Jungen können sich inzwischen auch gegen Humane Papillomviren impfen lassen

Impfung für alle

Die meisten sexuell aktiven Menschen machen in ihrem Leben eine Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV) durch. Bei Frauen kann sie zu Gebärmutterhalskrebs führen. Seit 2018 können sich auch Jungen gegen HPV impfen lassen. Das ist längst überfällig.
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In Deutschland erkranken pro Tag vier Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Dieser ist die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen weltweit, und Humane Papillomviren (HPV) sind nahezu immer der Auslöser. HP-Viren werden beim Sex nicht über Sperma oder Blut, sondern über die Schleimhäute übertragen, dies kann auch schon beim intensiven Küssen oder anderem engen Körperkontakt geschehen. Kondome helfen daher nur bedingt gegen die Übertragung. HP-Viren sind so weit verbreitet, dass sich die meisten Menschen mindesten einmal im Leben infizieren – etwa 80 Prozent der sexuell aktiven Bevölkerung.

Nur manche der 200 Virusvarianten sind bösartig und in den allermeisten Fällen heilt eine HPV-Infektion unbemerkt von selbst aus. Allerdings können die Infizierten bis zu zwei Jahre ansteckend sein und gegen die Infektion selbst gibt es keine Medikamente. Die Übertragung erfolgt meist unwissentlich, weil mit einer Infektion selten Symptome einhergehen. Oft wird eine HPV-Infektion beim Kontrollabstrich bei der Frauenärztin entdeckt. Wird eine bösartige Variante frühzeitig erkannt und handelt es sich um eine Zellverän­derung, bei der die Gefahr besteht, dass sie sich zu Gebärmutterhalskrebs entwickelt, wird eine Konisation vorgenommen. Das ist ein ambulanter Eingriff, bei dem, meist mit einer elektrischen Schlinge, die Mündung des Gebärmutterhalses und somit das befallene Gewebe kegelförmig ausgeschnitten wird. Eine Immunisierung gegen zukünftige Infektionen bringt eine überstandene Erkrankung jedoch nicht.

Der wirksamste Schutz gegen HPV und somit auch gegen das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, ist die Impfung. Seit 2007 wird sie für Mädchen in Deutschland empfohlen. Sie sollte im Optimalfall zwischen dem neunten und 14. Lebensjahr und vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen. Die Krankenkassen zahlen auch die Nachholimpfung regulär bis zur Volljährigkeit, in diesem Fall besteht sie aus drei statt zwei Impfdosen.

Tatsächlich stecken sich Männer und Frauen ungefähr gleich häufig mit HPV an. Aufgrund der Anatomie der weiblichen Geschlechtsorgane sind diese aber anfälliger für Folgeerkrankungen. Männern kommt bei der Verbreitung von HPV vor allem eine Rolle als Vektoren, also Überträger, zu. Dennoch empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die Impfung für Jungen erst seit 2018. Die Begründung hierfür liest sich recht zynisch: Die Impfquote unter Mädchen in Deutschland liege mit unter 50 Prozent zu niedrig für die angestrebte Herdenprotektion, »somit musste die Ausdehnung der HPV-Impfung auf das männliche Geschlecht geprüft werden«. In Aus­tralien, wo die Impfquote bei Mädchen zwischen 70 und 85 Prozent liegt, seien positive Effekte auch für die Gesundheit von Jungen nachgewiesen worden. »Zudem profitieren Männer, die Sex mit Männern haben, nicht von der HPV-Mädchenimpfung«, heißt es im Bericht weiter.

Obwohl also deutlich benannt wird, dass Jungen von der Impfung von Mädchen bereits profitieren, wird die Herstellung eines Herdenschutzes als vorrangige Verantwortung der Frauen dargestellt. Die Diskussion über die HPV-Impfung für Jungen dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Forschung neben Gebärmutterhalskrebs, Scheidenkrebs und Vulvalippenkrebs inzwischen auch ­Peniskrebs, Analkrebs und Mund-Rachen-Krebs mit den Viren in Verbindung bringen konnte.

»Für die HPV-Assoziation des Penis-, Anal- oder Plattenepithelkarzinom des Mund-Rachen-Raums sollten in Zukunft, im Zusammenhang mit der nun möglichen Impfung für Jungen, weitere Studien durchgeführt werden«, sagte Marilena Pläcking, Assistenz­ärztin in der Urologie, der Jungle World. »Vor allem das Anal- und Peniskarzinom hat eine lange Latenz bis zur Erkrankung und tritt deshalb meist erst im höheren Alter auf.«

Das US-amerikanische Pharmaunternehmen Merck & Co. (MSD) macht mit der Kampagne »Entschieden. Gegen Krebs« derzeit in Deutschland auf die Risiken von HPV-Infektionen und werben für die möglichen Impfungen dagegen. Hierbei sprechen sie Jungen und Mädchen an. Pläcking meint: »Das vorrangige Ziel der HPV-Impfung ist es, das invasive Cervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs, Anm. d. Red.) durch die Hochrisiko-HPV-Typen zu verhindern. Um dies zu erreichen, muss eine höhere Impfquote in Deutschland bei Mädchen sowie bei Jungen erreicht werden.« Unabhängig davon, wie die Stiko deren Notwendigkeit begründet, ist die HPV-Impfung für Jungen also ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.