Montag, 08.07.2024 / 17:26 Uhr

Die 5. Kolonne der Hamas

Kundgebung in Berlin, Bildquelle: Montecruz Photo

Die Hamas kann sich auf Unterstützung aus dem Westen verlassen, wo keine Gelegenheit ausgelassen wird, Israel an den Pranger zu stellen.

1936 verlautete der spanische General Emilio Mola, der auf der Seite Francos gegen die Republik Spanien putschte, er werde mit vier Kolonnen gegen Madrid ziehen, die 5. Kolonne befände sich bereits in Madrid. Mit dieser 5. Kolonnen bezeichnete er Anhänger Francos, die hinter der Feindeslinie in der Republik verblieben waren. Damit prägte er den Begriff der 5. Kolonne; Kollaborateure also, die hinter der tatsächlichen Feindeslinie stationiert sind. Die 5. Kolonne war schon im Ursprung zutiefst reaktionär.

Nun hat sich der Begriff der 5. Kolonne mittlerweile etwas aufgeweicht, bezeichnet werden so nicht mehr nur militärische Kollaborateure, sondern jegliche Kollaborateure, die sich auf der anderen Seite der Feindeslinie befinden.

In den Tagen und Wochen nach dem 07. Oktober zeigte sich die so genannte Weltöffentlichkeit weitestgehend tief bestürzt und versprach Israel seine Unterstützung. Unzählige Politiker reisten nach Israel, schauten sich die verwüsteten Kibbuzim an, sprachen mit Zeugen, ließen ihren Krokodilstränen freien Lauf. Schon damals warnte einer der Sprecher der IDF, Arye Sharuz Shalicar, in seinem Podcast davor, dass Sinwar, Führer der Hamas in Gaza, eine Täter-Opfer-Umkehr betreiben werde[i]. Und er sollte leider recht behalten.

Man lechzt förmlich nach Gelegenheiten, Israel an den Pranger zu stellen, Israels Selbstverteidigungskrieg zu skandalisieren.

 Mittlerweile steht Israel tagtäglich am Pranger der Weltöffentlichkeit: Studierende auf ihren Protestcamps[ii] zählen dazu genauso wie die vielen westlichen Leitmedien (in den deutschen ist bereits von einem Vernichtungsfeldzug Israel die Rede[iii] und der Spiegel übersetzte neulich gar Netanyahus Worte von einem >>umfassenden Krieg<< in einen >>totalen Krieg<<, hat dieses Wording dann aber schnell wieder zurückgezogen[iv]). Das mittels KI generierte Bild #alleyesonrafah, das in kürzester Zeit alleine auf Instagram 40 Millionen mal geteilt wurde[v], spricht Bände. Südafrika wirft Israel vor dem Internationalen Gerichtshof einen Genozid vor[vi]. Netanyahu und seinem Verteidigungsminister Joaw Gallant werden am Internationalen Strafgerichtshof Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen[vii]. Die Gelder an UNRWA fließen wieder[viii]. Spanien, Irland und Norwegen haben die Hamas für den 07. Oktober belohnt, indem sie Palästina als Staat anerkannt haben[ix]. UNO-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer Katastrophe, die die Vorstellungskraft übersteige[x]. Zur Elite gesellt sich noch der Pöbel und randaliert derweil gegen tote Juden, beschmiert Stolpersteine[xi]  und ein Mahnmal, das an die Rettung jüdischer Kinder vor der Shoa erinnern soll[xii] etc. pp. Dazu tönt es in Tagesschau (deren israelbezogene und stark tendenziöse Einseitigkeit ist mittlerweile sogar der Tageszeitung „Die Welt“ aufgefallen und einen eigenen Kommentar wert[xiii]), in unzähligen Offenen Briefen[xiv] und Unterschriftenlisten[xv], auf Demonstrationen[xvi], in Parlamenten[xvii], bei NGOs[xviii], bei der UN-Vollversammlung und anderen UN-Gremien[xix], bei parteinahen Stiftungen[xx], aus Baerbocks Mund[xxi] und einfach überall: Israel hier, Israel da.

Der Ton ist immer derselbe: „Ja, der 07. Oktober, aber...“. 

Was hat sich also in der Zwischenzeit geändert? Israel, die IDF und Gaza betreffend: Nichts, Israel führt nach wie vor einen Selbstverteidigungskrieg.

