Am Wochenende marschierten die Nazi-Kleinstparteien »Neue Stärke« und »Der III. Weg«

Neue Stärke schwächelt

Die Nazi-Kleinstpartei »Neue Stärke Partei« marschierte am Samstag in Magdeburg, die Konkurrenz von »Der III. Weg« feierte zur gleichen Zeit den »Tag der Heimattreue« im sauerländischen Hilchenbach. Beide Veranstaltungen waren schlecht besucht – besonders die in Magdeburg.

Die Kamera wackelt. Einige breit gebaute, aber nicht unbedingt durchtrainierte Typen stehen in der Gegend herum, schrammeliger Rechtsrock untermalt den Kurzfilm. Ein Neonazi liest ein ­Gedicht vor. Es mündet in das holprige Verspaar: »Solang keiner redet um den heißen Brei / Wird sie leben, unsere Partei.« Das soll kein Scherz sein – sondern die »Neue Stärke Partei« (NSP). So präsentierte sich die rechtsextreme Splitterpartei in einem Video, mit dem sie für einen Aufmarsch in Magdeburg mobilisieren wollte. Viele Gesinnungsgenossen hat es aber offenbar nicht überzeugt. Dem Aufruf folgten nur etwa 40 Neonazis, die am Samstag in Magdeburg marschierten. Das ist selbst für NSP-Verhältnisse wenig.

Die »Neue Stärke Partei« besteht aus altbekannten Neonazis, die in der Szene einen schwachen Stand haben – allen voran der Bundesvorsitzende Michel Fischer. Zusammen mit Enrico Biczysko gründete er 2015 in Erfurt den Verein »Volksgemeinschaft«. Was die beiden eint: Keiner ihrer Kameraden hielt es lange mit ihnen aus. NPD, »Die Rechte«, »Der III. Weg« – bei allen nennenswerten Neonazi-Parteien sind die zwei im Unfrieden gegangen.

Ein Fotograf sprach das Offensichtliche aus: »›Der III. Weg‹ kann das irgendwie besser.«

Dennoch verkündete der inzwischen in »Neue Stärke« umbenannte Verein, man wolle die »nationalen Kräfte« bündeln. Doch die erste Demonstration unter neuem Namen im August 2021 in Weimar besuchten nur rund 120 Rechtsextreme. Im vergangenen November wurde die »NSP – Neue Stärke Partei« gegründet, doch auch das verschaffte der Gruppe keinen Aufwind. Im Juni dieses Jahres in Mainz standen den rund 60 NSP-Anhängern etwa 3 000 Gegendemonstranten gegenüber. Die NSP musste vorzeitig abbrechen.

Die Demonstration in Magdeburg war der nächste Fehlschlag. Zu Beginn des Aufmarschs gab es Unstimmigkeiten über den Startpunkt der Demons­tration. 15 Neonazis standen an der Westseite des Magdeburger Hauptbahnhofs herum und warteten vergeblich auf ihre Kameraden. Die Polizei führte die beiden Gruppen schließlich zusammen. Zu Beginn des Aufmarsches zündeten die Neonazis Pyrotechnik. Die in großer Zahl anwesende Polizei störte sich daran nicht.

Der Gegenprotest machte es den Neonazis reichlich schwer, den Aufmarsch zu genießen. Kaum einen Meter konnten sie sich durch die Stadt bewegen, ohne beschimpft und verspottet zu werden. Die Nazis skandierten zwar »Magdeburg – Nazistadt!«, doch das war an dem Tag Wunschdenken. Auch Anwohner taten aus Fenstern heraus ihren Unmut über den rechten Aufmarsch kund.

Ein weiterer gern gebrüllter Slogan an diesem Tag war »Kampfkultur«. Was darunter zu verstehen ist, zeigt ein Blick in das Vorstrafenregister einiger Parteimitglieder. 2012 waren Michel ­Fischer und sein Vater Paul gemeinsam auf einen 13jährigen losgegangen. Patrick Schmidt aus Oschersleben, einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden, hat linke Jugendliche mit einer Holzlatte durch seinen Heimatort gejagt. Francesco Lenz, der antifaschis­tischen Recherchen zufolge Anhänger der Partei ist, hat als 20jähriger einen zwölfjährigen schwarzen Jungen gefoltert. 2014 stand er vor Gericht, weil er mit anderen Neonazis einen türkischen Mann ins Koma geprügelt hatte. Im ­Erfurter Stadtteil Herrenberg, wo »Neue Stärke« seit Jahren für Unfrieden sorgt, haben Anhänger 2020 drei Männer aus Guinea verprügelt.

