Wie Bodybuilding zu einem tödlichen Sport wurde

Lebensbedrohliches Spektakel

Immer mehr Bodybuilder sterben an Herzinfarkten, wie im jüngsten Fall des erst 44jährigen Cedric McMillan. Das Bodybuilding, ein Relikt des Postfordismus, hat sich von einer unmännlichen Zeigelust in einen Krieg gegen den eigenen Körper verwandelt. Die Geschichte eines Sports.

Mit Cedric McMillan hat das internationale Schwergewichts-Bodybuilding am 12. April einen ungewöhnlich charismatischen und nicht nur körperlich beeindruckenden Vertreter verloren. McMillan, der seinen Hauptberuf als Ausbilder bei der US-Armee nie aufgegeben hatte, gehörte zu den bekanntesten Profi-Bodybuildern seiner Generation und stach durch einen Körperbau hervor, dessen elegant fließende Silhouette und ausgewogene Proportionen an das längst verlorene Körperideal der siebziger Jahre erinnerten. Zu einer Zeit, in der schiere Muskelmasse regelmäßig auf Kosten von Ästhetik und Symmetrie mit Preisen bedacht wird, präsentierte der vergleichsweise hochgewachsene McMillan mit ­lediglich 127 Kilogramm Wettkampfgewicht bei 1,85 Meter Körpergröße eine Leiblichkeit, die mehr nach dem harmonischen Ideal antiker Statuen gemodelt zu sein schien als nach dem eines hormonell aufgespritzten Mastochsen.

Der wichtigste Titel des Sports, Mr. Olympia, blieb ihm jedoch zeit­lebens verwehrt, was daran lag, dass McMillan das letzte Quentchen Härte und Trockenheit im entscheidenden Moment nicht auf die Bühne bringen konnte. Gerade diese Fehlbarkeit aber machte ihn zu einem Publikumsliebling, denn mit McMillan musste man immer rechnen – und konnte es doch nicht. Hätte er sein genetisches Potential einmal voll auszuschöpfen vermocht, er wäre der vielleicht beste Bodybuilder der vergangenen Dekade geworden – dachten viele. Ist er aber nicht.

Die insbesondere in der Linken gängige Kritik des Bodybuildings als einer kulturindustriell aufgeblasenen Feier dumpfer Männlichkeit verfehlt die spezifische Tragik des Sports.

Seit einigen Jahren schon wurde ­offen über die Depression des Bodybuilders gesprochen, der für seine herzlichen Siegesansprachen und humorvollen Interviews bekannt war, und nachdem McMillan einige größere Wettkämpfe kurzfristig ­abgesagt hatte, ging das Gerücht um, sein Gesundheitszustand verschlechtere sich stetig. Von einer Covid-19-Infektion Anfang des Jahres, die einen verhältnismäßig schweren Verlauf nahm und ihn ins Krankenhaus brachte, hat er sich nicht mehr erholt und erlag nun mit 44 Jahren ­einem Herzinfarkt.

So erschütternd diese Nachricht für Bodybuilding-Enthusiasten weltweit gewesen sein mag, über­raschend kam sie nicht. Schon seit längerem ist bekannt, dass McMillan chronisch herzkrank war und mindestens einen schweren Herzinfarkt hinter sich hatte – und er war auch nicht der erste aktive Bodybuilder, der so plötzlich verstorben ist. Seit vielen Jahren gehört es zur traurigen Normalität des pharmakologisch hochgerüsteten Profi-Bodybuildings, dass der Sport von einigen seiner erfolgreichsten Repräsentanten mit dem allzu frühen Tod bezahlt wird.

Blickt man beispielsweise zurück auf den renommierten Wettbewerb Arnold Classics des Jahres 2017, den McMillan für sich entscheiden konnte, so sind von den zehn Wettbewerbern inzwischen drei ver­storben. Dallas McCarver, damals zweitplatziert, starb kurze Zeit nach der Veranstaltung unerwartet im ­Alter von 26 Jahren; kaum zwei Jahre später erwischte es Luke Sandoe, der als große Nachwuchshoffnung galt, aber nur 30 Jahre alt wurde. Auch in seinem Fall war bekannt, dass er an Depressionen litt, und Mutmaßungen darüber, dass es sich bei dem mutmaßlichen Unfall mit szenetypischen Medikamenten, der ihn das Leben kostete, in Wahrheit um einen Suizid gehandelt haben könnte, machten rasch die Runde und sind seither nicht mehr verstummt.

