Auf der Spur der Russlandtreue in der moldauischen Region Gagausien

Nah an Russland

Moldaus Regierung sucht die Mitgliedschaft in der EU und der Nato. Doch viele Einwohner der Region Gagausien orientieren sich eher an Russland.
Reportage Von

Von Moldaus Hauptstadt Chișinău aus sind es mit der Marschrutka, einem im postsowjetischen Raum als Transportmittel weitverbreiteten Minibus, etwa zwei Stunden bis Comrat. Beim Halt kurz vor der Hauptstadt des autonomen Territoriums Gagausien im Süden der Republik Moldau möchten zwei neu zugestiegene Passagiere, vermutlich Ga­gausen, ein Gespräch mit einer älteren Frau beginnen, auf Russisch. Sie antwortet auf Rumänisch. Die Männer bitten sie, Russisch zu sprechen, denn sie verstehen sie offensichtlich nicht. »Russisch, das ist die internationale Sprache«, meint einer von ihnen. Die Frau erwidert empört etwas auf Rumänisch, fügt dann auf Russisch hinzu: »In Moldau sollten Moldauer leben, das ist meine Meinung.« Die Männer lachen, scheinen das nicht ernst zu nehmen. Danach wird es unangenehm still in der Marschrutka.

In Gagausien leben nach offiziellen Angaben etwa 156 000 Menschen, etwas über 80 Prozent zählen sich zum Turkvolk der Gagausen, daneben leben hier auch Bulgarinnen, Moldauer, Russinnen und Ukrainer. Der Blick aus dem Fenster verrät unmissverständlich, dass Gagausien arm ist: marode Straßen, verlassene Häuser mit verrosteten Zäunen, Bauschutt entlang der Straßen. In westlicher Berichterstattung über Moldau geht es meist um Chișinău oder das »Sowjet-Disneyland« Transni­strien, eine hauptsächlich von russischsprachigen Menschen bewohnte abtrünnige Region im Osten des Lands. Mit Beginn des offenen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 ist das Interesse an dem kleinen osteuropäischen Land zwischen der Ukraine im Nordosten und Rumänien im Südwesten gestiegen, doch die meisten in Deutschland kennen Moldau wohl als Heimat von Wander­arbei­ter:innen, die unter prekären Bedingungen auf Baustellen oder in der Pflege schuften. Im Vergleich zu Transnistrien erscheint Gagausien wenig spektakulär. Aber auch in diesem autonomen Territorium fällt russische Propa­ganda auf besonders fruchtbaren Boden.

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