Die Verflechtungen zwischen der Landesregierung von ­Mecklenburg-Vorpommern und Gazprom

Der Umwelt zuliebe

Mit der landeseigenen Stiftung Klima- und Umweltschutz MV umging die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern US-amerikanische Sanktionen, um den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 abzuschließen. Mittlerweile würde die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die Stiftung am liebsten auflösen.

Lange hielt Manuela Schwesig (SPD), die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, an der Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 fest. Erst nachdem die Bundesregierung das im November vorigen Jahres bereits ausgesetzte Zertifizierungsverfahren der Pipeline Ende Februar aufgrund der Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lu­hansk durch Russland – zwei Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine – endgültig abgebrochen hatte, gab auch Schwesig das Projekt auf.

Weiterhin tätig ist allerdings eine In­stitution, die mit dem Pipelinebau eng verbunden ist: die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV. Gegründet wurde sie vom Landtag Mecklenburg-Vorpommerns in einer Sondersitzung am 7. Januar 2021, der entsprechende Ka­binettsbeschluss der Landesregierung war nur zwei Tage zuvor erfolgt. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge hatte die Nord Stream 2 AG die Landesregierung bei der Gründung der Stiftung unterstützt und beraten. Der heutige Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel (SPD), der zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung Landesenergieminister und als solcher für die Ausgestaltung der Stiftungssatzung zuständig war, sagte der Zeit, die Idee zur Gründung der Stiftung sei aus der Korrespondenz mit einem Nord-Stream-Vertreter heraus entstanden. Mutmaßlich handelte es sich bei diesem Vertreter um Steffen Ebert, den Communications Manager Germany von Nord Stream 2. Dem NDR zufolge gab Ebert der Landesregierung Tipps für die Öffentlichkeitsarbeit. Er habe vorgeschlagen, »die Stiftung mit einem Augenzwinkern als ›smarte Antwort‹ auf das Hardliner-Gebaren der USA zu posi­tionieren«, zitiert der NDR aus Ministerialakten, die ihm vorlägen. Genau dieser PR-Strategie folgten dann Schwesig und ihre Landesregierung.

Ein Großteil des Kapitals für die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV kam von Nord Stream 2: Das Gazprom-Tochterunternehmen überwies 20 Millionen Euro.

Die Stiftung selbst betätigte sich sogar unternehmerisch im Sinne des Pipelinebetreibers und kaufte zum Beispiel einen 5 600-Tonnen-Frachter mit Krananlage, um die Gasröhre mit Steinaufschüttungen zu befestigen und so den Bau fertigzustellen. Womit freilich die bereits damals bestehenden US-amerikanischen Sanktionen umgangen wurden, denn diese richteten sich nicht gegen staatliche deutsche Stellen, die als Auftraggeber fungierten – im Fall des Stiftungsschiffs sich aber auch direkt an der sanktionsbelegten Ausführung beteiligten. Ein Großteil des Stiftungskapitals kam von Nord Stream 2: Das Gazprom-Tochterunternehmen überwies 20 Millionen Euro.

Mittlerweile würde Schwesig die Stiftung gerne auflösen, aber diese spielt da nicht mit. Schwesigs Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten, ihr Parteifreund Erwin Sellering, ist Vorstandvorsitzender der Stiftung und weigert sich, dem Wunsch seines ehemaligen Protegés nachzukommen. Die Stiftung könne satzungsrechtlich gar nicht vom Land aufgelöst werden, verlautbarte Sellering in der vergangenen Woche. Dabei berief er sich auf ein von der Stiftung in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Bochumer Rechtsprofessorin Katharina Uffmann. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat ein eigenes Rechtsgutachten zu der Frage in Auftrag gegeben, das demnächst erwartet wird.

Zudem dürfte sich ab Mai ein Untersuchungsausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern mit der Stiftung beschäftigen, der Anfang April mit den Stimmen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen wurde. Als Zeugen sollen unter anderem Schwesig, Sellering und der ehe­malige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vernommen werden.

Sie alle kooperierten mit einer der schillerndsten Figuren der deutsch-russischen Verflechtungen der vergangenen Jahrzehnte, dem Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG: Matthias Warnig, der in der DDR Stasi-Hauptmann und ab 1991 für die Dresdner Bank in Sankt Petersburg tätig war. Warnig gilt als enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zu seinen vielen Ämtern zählte bis Ende Februar auch ein Posten im Aufsichtsrat des Fußballzweitligisten Schalke 04, auf den ihn 2019 der damalige Hauptsponsor des Vereins, Gazprom, berufen hatte. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine landete Warnig auf einer Sanktionsliste der USA, woraufhin er sein Aufsichtsratsmandat bei Schalke 04 niederlegte. Kurz darauf beendete der Verein seine Geschäftsbeziehung zu Gazprom.

Gazprom ist nicht irgendein Unternehmen. Die britische Journalistin Catherine Belton schreibt in ihrem Buch »Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste«, Putin könne über den Konzern nahezu frei verfügen. Über Gazprom fülle er seine schwarzen Kassen und kaufe auch beispielsweise Medienunternehmen, um deren Berichterstattung zu kontrollieren.

Wenn man die Verflechtung deutscher Politiker und Unternehmen mit Russland am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns in den Blick nehmen möchte, lohnt es sich, nicht nur auf Nord Stream 2 zu blicken. Die Pipeline hatte einen Vorgänger: Nord Stream. Auch dieses russisch-deutsche Pipelineprojekt, das 2011 fertiggestellt und in Betrieb genommen wurde, hatte Gerhard Schröder nach Kräften gefördert. 51 Prozent der Anteile an dieser ersten Ostsee-Pipeline hält wiederum Gazprom, aber daneben sind auch Unternehmen wie Eon Ruhrgas und das BASF-Tochterunternehmen Wintershall an der Pipeline beteiligt.

Es gibt auch eine dazugehörige Stiftung: die Ostseestiftung. Gazprom stattete diese mit 10 Millionen Euro aus, vor allem um Umweltschutzorgani­sationen einzubinden. Ihr Vorsitzender ist Jochen Lamp, der Leiter des Ostseebüros des World Wildlife Fund For Nature (WWF). Im Vorstand sitzt auch Corinna Cwielag, die Landesgeschäftsführerin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Mecklenburg-Vorpommern. BUND und WWF waren einst große Gegner von Nord Stream und klagten gegen die Pipeline vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald. Irgendwann zogen sie die Klage zurück, just 2011, als die Stiftung gegründet und alimentiert ­wurde.

Russland sei, schreibt Belton in »Putins Netz«, in den vergangenen Jahrzehnten auf große Einkaufstour gegangen: Rechte und linke Parteien in ganz Europa, Unternehmen in fast allen Ländern der EU, die Kampagne für den EU-Austritt in Großbritannien und auch Klimaschutzorganisationen seien aus russischen Schattenhaushalten mitfinanziert worden. Letztere, um sie bei ihrem Protest gegen Gasförderung und Kohleabbau in der EU zu unterstützen und so die Abhängigkeit der EU-Staaten von Russland zu festigen. Die Gelder seien zumindest teilweise auf inoffiziellem Weg geflossen, wobei Vertrauensleute des russischen Regimes die Millionen weitergereicht hätten. Die betroffenen Organisationen hätten also oft nicht genau nachvollziehen können, wer sie finanziert. De facto waren sie Putins nützliche Idioten.