Die »Jungle World« hat wieder einen U-Bahn-Anschluss

Homestory #51-52/23

Die mehrwöchige Unterbrechung der Berliner U-Bahnlinie 8 hat gezeigt: Die Liebe der BVG zu ihren Fahrgästen beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Zumindest bei der »Jungle World« wird lieber das Fahrrad genutzt.
Homestory Von

Kurz vor den langersehnten Weihnachtsferien erreicht die Redaktion ihrer Lieblingszeitung die frohe Botschaft: Die Berliner U-Bahnlinie 8 fährt wieder.

Zumindest müsste man meinen, dass dies eine frohe Botschaft sei. Denn etwa einen Monat lang schien durch die Bauarbeiten vielen Kollektivmitgliedern die ÖPNV-Verbindung zu ihren Redaktionsräumen abgeschnitten. Doch wie sich herausstellen sollte, nutzen die meisten die U8 sowieso nicht; geschweige denn überhaupt Angebote der BVG.

»Ich habe kein Ticket, Schwarzfahren ist die letzten Male gerade so gutgegangen«, berichtet etwa ein Kollektivmitglied. Und nachts, als es mal das Angebot der BVG hatte nutzen wollen, sei keine U-Bahn mehr gefahren. Außerdem: »Oft sind mir da zu viele viel zu gut gelaunte Gruppen«; ein offenbar für nicht wenige Mitglieder des Kollektivs entscheidender Punkt gegen die BVG.

Ein anderes Kollektivmitglied nutze die Öffentlichen nicht, »weil ich am Morgen nicht so nah Menschen an mir dran mag«. Und »mit irgendwas anstecken kann man sich da auch noch«, ergänzt wieder ein anderer. Als weitere Gründe werden die überteuerten Preise genannt und dass man zu unflexibel und die BVG zu unzuverlässig sei.

Die fast schon entsetzte Frage eines weiteren Kollektivmitglieds, ob denn »wirklich alle so Fahrradmenschen« seien, rechtfertigt einer damit, dass ein bisschen Sport mit über 40 Jahren dem eigenen Wohlbefinden durchaus zuträglich sei.

Lieber Kabeldieb, wenn du das hier lesen solltest, gib gefälligst das Kabel wieder her!

Es gibt aber auch andere Gründe, die gegen die U8 oder die BVG im Allgemeinen sprechen. »Bei mir gibt’s keine U-Bahnen«, bemerkt eine trocken. Und auch bei einer anderen hält sich die Freude in Grenzen. Nötiger als die U8 wäre für sie die U3. Die fahre aber längere Zeit wegen eines Kabeldiebstahls – »schon wieder« – in langen Taktungen. Derzeit suche die BVG deshalb Experten zur Prävention von Kabeldiebstahl – mit 4.000 Euro Monatsgehalt!

Wenigstens ein paar Kollektivmitgliedern schien die Wiederinbetriebnahme der U8 ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. »Mein Gesicht ist nicht für die Kälte dieser Breitengrade geschaffen«, deshalb sei die fragliche Kollegin »ganz froh, dass es die U-Bahn gibt«. Ein anderer erzählt, er müsse für seine Beziehung quasi einmal durch die ganze Stadt. Mit dem Fahrrad sei dies nicht nur viel zu weit, sondern auch zu gefährlich. Die U8 sei der direkteste Weg und er daher »ganz froh, dass die wieder durchfährt«.

Die BVG wird zwar nicht müde, in ihren Kampagnen zu betonen, dass sie uns liebt. Aber die Reaktionen ­ihrer Lieblingszeitung auf die Wiederinbetriebnahme der U8 haben gezeigt, dass diese Liebe nicht auf Gegen­seitigkeit beruht. Zuletzt eine Bitte: Lieber Kabeldieb, wenn du das hier lesen solltest, gib gefälligst das Kabel wieder her!

Und, wem allerdings – ganz im Sinne des Themas dieser Ausgabe – nach uneingeschränkter, gar nach dialektischer Freiheit zumute ist, der sollte eh, genau so wie unsere Titelbildstars Thelma und Louise aus dem gleichnamigen Film von 1991, das Auto nehmen. Dieser Rat hat allerdings auch seine Tücken, in der Wüste lässt es sich nämlich ungehinderter fahren als im Berliner Straßenverkehr.

Die nächste Jungle World erscheint aufgrund der ­extradicken Weihnachtsausgabe erst am 4. Januar 2024.