Freitag, 09.08.2024 / 13:54 Uhr

Neue Drohungen gegen Jesiden im Irak: Wenn es keine Zukunft gibt

Jesidische Massenflucht vor dem Genozid 2014, Bildquelle: X (vormals Twitter)

Fast genau auf den Jahrestag des Völkermordes sehen Jesiden ihre Existenz im Irak erneut bedroht. Der Grund: Eine Kampagne angestachelt von Klerikern.

 

In dieser Woche haben die Jesiden zum 10mal den Opfern des Genozid vom 03. August 2014 gedacht. In Deutschland wurden starke Reden gehalten, schließlich hat ja die westliche Allianz, gemeinsam mit der irakischen Armee und den kurdischen Peshmerga den IS besiegt. Jesiden sollen daher in ihr altes Siedlungsgebiet zurück, egal ob die Häuser und Straßen dort noch immer zerstört oder, wenn schlecht erhalten, weiter vermint sind.

Bundeskanzler Scholz ignoriert den Lagebericht des eigenen Außenministeriums oder kennt ihn nicht. Sonst würde er nicht stolz auf die deutschen Erfolge verweisen. Die Menschenrechtsbeauftrage der Bundesregierung konnte bei ihrem Besuch im Irak nicht in den Shingal reisen, wohin die Jesiden zurücksollen. Die Sicherheitslage lässt einen Besuch nicht zu wie auch schon bei unzähligen Versuchen ihrer Politik-Kollegen.

Und dennoch beginnt gerade eine massenweise Rückkehr der Jesiden. Was ist geschehen, ist das Gebiet doch sicher, glauben sie an eine Zukunft.

Nichts davon trifft es auch nur im Entferntesten. Einer ihrer Kommandeure hatte sich Anfang der Woche in einem Video geäußert und betont, so lange der IS nicht aus den Köpfen der Mehrheitsbevölkerung verschwunden ist, so lange können Jesiden nicht in Sicherheit leben“. Niemand der sich mit der Materie auskennt würde dem Widersprechen. Die Imame in Kurdistan hingegen, sahen die als Ketzerei gegen Ihren Propheten und Allah an und forderten ihre Anhänger dazu auf gegen die Ungläubigen vorzugehen. Mehr als 3.500 Hassbotschaften gegen die Jesiden gab es an einem einzigen Tag.

Auswahl von Hassbostschaften aus Sozialen Medien

 

Und die Regierungen in Bagdad und Erbil? Versuchen sie zu deeskalieren oder sachlich aufzuklären? Nein, während die Verantwortlichen in Kurdistan schweigen, geht die Zentralregierung noch einen Schritt weiter. Es wurde Haftbefehl gegen den Kommandeur Qasem Shesho, einem deutschen Staatsbürger, erlassen weil er die innere Ordnung des Irak störe und einen Umsturz plane und weil er den Propheten Mohammed beleidigt habe.

 

Eine jesidische Aktivistin aus dem Irak, die anonym bleiben möchte schreibt heute:

"Dies ist eine klare Botschaft an die internationale Gemeinschaft, dass das militärische Ende des IS nicht bedeutet, dass die Jesiden in Sicherheit sind, denn jedes Mal, wenn ein Jeside einen Fehler macht, werden alle Jesiden dafür haftbar gemacht und laufen Gefahr, von Extremisten getötet und vertrieben zu werden."

Inzwischen sollen hunderte Jesiden aus Angst Camps in der kurdischen Stadt Zakho verlassen und Richtung Sinjar geflohen sein.

 

Fast zynisch wirkt es dabei, dass fast gleichzeitig eine Generalamnestie für Islamisten durchgesetzt wurde. Mehr als 1000 IS Anhänger, die aus kurdisch-syrischen Gefängnissen, in den Irak überstellt wurden, bleiben so straffrei und auf freiem Fuß. Kaum einer glaubt, dass sie nicht versuchen, werden das Werk des IS weiter fortzuführen.

ES gibt keinen Frieden für Jesiden, scheinbar nirgendwo auf dieser Welt. Die neue Heimat, in der sie angekommen waren und sich integriert haben will sie nicht mehr und möchte sie zurück schicken. Die alte Heimat gibt es nicht mehr, wohl aber die die ihnen weiter nach dem Leben trachten.

Die Entscheidungsträger in Deutschland wissen von alledem. Wenn auch die aktuelle Situation nicht zu einem Umdenken fürht, dann basiert die angebliche deutsche und jesidische Freundschaft scheinbar nur auf einem Missverständnis.

Die Jesiden die zurück in den Shingal gekehrt sind, wissen um alle Probleme die es dort gibt. Verschiedene Milizen, die gegeneinander kämpfen, Schutzgelderpressung und Korruption an jedem Checkpoint sowie eine türkische Armee, die inzwischen im Gebiet angekommen ist und das Ge biet „säubern“ möchte. Was dies bedeutet, können sich wohl alle vorstellen. Sie wollen aber lieber in der alten Heimat und zu Hause sterben als in einem stinkenden und kaputten Zelt in einem der Camps.

Was bleibt ist die Hoffnung auf eine Wende zum Guten oder den endgültigen Abschied von den Jesiden beizuwohnen. .