Die Darstellung der Frauen in Woody Allens neuem Film ist ärgerlich

Zum hundertsten Mal Manhattan

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Ärgerlich ist an »A Rainy Day in New York« nicht nur, dass die Handlung nervt. In »Blue Jasmine« von 2013 zeigte Woody Allen noch Empathie und Interesse für eine Frauen­figur, Cate Blanchett spielt darin grandios eine Frau, die aus der Oberschicht abrutscht. Doch in seinem neuen Film ist davon nichts mehr übrig. Die Frauenfiguren sind ausnahmslos lieblich inszeniert und von einer unglaublichen Naivität oder aber schlicht hysterisch. Wie Elle Fanning beinahe den ganzen Film über unbeholfen im Minirock, mit Schmollmund sowie Block und Bleistift die laszive Journalistin in spe mimt, die der großen Story hinterherstolpert, ist schwer zu ertragen. Überwältigt von all den Celebrities, auf die sie trifft, stammelt Fanning ständig unbeholfen und fasziniert vor sich hin.

Jahrzehntelang inszenierte Allen junge Frauen als Leinwandmusen, denen die Männer erliegen. Von der mittlerweile völlig von Zwischentönen oder Untergründigem befreiten Stilfigur der jungen Frau, die einem älteren erfahren-erfolgreichen Mann verfällt, konnte Allen wohl nicht lassen. Dass er mit seinem abgeschmackten Drehbuch jedoch auch noch Roman Polanski und sich selbst verteidigen will und nahelegt, es handle sich bei seinem Kollegen und ihm um liebenswerte, dem Alkohol zugeneigte Genies, ist der Gipfel.

Die Dialoge zwischen Männern und Frauen sind hohl, die Filmszenen einfältig, etwa wenn Drehbuchautor Davidoff seine Frau beim Fremdgehen ertappt und zur Rede stellt; ein Bekannter Gatsbys will seine Verlobte verlassen, weil sie zu schrill lacht, und die Mutter des Filmhelden gesteht ihrem Sohn empört, schuldbewusst und unter Tränen, dass sie selbst aus dem Rotlichtmilieu aufgegabelt worden sei, als er eine Edelprostituierte auf einer Familienfeier anschleppt. Die angedeutete Identitätssuche der Figuren wird aufdringlich erzählt, bleibt aber völlig unglaubwürdig und scheint nur da zu sein, um der eigentlichen Schmonzette einen schein­bar tieferen Sinn zu geben.

Während die Schauspielerin Adèle Haenel mit ihren offenen Worten über eine sexuelle Drangsalierung durch den Regisseur Christophe Ruggia in einer Fernsehshow und in der Liberation Anfang November die Diskussion um sexuelle Belästigung in der Filmbranche in Frankreich neu entfacht hat, scheint die Me-too-Debatte in den USA zumindest bei Woody Allen keine Spuren von Selbsterkenntnis hinterlassen und schon gar nicht Läuterung ausgelöst zu haben, sondern nur Trotz. In dieser Hinsicht ist sein Film im verregneten New York, in dem Frauen ungefähr so viel Charakter haben wie die Tischgarnituren auf den Partys der High Society, fast schon wieder retro.

A Rainy Day in New York. USA 2019. Drehbuch und Regie: Woody Allen. Darsteller: ­Timothée Chalamet, Elle Fanning, Selena Gomez, Jude Law, Diego Luna, Liev Schreiber