Todesursache Bodybuilding
Die unheimliche Todesserie setzte sich fort. Allein im Jahr 2021 sind mehr als 15 bekannte Profis und führende Amateure in Zusammenhang mit der Ausübung ihres Sports ums Leben gekommen. Darunter sind der ehemalige Mr. Olympia Shawn Rhoden, der mit 46 einem Herz­infarkt erlag, und der mehrfache Mr. Olympia George Peterson, den dasselbe Schicksal mit 37 Jahren ereilte. Auch die Saison 2022 forderte bereits vor McMillan mehrere Todesopfer, und diese ungewöhnlich hohe Zahl von verhältnismäßig jungen Männern, die an und mit Bodybuilding gestorben sind, gab früh schon Anlass zu Spekulationen über einen Zusammenhang mit der Covid-19-­Pandemie.

Vor allem die Impfung wurde, befeuert durch Szenegrößen wie den notorisch pharmafeindlichen Dorian Yates, früh schon zum Gegenstand von wildwucherndem Geraune in den einschlägigen sozialen Medien, was in einem Sport, zu dem zu nicht ­unbeträchtlichen Teilen der Medikamentenmissbrauch dazugehört, ­einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Ein Zusammenhang mit der Krankheit, gegen die die Impfung schützen soll, lässt sich dagegen nicht so einfach von der Hand weisen, denn nicht nur McMillan ist kurz nach einer Covid-19-Infektion verstorben, sondern auch andere, so dass sich der Eindruck aufdrängt, dass der Stress, den die Infektion für das Herzkreislauf-System bedeutet, in zahlreichen Einzelfällen zu viel gewesen ist und zumindest als Katalysator für den finalen Herzinfarkt in Betracht gezogen werden muss.

Nur hat die Häufung von Todesfällen unter aktiven Bodybuildern während der Pandemie nicht allein mit der Krankheit (und weniger noch mit der Impfung) zu tun, sondern vor allem mit der Tatsache, dass das Wettkampf-Bodybuilding auch im Amateurbereich seit langem schon zu einem äußerst gefährlichen Sport geworden ist. Nicht nur müssen gerade die erfolgreichsten und also den Wertungskriterien ­gemäß am weitesten entwickelten Bodybuilder in Hinblick auf Covid-­19 offenbar als schwer vorerkrankte Männer gelten, ganz allgemein ist die Wahrscheinlichkeit, am Bodybuilding zu sterben, heutzutage höher als die, von dem Nischensport wirklich leben zu können. Denn das, was er dem Körper abverlangt, steht in keinem Verhältnis zu dem, was er finanziell abwirft. Die Preisgelder fallen vergleichsweise niedrig aus und Sponsoring ist aufgrund der eher geringen Medienaufmerksamkeit nur für die Weltspitze lukrativ.

Die Karriere eines erfolgreichen Bodybuilders bedarf jedoch eines ausgesprochen langen und in jeder Hinsicht teuer zu bezahlenden Vorlaufs, der zwar mit Sicherheit die statistische Lebenserwartung senkt, von dem sich aber für viele Jahre nicht sagen lässt, ob er einmal von Erfolg gekrönt sein wird. Und so ist es kaum überraschend, dass das Feld von ­depressiven, hoffnungslosen jungen Männern nur so wimmelt, die ein Übermaß an Muskeln auf einen Leib gepackt haben, der dadurch ansonsten weit überdurchschnittlich vulnerabel geworden ist.

Die besonders in der Linken gängige Kritik des Bodybuildings als einer kulturindustriell aufgeblasenen Feier dumpfer, testosterongeschwängerter Männlichkeit verfehlt die spezifische Tragik des Sports, wie er sich heutzutage darstellt, und vergibt damit die Möglichkeit, vom professionellen Bodybuilding tatsächlich etwas über postmoderne »Körperpolitiken« und das bedrückende Schicksal des männlichen Körpers im Zeitalter seiner virtuellen Überflüssigkeit zu lernen. Es lohnt sich, hier etwas genauer hinzusehen und die Entwicklung nachzuvollziehen, die vom Muskel- und Fitnesskult der siebziger Jahre zu jenem lebensbedrohlichen Spektakel geführt hat, als das sich Schwergewichts-Bodybuilding seit Jahren präsentiert.