Aber je mehr der Westen die Realität des 07. Oktober in die Vergangenheit verschob, desto mehr ließ man seinem bisher unterdrückten Antisemitismus wieder freien Lauf. Die unleugbare, schreckliche Realität des 07. Oktober musste den antisemitischen Projektionen weichen. Die großen Töne und Versprechen, die in Folge des 07. Oktobers getätigt wurden, beweisen sich mehr und mehr als leere Worte. Wann genau dieser Schwenk stattfand, lässt sich nicht an einem konkreten Ereignis festmachen, er verlief langsam, schrittweise und nicht geradlinig. Vielleicht begann es schon ganz zu Beginn des Krieges, als Israel die Zivilisten in Gaza evakuierte, indem es sie anwies, in den Süden nach al-Mawasi zu gehen. Diese Evakuierung aus dem aktuellen Kriegsschauplatz zum Schutz der Zivilbevölkerung dichtete man vielerorts als „Vertreibung“ um. Der Raketeneinschlag im Al-Ahli-Krankenhaus, der von einer fehlgeleiteten Rakete des Islamischen Dschihad verursacht wurde, war sicherlich auch ein weiterer, auffälliger Schritt in diesem Schwenk: In Windeseile übernahmen westliche Medien das Narrativ der Hamas, die IDF habe das Krankenhaus beschossen, dazu wurden auch noch unkritisch die Opferzahlen des Gesundheitsministeriums von Gaza, das der Hamas untersteht, übernommen[xxii].

Man lechzt förmlich nach Gelegenheiten, Israel an den Pranger zu stellen, Israels Selbstverteidigungskrieg zu skandalisieren. Das ist die Aufgabe der Weltöffentlichkeit als 5. Kolonne.

Früher ging es direkt gegen die Juden, dann gegen den Juden unter den Staaten, Israel, nun dämonisiert man den Juden unter den Kriegen, Israels Selbstverteidigungskrieg in Gaza und gegen die Hisbollah. 

Die Hamas hat verstanden

Sinwar, Führer der Hamas in Gaza, hat dies alles längst verstanden: In geleakten Gesprächen, die das Wall Street Journal[xxiii] veröffentlichte, sprach er ganz klar davon, dass die Zivilisten im Gaza-Streifen der Hamas nicht nur als Schutzschild dienen; nein, ihr Tod, die Fotos von leidenden und toten Palästinensern nützen der Hamas, denn die Weltöffentlichkeit steht schon in den Startlöchern, kann es kaum erwarten, Israel wieder an den Pranger zu stellen und massiv unter Druck zu setzen. Sinwar kalkuliert mit dieser Empörung der Weltöffentlichkeit, er braucht ihr nur die entsprechenden Bilder und News, oder auch einfach Lügen zu präsentieren, alles weitere übernimmt dann die Weltöffentlichkeit, die sich dieser Rolle nicht einmal voll bewusst sein sein muss oder gar beabsichtigen muss, um sie glänzend zu erfüllen. Sinwar muss lediglich das Bedürfnis der Weltöffentlichkeit, Israel an den Pranger stellen zu können, befriedigen.

Je mehr die IDF gegen die Hamas vorgeht, desto mehr setzt die Weltöffentlichkeit Israel unter Druck. 

Das ist ein fataler Turning Point im Kräfteverhältnis: Hat die Bodenoffensive der IDF die Hamas anfangs noch massiv unter Druck gesetzt, waren die Boots on the Ground eine Waffe FÜR Israel, sind sie nun eine Waffe GEGEN Israel. Die Weltöffentlichkeit knebelt Israels stärkste Waffe und zurück bleibt ein Israel, das nur noch sehr eingeschränkt Druck auf die Hamas ausüben kann.

Im Gegensatz zu Ende November fühlt sich die Hamas daher auch gar nicht mehr genötigt, einen vernünftigen Deal zur Freilassung der Geiseln auszuhandeln, bzw. zuzustimmen. Warum auch? Je mehr die IDF gegen die Hamas vorgeht, desto mehr setzt die Weltöffentlichkeit Israel unter Druck. Schaut man sich den Forderungskatalog an, den die Hamas zur Zeit vorlegt, wird dies offensichtlich: die IDF solle sich vollständig aus dem Gaza-Streifen zurückziehen und alle Kriegshandlungen einstellen, dann lasse man irgendwann irgendwie ein paar Geiseln frei. Das ist blanker Hohn, eine Farce, nichts weiter. Und die Hamas kann das, denn sie hat die Weltöffentlichkeit als 5. Kolonne auf ihrer Seite. Das ist, nüchtern betrachtet, eine absurde Unglaublichkeit, die nur durch Antisemitismus erklärbar wird. Nüchtern betrachtet sollte die Weltöffentlichkeit Druck machen auf die wahren Feinde der Zivilisten in Gaza: Hamas, nicht Israel. 

