»Toxische Männlichkeit« und die Aussicht auf ein kämpferisch-kollektives Verhältnis zur patriarchalen Welt

Alles toxisch?

Der Stand der Bewegung Von

20 Jahre nach Britney Spears’ Hit »Toxic« ist toxisch zu einem von Femi­nist:innen fast schon inflationär verwendeten Urteil avanciert. In erster Linie taucht es in der Bezeichnung »toxische Männlichkeit« für Männer auf, die sich notorisch frauenverachtend verhalten. Die Bandbreite reicht vom Monologehalter im Uniseminar über den emotional abwesenden Beziehungspartner bis hin zum Festivalorganisator, der Frauen auf der Toilette filmt und die Videos auf Pornoseiten hochlädt. Als toxisch gelten auch Narzissten, die ihr Gegenüber manipulieren. Entsprechend groß ist das Angebot an Ratgebern und Youtube-Videos zu den Fragen »Wie erkenne ich einen narzisstischen Beziehungspartner?« oder »Was sind Merkmale eines toxischen Chefs oder Arbeitsumfelds?«.

Sich gegen die Zumutungen patriarchaler Männlichkeit zu wehren, ist unverzichtbar. Auch braucht es Kampfbegriffe, die diese Zumutungen auf den Punkt bringen können. Erzwungene Härte, vorgetäuschte Überlegenheit und Schwierigkeiten, über Gefühle zu sprechen, sind Eigenschaften, mit denen Männer in diesen Gefilden des kapitalistischen Patriarchats für den Arbeits- und Beziehungsmarkt ausgestattet werden und mit denen sie anderen Leuten das Leben schwer machen.

Toxische Männer, heißt es, sollen gemieden oder schnell verlassen werden. Leider vernachlässigt das Konzept den intersubjektiven Charakter von Liebes- und Arbeitsbeziehungen sowie Freundschaften. Frauen erklären sich zu Pflänzchen, die sich aus Selbstfürsorge vor giftigen Einflüssen hüten müssen. Eine Reflexion darauf, warum sie gerade diesen Mann attraktiv fanden, bleibt oft ausgespart. »Baby, give me it / You’re dangerous / I’m loving it«, heißt es bei Britney Spears. In der Warnung vor Narzissten fehlt oft die Einsicht, dass sich die Sehnsucht nach ihnen meist aus eigenen psychischen Bedürfnissen speist, die genau zur narzisstischen Struktur passen.

Es ist oft schmerzlich, aber notwendig, sich um die eigene, weiblich sozialisierte Konstitution zu kümmern. Welche Rolle spielt meine unterdrückte Aggressivität in der Beziehung zu Männern? Welche das Begehren, meine Machtansprüche und meinen Ehrgeiz über einen Mann zu verwirklichen? Solche Überlegungen könnten helfen, den Typen rauszuschmeißen – und sich dann gemeinsam mit Genossinnen zu fragen, wie es so weit kommen konnte.

Analog muss die Kritik des toxischen Arbeitsplatzes nicht immer zur scheinbar selbstrettenden Kündigung führen. Arbeitskampf und der Zusammenschluss mit Kolleg:innen wäre eine Alternative.

Attraktiver als die heißeste toxische Liebschaft finde ich die Aussicht auf ein kämpferisches und kollektives Verhältnis zur patriarchalen Welt. Ein safe space beziehungsloser Selbstfürsorglicher, die sich vor Vergiftung fürchten, kann doch nicht die Welt sein, die wir haben wollen.