Alexandre Kojèves Traktat über Autorität

Auf den Begriff gebracht

Die Abhandlung »Der Begriff der Autorität«, die der Philosoph Alexandre Kojève Anfang der vierziger Jahre schrieb, ist mitnichten eine Kritik am Autoritarismus. Vielmehr stellt sie eine an Hegel und Heidegger geschulte Verherrlichung des Autoritären dar, die explizit auch als Empfehlung an das Vichy-Regime gedacht war.

Alexandre Kojèves Abhandlung »La notion de l’autorité« von 1942, die 2020 in deutscher Übersetzung unter dem Titel »Der Begriff der Autorität« im Merve-Verlag erschienen ist, sticht aus den Publikationen heraus, die im Zuge der jüngeren Renaissance des Autoritätsbegriffs veröffentlicht worden sind. Dies verspricht schon die Biographie Kojèves, der 1902 als Neffe von Wassily Kandinsky in Russland geboren wurde und um den sich zahlreiche Mythen gebildet haben. Ob er Russland im Winter 1919/1920 verließ, weil er »wusste, dass die Etablierung des Kommunismus 30 schreckliche Jahre bedeutete«, oder weil ihm seine Herkunft aus einer wohlhabenden Familie das Studium versperrte, ist unklar. Seine Herkunft rettete ihn jedoch zunächst vor Schlimmerem, denn als er sich auf dem Schwarzmarkt – je nach Quelle – mit Seifenhandel oder mit dem Verkauf des Familienbesitzes durchschlagen musste und deshalb verhaftet wurde, kam er mit nur einem Tag Gefängnis davon, das er gleichwohl nach eigener Aussage als Revolutionär verließ.

Mag auch einige Rätsel aufgeben, dass Kojève sich Vichy-Frankreich angedient hat, so legt es dennoch ein grundlegendes Problem seiner Philosophie offen: deren bemühte Aktualität.

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