Ziel wurde im Großen und Ganzen erreicht, auch wenn der bewaffnete Konflikt noch ein paar Jahre weiterging und es bis heute zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen demokratische Verfahren in Kambodscha kommt. Insbesondere die Repressalien gegen die Zivilgesellschaft seien eine grobe Verletzung der Menschenrechte, so Strangio. Während die Opposition den Friedensvertrag als Meilenstein betrachtet habe und sich weiterhin darauf berufen werde, wenn es um ausländische Unterstützung gehe, sähen ihn der Ministerpräsident und die KPK als Werkzeug, das erschaffen worden sei, um Hun Sens »Anspruch auf die Macht im Lande zu ­unterminieren«, sagt Strangio.

Bultmann meint, eine ganze Generation sei im Geiste des Vertrags sozialisiert worden, in der Bevölkerung bestehe immer noch große Hoffnung auf ein demokratisches und rechtsstaatliches System. Ein weiteres Erbe des Friedensabkommens sei eine lange und starke Präsenz der Entwicklungszusammenarbeit in dem kleinen südostasia­tischen Land. Das habe dazu beigetragen, dass sich die Lebensbedingungen der kambodschanischen Bevölkerung signifikant verbessert haben und dass »die Zivilgesellschaft weiter existiert und es eine große Zahl nationaler und internationaler Beobachter im Land gibt«.

Allerdings ist diese Zivilgesellschaft sehr geschwächt. Am Vorabend des ­Jahrestags des Friedensabkommens gab es vor der französischen Botschaft in Phnom Penh Proteste, aber nur sehr kleine. Augenzeugenberichten zufolge hatten sich rund 20 Frauen zusammengefunden, um gegen Hun Sen und für die Einhaltung des Friedensabkommens zu demonstrieren. Die Polizei rückte mit etwa 40 Beamten an, es kam zu Rempeleien und Tritten. Auch gegen die Presse ging die Polizei vor. Bereits zuvor waren einige Journalisten abgewiesen worden, und die wenigen, die sich schließlich vor der Botschaft einfanden, schickten Polizisten schnell wieder weg.