Sri Lanka hat einen langersehnten Hilfskredit vom IWF bekommen

Verschnaufpause in Colombo

Der asiatische Inselstaat erhält einen Nothilfekredit des Internationalen Währungsfonds. Die grundlegenden wirtschaftlichen Probleme des Landes dürfte er nicht beheben.

Sri Lanka hat wieder Devisen für dringend nötige Importe. 330 Millionen US-Dollar hat der Internationale Währungsfonds (IWF) Ende März an den südasia­tischen Inselstaat überwiesen, die erste Rate eines neuen Nothilfekredits von 2,9 Milliarden Dollar über eine Laufzeit von 48 Monaten. Sri Lanka ist seit langem mit einer beispiellosen Wirtschaftskrise konfrontiert, die sich in einer ­rasant steigenden Inflation und wachsender Arbeitslosigkeit und Armut niederschlägt. Im April 2022 konnte das Land seine Schulden nicht mehr bedienen, die Regierung musste alle Zahlungen an ausländische Gläubiger einstellen. Mit mehr als 50 Milliarden Dollar steht Sri Lanka bei ihnen in der Kreide.

Das Land kann mit seinen Ausfuhren nicht mehr genügend Devisen erwirtschaften, um Importe zu bezahlen. Es fehlt unter anderem an Treibstoff, Essen und Arzneimitteln. Im Juli 2022 hatten die Behörden den Verkauf von Benzin und Diesel rationiert. Seit 29. März werden sie wieder von der staatlichen Ceylon Petroleum Corporation, die wegen der gestiegenen Ölpreise seit Jahren tiefrote Zahlen schreibt, mit ausreichend Treibstoff versorgt. Per Ministerialerlass wurden auch umgehend die zuletzt gestiegenen Spritpreise um acht bis 26 Prozent gesenkt, wie Energieminister Kanchana Wijesekera mitteilte. Das stehe im Einklang mit der IWF-Vereinbarung, die angepasste Kraftstoffsubventionen vorsieht. Einen Tag später senkte die Regierung auch die Preise von Bustickets um knapp 13 Prozent.

Jüngst kündigten die Gewerkschaften der Erdölindustrie Proteste gegen die teilweise Privatisierung der staatlichen Ceylon Petroleum Corporation an, die der IWF zur Auflage für die Gewährung des Notkredits gemacht hatte. Während des Ausstands versammelten sich Menschen in der Nähe von Tankstellen, um schnell einkaufen zu können, weil sie befürchteten, dass die Versorgung ausbleiben würde.

Sri Lanka kann mit seinen Ausfuhren nicht mehr genügend Devisen erwirtschaften, um Importe zu bezahlen.

Wijesekera sagte, der Streik habe zwar zu einigen Störungen geführt, doch das Militär trage dazu bei, einen normalen Betrieb sicherzustellen. Die Regierung plant, wichtige halbstaatliche Unternehmen zu privatisieren, um Einnahmen zu erzielen, mit denen sie ihre Devisenreserven aufstocken und die Rückzahlung von Auslandsschulden wiederaufnehmen kann. Einige Oppositionsparteien und Gewerkschaften lehnen die Idee ab, da sie der Meinung sind, dass der Verkauf staatlicher Ressourcen die nationalen Interessen gefährden könnte.

Mehr als ein halbes Jahr hatten die Vertreter Sri Lankas und des IWF intensiv verhandelt. Eine Grundsatzeinigung lag schon im September vor, aber die Frage der Auflagen des Kredits blieb offen. Die IWF-Führung in Washington, D.C., machte für die Gewährung des Kredits zur Bedingung, dass sich der Inselstaat und seine wichtigsten Gläubiger erst auf Umschuldungsmaßnahmen verständigen. Die regionalen Rivalen China und Indien sind die größten bilateralen Kreditgeber Sri Lankas. Vor allem die Verhandlungen mit China zogen sich hin, erst Ende Februar kam es zu einer vorläufigen Einigung. Die Export-Import Bank of China, bei der Sri Lanka mit 4,1 Milliarden Dollar in der Kreide steht, verzichtet zunächst auf alle 2023 und 2024 anstehenden Zins- und Tilgungszahlungen. Wie die Zahlungsverpflichtungen danach aussehen, muss noch geklärt werden. Neue Darlehen aus China stehen in Aussicht.

Indien hat sich ähnlich nachgiebig gezeigt. Ohne die Hilfe des Nachbarlands wäre die Versorgungskrise der Insel voriges Jahr weitaus katastrophaler ausgefallen. Über indische Häfen wurden mittels kurzfristiger indischer Unterstützungskredite noch Lieferungen an Sri Lanka abgewickelt, so dass die Treibstoffversorgung auf der Route zwischen den Provinzhauptstädten Jaffna im Norden und Galle im Süden nicht zusammenbrach. Das besondere Engagement Indiens war strategisch begründet und bot der Regierung von Premierminister Narendra Modi eine gute Gelegenheit, als verlässlicher Partner aufzutreten.

Sri Lanka war in den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten verstärkt unter chinesischen Einfluss gelangt. Als im Mai 2009 der seit 1983 währende Bürgerkrieg im Norden und Osten der Insel mit dem brutal errungenen Sieg über die bewaffnete Rebellenbewegung Befreiungstiger von Tamil Eelam geendet hatte, halfen Chinas umfassende Zahlungen, die zerstörte Infrastruktur Sri Lankas neu aufzubauen. Allerdings wurden auch fragwürdige Großprojekte wie der Hafen Hambantota im Süden, den China für 99 Jahre gepachtet hat, oder ein kaum genutzter Regionalflughafen errichtet.