Keineswegs zufällig kam das Bodybuilding als Sport nämlich im ausgehenden Fordismus zu einer ersten Blüte, und das Unterfangen, den ­eigenen Körper mittels Krafttraining, wissenschaftlich fundierten Ernährungsstrategien und Medikamenten über das bloß Vorfindliche hinaus zu entwickeln, barg auch einmal ein Versprechen. Als übersteigerte Form des proletarischen Männerkörpers entstand das Ideal des Muskelmannes in genau dem Moment, in dem es diesen Mann eigentlich nicht mehr brauchte, so dass der Bodybuilder von vornherein als eine Travestie erscheint, als ein unmittelbar verkörperter Anachronismus.

Die goldene Ära
Das Gesicht – oder vielmehr der Körper – dieser ersten großen Phase des Bodybuildings war Arnold Schwarzenegger, der eine funktionale und ausgesprochen sexualisierte Körperlichkeit präsentierte, die für die sogenannte golden era of bodybuilding paradigmatisch gewesen ist. Regelmäßig beschrieb er das Krafttraining mit – zugegebenermaßen einfach gestrickten – Sexmetaphern, die so »heteronormativ« allerdings noch nicht gewesen sind. Immerhin war die kalifornische Bodybuilding-Szene eng verwoben mit der dortigen Homoszene und einem homosexuellen Lebensstil der Zeit. Das Publikum auf den Veranstaltungen war sehr schwul, und Joe Weider, der Entdecker Schwarzeneggers und Protegé der damaligen Szene in Malibu, verlegte nicht nur sämtliche relevanten Bodybuilding- und Fitness-Magazine, sondern auch eine Reihe pornographischer Männerhefte, wobei diese beiden Säulen seines Zeitschriften­imperiums nicht immer sauber getrennt waren. Nicht nur in diesem Zusammenhang ist »gay for pay« ein wiederkehrendes Thema des Bodybuildings der golden era, wobei es in der Regel anderen nachgesagt wird und sich kaum jemand dazu bekennt. George Butlers Film »Pumping Iron« von 1977 schließlich, der Schwarzenegger und das Bodybuilding erst wirklich populär gemacht hat, gilt zu Recht als ein Klassiker des schwulen Kinos.

Die Verbindungen von kalifornischer Bodybuilding- und Homosubkultur sind also vielfältig und gut ­dokumentiert. Sie verweisen auf eine Geschichte des Begehrens, die mit dem Aufstieg des Bodybuildings zum Massenphänomen untrennbar verbunden ist. Sie handelt von der Emanzipation des (männlichen) Körpers sowohl von den Mühen der industriellen Plackerei als auch von den Grenzen, die Mutter Natur ihm nun mal gesetzt hat. Und sie handelt von einer ausgesprochen unmännlichen Zeigefreude und einer neuen Form der Lust am männlichen Körper in seinen extremen Formen. Erotisch und freizügig wird hier zur Schau gestellt, was aus einem Leib sich machen lässt, der Muskelkraft um ihrer selbst willen aufwendet, anstatt sie in den Dienst der Produktion zu stellen, und die vorhandenen Anlagen dabei auch unter Zuhilfenahme von Medikamenten voll entfalten soll.

In diesem Sinn war Bodybuilding immer schon etwas Queeres. Dass sich Testosteron und seine Derivate in den Dienst einer derart luxuriösen Körperentwicklung stellen lassen, war von Anfang an bekannt, und es ist kein Geheimnis, dass auch die frühe Szene bereits ziemlich gedopt gewesen ist. Es musste allerdings auch gar kein Geheimnis sein, denn anabole Steroide waren seinerzeit noch nicht verboten. Und so gehört zur Erfolgsgeschichte des Bodybuildings auch, dass der Sport ein ideales Labor für die Erprobung anaboler Praktiken (Ernährung und Krafttraining) und leistungssteigernder Substanzen (Doping) gewesen ist, die dann sukzessive in allen anderen Sport­arten Anwendung fanden.