»Größer als das Mobilisierungspotenzial der Partei muss das Gewaltpoten­zial einiger ihrer Mitglieder eingeordnet werden«, schreibt das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus. Inhaltlich habe die NSP der ­rechten Szene nichts Neues zu bieten.

Der Frankfurter Rundschau sagte die Partei, der aktuelle Lehrplan an Schulen sei »antinational und wahrheitswidrig«. Konkret vermisst man womöglich die Leugnung des Holocaust – der stellvertretende Bundesvorsitzende Bryan Kahdes besuchte im Juli die bekannte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. In einem Text auf der Partei-Website schwärmt er von der »berühmteste(n) Dissidentin Deutschlands«.

Nach Magdeburg konnte die NSP nicht einmal ihr eigenes Personal vollzählig mobilisieren. Die Abteilung Rheinhessen und Anhänger aus Nordrhein-Westfalen waren nicht da. Auch der inzwischen aufgelöste Braunschweiger Kreisverband der Partei »Die Rechte«, sonst gerngesehene Gäste auf NSP-Demonstrationen, war nicht zugegen. Christian Worch, der Bundesvorsitzende von »Die Rechte«, zeigt seit einiger Zeit Interesse an der NSP. Schon im August 2021 war er in Weimar dabei ge­wesen. Und am 5. März 2022 versuchten sieben NSP-Neonazis, in Waren (Mecklenburg-Vorpommern) mit Worch zu marschieren, was aber durch Gegenprotest weitgehend verhindert wurde.

Zum Abschluss des Aufmarschs in Magdeburg nahm die NSP sieben neue Mitglieder in ihre Reihen auf, sechs ­davon aus Mecklenburg-Vorpommern. Fischer versuchte mit viel Pathos, ein Aufnahmeritual zu inszenieren, doch viele Kameraden standen lustlos herum oder tratschten miteinander. Ein Fotograf sprach das Offensichtliche aus: »›Der III. Weg‹ kann das irgendwie besser.«

Diese Nazi-Kleinstpartei führte am selben Tag in Hilchenbach im Sauerland den »Tag der Heimattreue« durch. Auch hier waren nur rund 60 Neo­nazis zugegen. Es gab einen Aufmarsch, Reden und Kampfsporttraining. Im Frühjahr dieses Jahres hat die nordrhein-westfälische Abteilung der Partei um den Neonazi Julian Bender eine neue Immobilie in Hilchenbach gekauft. Doch die Zivilgesellschaft vor Ort protestiert und die Stadt versucht, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Dagegen hatte die Nazi-Partei geklagt, nun liegt der Fall beim Oberverwaltungsgericht.

Nach Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) in Arnsberg läuft »Der III. Weg« im Sauerland den Dortmunder Neo­nazis den Rang ab: »›Der III. Weg‹ hat in den letzten drei Jahren mehr öffent­liche Veranstaltungen durchgeführt als die Neonazi-Szene in Dortmund«, sagt Gillian Zimmermann von der MBR der Jungle World. Die Teilnehmenden­zahlen lägen allerdings meist im niedrigen zweistelligen Bereich.

»Die nationalrevolutionäre Bewegung stagniert im Hinblick auf Mitgliederentwicklung und Kaderbildung«, schreibt »Der III. Weg« selbst auf seiner Website. Deshalb will man sich offenbar verstärkt auf militante Aktionen konzentrieren. Denn: »Es gibt kein abenteuerlicheres Leben als das eines Nationalrevolutionärs.«

Für manche Kader führt dieses »Abenteuer« bald wohl in den Gerichtssaal: Wie die Staatsanwaltschaft Zwickau Anfrage der Jungle World mitteilt, wird gegen Julian Bender wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Er soll sich am 1. Mai an einem Überfall auf einen Zug mit Gegendemonstranten im sächsischen Glauchau beteiligt haben.