Die deutsche Fußball-Fanszene organisiert sich gegen die Deutsche Fußball-Liga (DFL)

Tennisbälle gegen Aussitzer

Sollte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) gehofft haben, die Fanproteste gegen das Investorenmodell aussitzen zu können, hat sie sich getäuscht.

Im Dezember vorigen Jahres hatte die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die Vermarktungsgesellschaft der Bundesliga und 2. Bundesliga, entschieden, mit einer Beteiligung von Investoren an den eigenen Medienrechten weitere Finanzmittel zu akquirieren und diese dann in den Ausbau der Digitalisierung sowie in die Internationalisierung der Vermarktung zu reinvestieren. Nun steht das Projekt kurz vor dem Scheitern. Mit der US-amerikanischen Investmentfirma Blackstone hat sich ein weiterer möglicher Investor aus den Verhandlungen über einen Einstieg bei der DFL zurückgezogen. Somit bleibt nur noch die luxemburgische Gesellschaft CVC als Bieter.

Die DFL erklärte Mitte Februar, dass »Blackstone nach guten Gesprächen aus verschiedenen Gründen nicht mehr als strategischer Vermarktungspartner der Bundesliga und 2. Bundesliga infrage« käme. Im Dezember hatte das Präsidium der DFL den Kreis von fünf auf drei Interessenten reduziert. Die Begründung damals: Der Abschluss der strategischen Vermarktungspartnerschaft sei mit »hohen Anforderungen« an die möglichen Partner gekoppelt.

Den Partnern werde nämlich keinerlei Mitbestimmung in sportlichen Belangen – wie zum Beispiel der Spielplanung – eingeräumt, somit bleibe die Entscheidungshoheit der Geschäftsführung der DFL unan­getastet und es handele sich nicht um den Verkauf von Anteilen an, sondern von Erlösen aus der Zentralvermarktung. Auf weitere Details wollte die DFL nicht eingehen. Derzeit werde der Prozess aber »im ­vorgesehenen Zeitplan mit CVC fortgeführt«.

Dass der kollektive Protest der aktiven Fanszene in den vergangenen Wochen für große Nervosität in den Vorstandsetagen des deutschen Profifußballs gesorgt hat, gilt als sicher.

Ob die derzeitige Protestwelle in den Bundesligastadien gegen diese Investorenpläne ausschlaggebend für den Rückzug von Blackstone war, kann nur schwerlich ermittelt werden. Dass aber der kollektive Protest der aktiven Fanszene in den vergangenen Wochen für große Nervosität in den Vorstandsetagen des deutschen Profifußballs gesorgt hat, gilt als sicher. Die Wut der Fans über das Gebaren der DFL sorgte in den Stadien für Proteste, die beinahe zum Abbruch mehrerer Partien geführt hätte.

Der Protest wird zudem immer kreativer: Am Freitag voriger Woche hatten Aktivisten und Aktivistinnen vor dem Bundesligaspiel 1. FC Köln gegen Werder Bremen nicht nur Flugblätter mit detaillierten Erklärungen über die Gründe der Ablehnung des von der DFL angestrebten Deals verteilt, sondern während des Spiels ferngesteuerte Spielzeugautos auf den Platz gelenkt.

Ganz besonders heftig richtet sich der Unmut gegen den Geschäftsführer des Zweitligisten Hannover 96, Martin Kind. Grund dafür ist, dass Fans und Medien vermuten, dass Kind als stimmberechtigter Vertreter von Hannover 96 bei einer geheimen Abstimmung der DFL im vergangenen Dezember entgegen der Anweisung seines Vereins votiert und so überhaupt erst für die nötige Zweidrittelmehrheit zugunsten des Einstiegs von Investoren gesorgt habe. Mit dem Geld eines Investors – geplant sind eine Milliarde Euro für acht Prozent der Medienerlöse der DFL über 20 Jahre – will die Mehrheit der DFL-Vereine die von ihnen als Beschränkung empfundene sogenannte 50+1-Regel umgehen. Diese besagt, dass Investoren nicht die Anteilsmehrheit und damit das Stimmrecht eines DFL-Clubs besitzen dürfen. Da Kind sich nicht in der Öffentlichkeit zu seinem Votum äußert, bleibt die Vermutung allerdings Spekulation.