Während das Doping im Bodybuilding aber stets als integraler Bestandteil des Sports verstanden wurde, führte es anderswo zu ungewollten Wettbewerbsverzerrungen. Tatsächlich waren es die Dopingskandale in kommerziell wesentlich wichtigeren Sportarten, namentlich Baseball und Leichtathletik, die dann zu einem allgemeinen Verbot leistungssteigernder Substanzen führten. Das verhalf nicht nur dem Schwarzmarkt der Untergrundlabore und pharmakologischen Schwarzbrenner zu einer brummenden Konjunktur, sondern führte auch zu einer Verdrängung des Themas.

Wenn man sich also fragt, warum Schwarzenegger und die Größen der golden era zu beachtlich rüstigen Rentnern reifen konnten, während 40jährige Bodybuilder heutzutage dutzendweise an Herzinfarkten sterben, dann hat das auch damit zu tun, dass das Thema Doping und die zugehörige Aufklärung aus der Öffentlichkeit verbannt worden sind und die Produktion des »Stoffs« an mal mehr, mal weniger professionell und steril arbeitende Untergrundnetzwerke delegiert wurde. Es hat aber auch damit zu tun, dass die ­Doping-Protokolle damals noch verhältnismäßig human gestaltet waren. Im Grunde ging es hier um Testosteron und Testosteronderivate, also einfach um mehr von dem, was männliche (und auch weibliche) Körper ohnehin schon produzieren.

Ende der achtziger Jahre sollte sich das nachhaltig ändern, was mit einem neuen Idealtyp des Bodybuilders zu tun hatte. Repräsentiert hat ihn Dorian »The Shadow« Yates, der die internationale Bodybuilding-Bühne für viele Jahre dominieren sollte. Yates war ein klassischer Vertreter des Birminghamer Subproletariats. Als jugendlicher Gewalttäter wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, während der er sein Talent als Schwerathlet entdeckte. Im Gegensatz zu den Ikonen der golden era war Yates nicht gutaussehend, er gab sich wortkarg und kamerascheu, mied die Öffentlichkeit und reagierte ausgesprochen spröde auf das homosexuelle Milieu, das so viel zur Etablierung des Bodybuildings in den Vereinigten Staaten beigetragen hatte. Im Grunde war er also nicht vermarktbar.

Allerdings gelang es Yates über die Jahre, einen Körper zu kreieren, der größer, muskulöser, »trockener« und schlichtweg beeindruckender war als alles, was man bis dahin gesehen hatte. Für den beispiellos harten, also fett- und wasserfreien look, den er über viele Jahre auf die Bühne brachte, ist der Begriff grainy (körnig) geprägt worden, und dieser look war nicht zuletzt das Resultat neuer Drogenregime, die in den achtziger Jahren entstanden. Wo Schwarzenegger und die kalifornische Szene fast ausschließlich auf Testosteron zurückgegriffen hatten, da begann man nun, die ganze Batterie der Rindermast zu plündern, experimentierte mit Insulin und anderen Medikamenten und entwickelte komplexe pharmazeutische Entwässerungsprotokolle – kurz, man hob die chemische Seite des Bodybuildings binnen weniger Jahre auf ein ganz neues Niveau.

Der Körper als Versuchslabor
Was in den frühen Tagen des pharmazeutisch unterstützten Bodybuildings noch buchstäblich hypermännlich war (nämlich einfach ganz viel Testosteron), ist in etwas umgeschlagen, das sich mit einigem Recht als posthuman bezeichnen ließe, nämlich die totale Verdinglichung des ­eigenen Körpers zu einem anabolen Versuchslabor, das den Körper objektiv ungesund macht: Diabetes, horrendes Übergewicht, viel zu dickes Blut, Herzprobleme, Potenzprobleme et cetera, das alles waren Nebenwirkungen, die diese Art des Drogenregimes zeitigte und über die Yates und andere auch offen gesprochen haben. Damit einher ging eine Trainingsphilosophie, die auf der brutalst­mögliche Überlastung der Muskeln abzielte, um deren Wachstum zu erzwingen. So zumindest hat Yates seinen Trainingsansatz beschrieben: Nach dem Motto »You either die or grow« führte er einen permanenten Krieg gegen einen Körper, dem jede Erotik, Freizügigkeit und Eleganz abgingen.