Aber über etliche Jahre war China der einzige große Partner, der sich anbot. Mit den westlichen Staaten liegt man im Streit wegen der fehlenden Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen während Militäroffensive 2009 und auch in den Jahren davor. Sri Lanka weigert sich, ungeachtet mehrerer Regierungswechsel, Untersuchungsteams der Vereinten Nationen unabhängige Recherchen dazu vornehmen zu lassen.

Der für die Inselökonomie wichtige Tourismus ist als Folge der Covid-19-Pandemie 2020 und 2021 nahezu vollständig zusammengebrochen und erholt sich nur langsam.

Die Krise wird verschärft durch ein Ungleichgewicht im Außenhandel des Inselstaats. Viele wichtige Güter muss dieser für Devisen einführen, während es im Gegenzug nur zwei bedeutende Exportprodukte gibt: Tee und Textilien. Doch die Teebranche – verantwortlich für zehn Prozent der Einfuhrerlöse – ist seit Jahren in der Krise, obgleich auf den Plantagen nur Hungerlöhne bezahlt werden. 2021 brachen zusätzlich die Erträge ein, weil die Regierung Einfuhr und Verwendung chemischer Düngemittel und Pestizide verbot; der brachiale Schwenk zur Öko-Landwirtschaft von heute auf morgen schlug in den Monokulturen der Großplantagen erwartbarerweise fehl. Die Textil­industrie wiederum – verantwortlich für gut die Hälfte der Importerlöse – leidet unter Lieferschwierigkeiten bei Grundstoffen und Energie, konnte ­somit auch nicht so viel produzieren wie üblich.

Der Regierung unter dem im Sommer 2022 zurückgetretenen Staatspräsidenten Gotabaya Rajapaksa wurde außerdem Misswirtschaft und Korruption vorgeworfen, woran sich auch seither nichts geändert hat. Um die Wirtschaft zu stimulieren, senkte sie die Mehrwertsteuer, was die staatlichen Einnahmen einbrechen ließ. Darauf reagierte die Regierung mit dem Drucken von Geld, was wiederum die Inflation befeuerte; die Währung verlor an Wert, für Importe war immer weniger Geld da. Darüber hinaus ist der für die Inselökonomie wichtige Tourismus als Folge der Covid-19-Pandemie 2020 und 2021 nahezu vollständig zusammengebrochen und erholt sich nur langsam.

Die ärmeren Teile der Bevölkerung verfügen über keine finanziellen Reserven, um die stetige Teuerung zu verkraften. Tagelöhner fanden keine Arbeit mehr, die Zahl an Entlassungen stieg kontinuierlich. Erhebungen der Weltbank zufolge hat die Krise Sri Lanka bei seinen Entwicklungsanstrengungen um Jahre zurückgeworfen. ­Allein in den Jahren 2021 und 2022 habe sich der in Armut lebende Bevölkerungsanteil auf knapp 26 Prozent verdoppelt (bei einer Armutsgrenze von 3,65 US-Dollar pro Person und Tag), stellte die Weltbank Ende Februar fest. Einer Studie der University of Peradeniya zufolge gelten mittlerweile über 40 Prozent der fast 22 Millionen Einwohner Sri Lankas als arm.

Vor einem Dreivierteljahr trat Präsident Gotabaya Rajapaksa nach inten­siven Straßenprotesten zurück. Hunderttausende Demonstranten hatten am 9. Juli seine Residenz gestürmt, Rajapaksa floh aus der Metropole Colombo übergangsweise auf die Malediven. Auch Rajapaksas Familienclan, der die sozialkonservative Partei Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) kontrolliert, deren Vorsitzender sein Bruder Mahinda Rajapaksa ist, ebenfalls ein ehemaliger Präsident, schien dadurch entmachtet.

Rajapaksas Nachfolger Ranil Wickremesinghe (United National Party) hat wenig Rückhalt in der Bevölkerung und im Parlament, hat sich aber mit seinen Vorgängern und deren Fraktion der tonangebenden SLPP verbündet. Kurz nach seiner Ernennung zum Präsidenten am 13. Juli schwor Wickremesinghe, die regierungsfeindlichen Proteste niederzuschlagen, bezeichnete die Demonstranten als »Faschisten« und ließ das Protestlager vor dem Präsidentenpalast mit Gewalt räumen. Wickremesinghe führte auch die Rationierungen und eine unpopuläre Er­höhung der Steuern ein.

Die Inflation ist von den in der zweiten Jahreshälfte 2022 erreichten Höchstwerten um die 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr nach Zusicherung des IWF-Kredits im März mittlerweile auf um die 50 Prozent gesunken. Prognosen zufolge wird die Inflation weiter fallen, ein Ende der Wirtschaftskrise ist aber noch nicht ausgemacht. Die Bewilligung des IWF-Kredits, die daraus resultierenden Erleichterungen sowie Prognosen einer leichten Erholung der Wirtschaft kann Wickremesinghe politisch nutzen.

Zuvor allerdings könnten die am 25. April anstehenden Kommunalwahlen die Unbeliebtheit der etablierten politischen Kräfte zeigen. Die Wahlen mussten um mehrere Wochen verschoben werden, weil der Wahlkommission zum ursprünglichen Termin Anfang März kein Geld zum Drucken der Stimmzettel zur Verfügung stand. Viele Wähler verdächtigen die Regierung, die Wahl verschoben zu haben, weil sie eine Niederlage befürchtete.