Dem britischen Premierminister Boris Johnson könnte »Partygate« zum Verhängnis werden

Johnsons Partykater

Nach dem Skandal um illegale Feiern an seinem Amtssitz wird es für den britischen Premierminister Boris Johnson politisch eng.
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Boris Johnson nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, er ist opportunistisch und exzentrisch. Dennoch gewann der britische Premierminister im Laufe seiner politischen Karriere immer wieder viele Stimmen, offenbar nicht trotz, sondern wegen dieser Eigenschaften. Denn wer gewinnt, hat recht. Und Johnson hat viel gewonnen: die Kämpfe gegen die parteiinterne Konkurrenz, Parlamentswahlen und als einer der Anführer der »Leave«-Kampagne gar das Referendum über den britischen EU-Austritt. Nun droht er ­wegen einiger Trinkgelage seine Macht zu verlieren. Johnson, der Siegertyp und »Brexit«-Macher, ist zum Problem für seine Konservative Partei geworden. Was vorher als Ausdruck seines unkonventionellen Charakters dargestellt wurde, gilt plötzlich als Makel.

Genüsslich kolportierten britische Medien in den vergangenen Wochen Einzelheiten über das skandalöse Verhalten zahlreicher Regierungsmitarbeiter, die trotz Lockdowns und strikter Kontaktbeschränkungen 2020 Partys in 10 Downing Street, dem Amtssitz des Premierministers, feierten. Von einem »Saufkoffer« war die Rede, mit dem Nachschub für die exzessiven Feiern transportiert worden sei, und von einer Kinderschaukel in einem Vorgarten, die die Partygäste zerbrachen.

Johnsons Büroleiter hatte im Mai 2020 per E-Mail etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einer Gartenparty eingeladen. Dann war von einer Weihnachtsfeier im Dezember desselben Jahres die Rede. Mittlerweile sind weitere Partys bekannt geworden, bei mindestens sieben Gelegenheiten. Das Boulevardblatt Mirror berichtet, dass sich Johnsons Stab 2020 regelmäßig zu »wine-time Fridays« getroffen habe. Der Premierminister habe seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ermuntert, »Dampf abzulassen«.

Alle diese Treffen verstießen gegen die damaligen strengen Kontaktbeschränkungen, die die Regierung wegen der Pandemie erlassenen hatte. Mehr als 152 000 Menschen sind im Vereinigten Königreich an Covid-19 gestorben. Die Geschichten über die illegalen Partys haben bei vielen Freunden und Angehörigen der Opfer Schmerz und Wut ausgelöst, eine Mischung, die »potentiell tödlich ist für die gesamte Konservative Partei«, wie es kürzlich im Guar­dian hieß.

Wie die Sunday Times berichtete, plant Johnson nun, einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlassen und eine Reihe von »populistischen Ankündigungen« zu tätigen, um seine Haut zu retten. Dazu soll auch zählen, die verbliebenen Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie bis Ende Januar endgültig aufzuheben. Die Kritik reißt dennoch nicht ab, selbst von Abgeordneten seiner eigenen Partei. Johnson habe das Parlament getäuscht, sagte der konservative Abgeordnete Roger Gale vergangene Woche der BBC. Er sei nun ein »dead man walking«, ein Premierminister auf Abruf. Der Vorsitzende der schottischen Konservativen, Douglas Ross, forderte Johnson zum Rücktritt auf.

Johnsons Ansehen sinkt, seine Exzentrik passt nicht mehr zur Krise. Weder ist Großbritannien gut durch die Pandemie gekommen noch erweist sich der EU-Austritt bislang als die versprochene Erfolgsgeschichte. Von einem neuen glorreichen Empire ist nichts zu sehen, stattdessen gibt es Lieferschwierigkeiten, Handelsrückgang und endloses Gezerre um Nordirland. Darin liegt Johnsons Problem, nicht in den feuchtfröhlichen Trinkgelagen und Weihnachtsfeiern.

Im Dezember verloren die Konservativen bei einer Nachwahl im Wahlkreis North Shropshire einen Sitz im Unterhaus an die Liberaldemokraten. Mit nur einer Unterbrechung hatten die Konservativen den Sitz des Wahlkreises fast 200 Jahre lang inne.
Die Labour-Partei liegt in Umfragen derzeit zehn Prozentpunkte vor den Konservativen. Kaum etwas können Tories weniger verzeihen als Erfolglosigkeit. Für Boris Johnson wird es eng.