Yates hat das Bild des Bodybuildings damit radikal verändert. Wo einmal sexualisierte Körper waren, da war nun Krieg; wo das Krafttraining einmal als etwas Gesundes und Luststiftendes gefeiert und vermarktet worden war, da war es nun Schwerstarbeit am immer zu schwachen Leib; wo der schräge Charme eines Schwarzenegger oder die ironische Dumpfheit eines Lou »the incredible Hulk« Ferrigno einmal den Szenestil vorgegeben hatten, da grummelte Yates nun abweisend vor sich hin; und während die golden era einen superpotenten Übermenschen gefeiert hatte, bestimmte nun ein wortkarger, brutaler Riesenproll aus dem deindustrialisierten England die Szene.

Hatte Bodybuilding einmal für eine Körperlichkeit jenseits der industriellen Arbeit gestanden, so wurde es mit einem Mal selbst wieder zu aus­zehrender, repetitiver und stupider Arbeit.

Hatte Bodybuilding also einmal für eine Körperlichkeit jenseits der industriellen Arbeit gestanden, so wurde es mit einem Mal selbst wieder zu auszehrender, repetitiver und stupider Arbeit, denn jedes Trainingsvideo, das Yates zeigte, mündete in der totalen Erschöpfung. Und jeder Wettkampf, den Yates bestritt, brachte ihn an den Rand des Todes. Sobald er es sich leisten konnte, hat Yates folglich nur noch einen Wettkampf pro Jahr bestritten, den alles entscheidenden Mr. Olympia, um nach seinem triumphalen Sieg wieder von der Bildfläche zu verschwinden.

Mit der Ära Yates (Mr. Olympia von 1992 bis 1997) ging das professionelle Schwergewichts-Bodybuilding also von einem Kult sexualisierter Hypermännlichkeit in eine Phase der Selbstzerstörung im Dienst eines Körpers über, der weder schön noch funktional ist, sondern einfach nur schwerer, muskulöser und »trockener« als jeder andere. Das Schönheitsideal des Bodybuildings, das doch immer etwas Subjektives, bis zu einem gewissen Grad Esoterisches und schwer Greifbares gewesen ist, weicht damit objektiv messbaren Kriterien: Masse in Relation zu einem extrem niedrigen Körperfettanteil. Dass Yates nämlich elegant, schön oder auch nur sexy gewesen wäre, das hat niemand je behauptet, auch er selbst nicht.

Aber er war unbesiegbar. Und deshalb war Yates auch nie wirklich ­beliebt, sondern wurde immer eher als ein übermächtiges Monster ge­sehen. Nur gab es eben keinen Weg mehr zurück, und das Feld musste nachziehen, so dass Bodybuilding all das, was als Vorschein einer schönen, funktionalen und sexuellen, ansonsten aber weitgehend zwecklosen Körperlichkeit noch charakteristisch für die golden era gewesen ist, abgestreift hat und zu etwas ge­worden ist, das den Leib als ein bis an die objektive Grenze des Zumut­baren belastbares Organ präsentiert.

Das Subjekt als Schlachtfeld
Mit einer geringfügigen Zeitverzögerung ist Bodybuilding so aus den goldenen Siebzigern in die Reagan /Thatcher-Ära übergegangen: Das Subjekt erscheint nurmehr als ein Schlachtfeld, es agiert lustlos, aggressiv, prüde, desexualisiert, übermächtig und dysfunktional zugleich. Yates verkörpert (und das weiß er auch) eine Ära des Bodybuildings, die das Menschliche hinter sich gelassen hat, um zum Körperbild einer unendlich belastbaren Maschine voranzuschreiten. Stand das Bodybuilding einmal für die Emanzipation des proletarischen Männerkörpers von Arbeit und Krieg im Dienst einer wie auch immer perversen Lust und Zeigefreude, so ist es seither die Unterwerfung des Bodybuilder-Körpers unter ein unerbittliches Regime von Askese, Doping, Selbstüberwindung und Arbeit für einen einzigen Zweck: brachiale Muskelmasse und körnige Trockenheit.

Im Zuge dieses Formwandels kam es zu Beginn der neunziger Jahre zu einer ersten Welle von Todesfällen unter jungen Profis, Muskelmännern in ihren Dreißigern, die während ihrer aktiven Karriere, zum Teil auf der Bühne oder in unmittelbarem Zusammenhang mit Wettkämpfen umgekippt und gestorben sind. Der Standard, den Yates gesetzt hatte, überforderte große Teile seiner Konkurrenz schlichtweg, und einige Athleten bezahlten den Versuch schrittzuhalten mit dem Leben.