Denn, wenn man eines aus den letzten Monaten lernen kann, dann, dass die Hamas nur zu halbwegs vernünftigen Zugeständnissen bereit ist, wenn Israel massiv militärisch gegen sie vorgeht. Das gilt auch für alle zukünftigen Deals.

Es ist freilich nur eine Spekulation, aber diesen Gedankengang kann man ruhig mal aussprechen: Das kleine Baby Kfir Bibas, das mittlerweile mehr als die Hälfte seines Lebens in Gefangenschaft der Hamas ist, könnte schon längst aus den Händen dieser Barbaren befreit worden sein, wäre die Weltöffentlichkeit nicht Israel in den Rücken gefallen und zur 5. Kolonne der Hamas degeneriert.

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Anmerkungen:
 

[i]https://open.spotify.com/episode/35XRZ5SSbpaHbzzDGrn53N?si=63927a481d1e401e

[ii]https://apnews.com/article/israel-palestinian-campus-protests-timeline-f7cd3abe635f8afa4532b7bed9212b56

[iii]https://www.spiegel.de/ausland/deutsche-israel-politik-verpanzerte-herzen-a-80ca16fd-0845-405d-bf89-d157bbabbbb3

[iv]https://www.spiegel.de/ausland/krieg-in-nahost-israel-droht-mit-totalem-krieg-im-libanon-usa-um-deeskalation-bemueht-a-df8a6f7e-368f-411f-a7cb-256ca744d89 1

[ix]https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-05/norwegen-palaestina-staat-anerkannt-spanien-irland

[v]https://www.dasding.de/newszone/all-eyes-on-rafah-instagram-viral-100.html

[vi]https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-gazastreifen-den-haag-voelkermord-faq-100.html

[vii]https://www.tagesschau.de/ausland/europa/internationaler-strafgerichtshof-haftbefehl-israel-hamas-100.html

[viii]https://taz.de/Finanzierung-der-UNRWA-nach-Vorwuerfen/!5996443/

[x]https://www.spiegel.de/ausland/israel-und-libanon-guterres-warnt-vor-katastrophe-die-die-vorstellungskraft-uebersteigt-a-c3f8be38-3f68-4264-b1fa-8ef4b8c4fe2b

[xi]https://www.bild.de/regional/thueringen/antisemitismus-stolpersteine-in-weimar-beschmiert-6673d19763f34705fb65e5e0

[xii]

[xiii]https://www.welt.de/debatte/kommentare/article252248614/ARD-Wie-die-Tagesschau-Angriffe-auf-Israel-totschweigt.html?icid=search.product.onsitesearch

[xiv]Beispielhaft hier: https://www.amnesty.de/israel-besetzte-gebiete-organisationen-offener-brief-forderung-einstellung-ruestungsexporte

[xix]https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/gaza-waffenstillstand-un-vollversammlung-israel-100.html

[xv]https://www.change.org/p/unterschreibt-und-teilt-diese-wichtige-petition-f%C3%BCr-ein-ceasefirenow-in-gaza-und-israel
und 
https://www.stern.de/politik/deutschland/wissenschaftler-kritisieren-israel-politik-deutschlands---die-verzweiflung-ist-der-antrieb--34611014.html

[xvi]https://www.bbc.com/news/articles/ckkkww71py5o

[xvii]https://www.europarl.europa.eu/news/de/agenda/briefing/2024-04-22/15/israelische-angriffe-auf-gaza

[xviii]https://www.amnesty.de/israel-besetzte-gebiete-organisationen-offener-brief-forderung-einstellung-ruestungsexporte

[xx]https://www.boell.de/de/2024/07/01/palaestinenserinnen-deutschland-tabus-brechen-und-traumata-thematisieren

[xxi]https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/herzliya-sicherheitskonferenz/2664736

[xxii]https://www.nytimes.com/2023/11/03/briefing/gaza-hospital-explosion.html
https://www.nytimes.com/2023/10/18/business/media/hospital-blast-gaza-reports.html

[xxiii]https://www.wsj.com/world/middle-east/gaza-chiefs-brutal-calculation-civilian-bloodshed-will-help-hamas-626720e7?mod=mhp&fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR0E2Qkhi6_2rCg-pnNMhr1S7s7fqmnRwtzbgKQNfjLNxDL3EuI6UNpjFwE_aem_OLxX6e-G3c7fSFjJttiA-g

https://taz.de/Berichte-ueber-den-Nahost-Konflikt/!6017743/