Reclaime dein brain!

Homestory #05/24

Handysüchtig? Dann schnell zur Entgiftung aka »phone detox«. Doch Vorsicht: der »turkey« wartet schon!
Homestory Von

Damals, in der schlechten alten Zeit der neunziger und nuller Jahre, reüssierte zeitweise eine Bewegung namens »Reclaim the streets«. Die Straße zurückerobern, mit Action, Musik und guter Laune, das war der Masterplan. Heutzutage ist man schon viel weiter: »Reclaim your brain« gibt es jetzt, so ist eine Kolumne in der britischen Tageszeitung The Guardian betitelt.

Der Autor R. S. gibt sich einer ultramodernen Beschäftigung hin: dem phone detox beziehungsweise dem Handyentzug, einer Praxis, die in der Zeit, in der es nur dumb phones gab, noch völlig unbekannt war. Die revolutionäre Frage »Was tun?« stellte sich noch ohne den Zusatz »ohne mein Smartphone«, und niemand verbrachte täglich lange Stunden mit dem Handy in der Hand zwecks Pflege seiner nützlichen Sozialkontakte auf Social Media und anregenden, wenngleich oft allzu engagierten Debatten über Gott und die Welt ebenda.

»Ich ging ohne mein Telefon zu einer Hütte im Wald. Könnte ich seinen Zauber brechen?«

Diese Beschäftigung bringt manchmal gewisse Nachteile mit sich, die bei Krankenkassen unter Bezeichnungen wie Handysucht und Handyabhängigkeit firmieren. Und, Hand aufs Herz, wer kennt das nicht – das Händezittern, den Schweißausbruch, wenn man plötzlich feststellt, dass man ohne Smartphone unterwegs ist?

Doch das phone detox bringt neue Abenteuer im Alltag mit sich, wie sie R. S. in seiner packenden Artikelserie beschreibt. Bereits seit Wochen versucht er, schrittweise clean zu werden, nun wird es ganz hart: »Ich ging ohne mein Telefon zu einer Hütte im Wald. Könnte ich seinen Zauber brechen?« – »In Woche fünf der Handy-Entgiftung löst die Rückkehr zur Natur bei R. S. eine Rückkehr zu sich selbst aus, aber kann er das in der realen Welt durchhalten?« Tja, das sind Fragen, die der Antwort harren, und da auch bei der Handysucht die alte Devise gilt: kein Entzug ohne turkey, ist der Ausgang des Abstinenzabenteuers ungewiss.

Doch die Auswirkungen aufs Gehirn, das ja reclaimed werden soll, wiegen sicherlich die Entzugserscheinungen auf. Und weil R. S. keineswegs alleine ist mit seinem Smartphone-Problem, bietet die Zeitung praktische Lebenshilfe: »Melden Sie sich für ›Reclaim your brain‹ an: unsere kostenlose E-Mail, damit Sie weniger Zeit am ­Telefon verbringen«, heißt es da. »Nehmen Sie an unserem fünfwöchigen Experten-Coaching-Plan teil, der Ihnen dabei hilft, Ihre Bildschirmgewohnheiten im neuen Jahr zurückzusetzen.«

Und jede Wette, liebe Leserin, lieber Leser, Ihnen könnte das auch nicht schaden. Ebenso wenig wie uns übrigens, den Mitarbeiter:innen Ihrer Lieblingszeitung.