Der Bodybuilder-Körper, der nun schwerer und trockener erschien als je zuvor, erwies sich so erstmals öffentlich wahrnehmbar als ein schwerkranker Organismus, der in jeder Hinsicht dysfunktional ist. ­Sexualität spielt (von wenigen Ausnahmen abgesehen) keine Rolle mehr, und es gibt kaum mehr glamouröse Figuren im Milieu. Es bricht die Ära der sogenannten Masse­monster an, was sich auch in den Wertungskriterien widerspiegelt, in denen es nun fast nur noch um Masse geht, nicht mehr um Symmetrie oder Ästhetik. Das Drogenproblem ist unübersehbar, wird aber – anders als in der frühen Phase, in der Steroide noch legal waren – totgeschwiegen.
Blasse Professionalität

Mit Ronnie Coleman (Mr. Olympia von 1998 bis 2005), der nach Yates die dominierende Figur des Sports wurde, erhielt das Bodybuilding zum letzten Mal einen charismatischen Champion, der allerdings mit kaum 50 Jahren zum Sportinvaliden wurde. Seither prägt eine eher blasse Professionalität den Sport, was nicht der geringste Grund dafür gewesen sein dürfte, dass das Schwergewichts-Bodybuilding rapide an medialer Aufmerksamkeit einbüßte. Die Popularität jedenfalls, die der Sport zur Zeit der golden era genossen hatte, hat sich seither nie wieder eingestellt. Der Siegeszug der »neuen Medien« – also zunächst die radikale Verbilligung von Videoequipment während der neunziger Jahre und dann die Etablierung der sozialen, digitalen Medien – führte allerdings dazu, dass zwar insgesamt wesentlich weniger Menschen das Geschehen im Bodybuilding verfolgten, diese wenigen es dafür aber sehr viel intensiver taten.

Konkret bedeutet das, dass Bodybuilder, für die social media zu einer wichtigen Geldquelle geworden sind, das ganze Jahr hindurch präsent und für ihre Fans verfügbar sein müssen. Damit wurde es unmöglich, sich, wie Yates das noch getan hatte, für längere Zeit zurückzuziehen, um dem Körper die notwendige Erholung und Ruhe zukommen zu lassen. Der pharmazeutische Raubbau am eigenen Körper wurde damit auf Dauer gestellt, was die durchschnittliche Lebenserwartung im Bodybuilding weiter senkte. Unter der Bedingung digitaler Dauerpräsenz ist die chemische Männermast so zu einem makabren Spektakel geworden, in dem professioneller Erfolg und die Gefahr des plötzlichen Herztods auf das engste miteinander verbunden sind, so dass immer wieder gerade jene Athleten im gleißenden Licht der digitalen Öffentlichkeit versterben, die als the next big thing gehandelt werden. Begleitet wird dieses Sterben von einer regelmäßig wieder aufflammenden Debatte über Gesundheits- und Dopingkontrollen oder eine Veränderung der Wertungskriterien, so dass eine gesündere und menschlichere Körperlichkeit prämiert werden kann.

So ist die relativ junge Kategorie Classic Physique in den vergangenen Jahren zu einiger Popularität gelangt. Ein Gewichtslimit, das in Relation zur Körpergröße errechnet wird, soll der Tendenz zu immer mehr Wachstum eine Grenze setzen und so nicht nur dem Drang zur Selbstzerstörung der Athleten entgegenwirken, sondern auch einen klassischen, ästhetischen look zurück ins Rampenlicht rücken. Tatsächlich macht diese Beschränkung den Sport offenbar wesentlich gesünder, denn bislang sind in dieser Gewichtsklasse noch keine prominenten Todesfälle zu verzeichnen.

Die positive Aufnahme auch unter den Fans des Sports hat jedoch mitnichten dazu geführt, den Druck auch in den Schwergewichtsklassen zurückzunehmen. Im Gegenteil, noch immer werden Bodybuilder schwerer und schwerer, und so wird auch der tragische Tod McMillans aller ­Voraussicht nach nichts daran ändern, dass junge Männer ihr Leben einem Körperideal verschreiben, mit dem sich nicht leben lässt, um bei Wett­bewerben, die kaum jemanden interessieren, an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinaus vorzudringen. Schön ist das nicht, aber es sagt doch einiges über diese Zeit und ihr Verhältnis zum Körper aus.