»Fans und Mitglieder der Vereine werden viel zu spät in solche elementaren Entscheidungen einbezogen, 50+1 wird dadurch zur leeren Worthülse.« Da­rio Minden, Fanvertreter in der DFB-Kommission Fans und Fankulturen

Das hielt die organisierte Fanszene aber nicht davon ab, Anfang Februar bei dem Spiel Hannover 96 gegen den Hamburger SV ein Banner zu entrollen, das den Unternehmer Kind in einem Fadenkreuz zeigte, woraufhin das Schiedsrichtergespann einen Spielabbruch erwog. In den anderen Stadien der Bundesliga und der 2. Bundesliga wurden viele Spiele minutenlang unterbrochen, weil es Tennisbälle und Schokotaler aus den Kurven regnete, einige Partien standen sogar kurz vor dem Abbruch.

Vielen Fans ist bewusst, dass nur mit der mutmaßlichen Stimme des 79jährigen Martin Kind, der mit der übrigen Vereinsführung von Hannover 96 seit Jahren im Streit verbunden ist, der Investoren-Deal nicht zustande gekommen wäre. Viele Fanorganisationen und auch einige Clubs fordern deshalb eine Wiederholung der Abstimmung.

Die Aussage der DFL, wonach Mitsprache durch Fans und Mitglieder in den Vereinen zur wesentlichen Grundlage des deutschen Fußballs gehöre, spielt laut Da­rio Minden, Fanvertreter in der DFB-Kommission Fans und Fankulturen, in Wirklichkeit keinerlei Rolle mehr. Die gelebte Realität sähe anders aus. »Fans und Mitglieder der Vereine werden viel zu spät in solche elementaren Entscheidungen einbezogen«, sagt Minden, »50+1 wird dadurch zur leeren Worthülse.«

Die Führung der DFL ignoriere die Kritik aus den Kurven, erklären Fanorganisationen unisono. Aus ihrer Sicht handele es sich bei dem öffentlich gemachten Dialogangebot um ein Ablenkungsmanöver. Bisher sei schließlich kein ernstzunehmendes Angebot für Verhandlungen vorgelegt worden. Die Diskussion müsse aus Sicht eines Vertreters des Vereins Gesellschaftsspiele zwar »wieder aufgenommen werden«, aber »offen und unter Einhaltung und Achtung der 50+1-Re­gel«. Nur so könne aus Sicht des Vereins, der sich für eine offene, solidarische und inklusive Gesellschaft einsetzt, »eine demokratische und transparente Entscheidung in dieser Angelegenheit erreicht werden«.

»Das System Fußball versucht, auf Pump seine kaputten Kreisläufe am Leben zu halten.« Stephan Lahrem vom Verein Gesellschaftsspiele

Doch die DFL scheint den Konflikt aussitzen zu wollen. In einer Pressemitteilung gab sie zwar bekannt, dass sie »zu weiteren Gesprächen« mit »Vertreterinnen und Vertretern bundesweiter Fanorganisationen und der Bündnisse der Fanszenen« bereit sei, aber allein der »selbstgefällige Ton der Presseerklärung«, wie Jost Peter, erster Vorsitzender der Fanvereinigung Unsere Kurve es nannte, sorgte für eine negative Grundstimmung in der Fanszene. Weitere Gespräche würden nur dann Sinn ergeben, wenn die DFL eine transparente Neuabstimmung zum Investoren-Deal einleiten würde. Eine weitere Abstimmung im Geheimen löse keines der derzeitigen Probleme.

»Das System Fußball versucht, auf Pump seine kaputten Kreisläufe am Leben zu halten«, sagt Stephan Lahrem vom Verein Gesellschaftsspiele im Gespräch mit der Jungle World. Letztlich drohe nur eine weitere Kapita­lisierung des Sports mit noch mehr Eventcharakter, Marketingreisen, hohen Ticketpreisen und Spieltagszerstückelung. Lahrem verweist auf die leblose Fankultur der englischen Premier League, in der die Kapitalisierung des Fußballs am weitesten fort­geschritten ist. Das sei kein Vor-, sondern ein absolutes Schreckbild. Deshalb schließe sich sein Verein der Forderung der Fanszenen an, »Investoren keinen Zugriff auf die DFL zu geben«.

»Die DFL verkennt einmal mehr, dass die Stadionatmosphäre ein positives Merkmal des deutschen Profifußballs ist«, sekundiert Jost Peter. Die Fans seien das, was den deutschen Profifußball von dem anderer europäischer Ligen unterscheide. Deshalb sollte die Einbeziehung von Fans und Vereinsmitgliedern »nicht nur öffentlich gepredigt, sondern auch gelebt werden«. Davon könne aber längst keine Rede mehr sein.

Die Protestwelle in den Stadien wird also in den nächsten Wochen weitergehen. Je länger die Proteste ignoriert werden, desto geschlossener wollen die Fanszenen für eine neue Abstimmung einstehen. Darin sind sich die Vertreter der unterschiedlichen Gruppen einig.